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Stark gemacht. Hertha beim kollektiven Torjubel.

© dpa/Hilse

Der Aufschwung bei Hertha BSC: Die starken Neuen

Beim 2:0 gegen den 1. FC Köln zeigen Herthas Zugänge um Vedad Ibisevic, dass sie die Mannschaft auch auf Dauer verstärken können.

Kurz vor Ende des Spiels brach unter Herthas Fans noch einmal der Torjubel los. Er fiel deutlich lauter aus als noch in der ersten Halbzeit. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, ungewöhnlich war eher, dass der Jubel keinem Spieler von Hertha BSC im Olympiastadion galt, sondern einem ehemaligen Hertha-Spieler. Auf den Anzeigetafeln war gerade der zweite Treffer von Sandro Wagner für Darmstadt 98 vermeldet worden. Zwei Tore von Wagner in einem Spiel? Man hätte fast meinen können, dass die Reaktion der Berliner Fans von Sarkasmus geleitet gewesen wäre. Bei Hertha war Wagner zuletzt allenfalls dadurch aufgefallen, dass er keine Tore erzielte.

Doch zu Sarkasmus bestand kein Anlass, weil Vedad Ibisevic beim 2:0-Sieg des Berliner Fußball-Bundesligisten gegen den 1. FC Köln ebenfalls zwei Treffer gelungen waren. Jenem Stürmer also, der gewissermaßen Wagners Platz in Herthas Kader eingenommen hat. Grund, sarkastisch zu sein, hätten wohl eher die Fans des VfB Stuttgart gehabt, bei dem Ibisevic noch bis vor wenigen Tagen angestellt war. Aber beim VfB spielte der Bosnier schon in der vergangenen Saison keine Rolle mehr, auch deshalb hatte er seit fast 20 Monaten kein Tor mehr erzielt, während ihm schon im dritten Einsatz für Hertha gleich zwei Treffer gelangen. Dumm gelaufen.

Bei den Berlinern stellt sich gerade genau der gegenteilige Eindruck ein: Läuft doch! Und das liegt nicht zuletzt an den Neuen. Ganz unkompliziert ist die Transferperiode in diesem Sommer ja nicht verlaufen. Lange passierte bei Hertha fast gar nichts; vermeintliche Wunschkandidaten entschieden sich für andere Klubs, Spieler, die der Verein loswerden wollte, stellten sich quer. Trainer Pal Dardai gab sich trotzdem recht entspannt, sagte immer wieder, es komme nicht darauf an, möglichst viele Spieler zu verpflichten, sondern möglichst gute. Die Entwicklung scheint ihm recht zu geben. Gegen Köln standen zum ersten Mal alle vier Neue in der Startelf: Niklas Stark und Mitchell Weiser in der Viererkette, Vladimir Darida im defensiven Mittelfeld und Vedad Ibisevic im Sturm.

Herthas Transferpolitik dieses Sommers unterscheidet sich radikal von der des vergangenen Jahres. Damals verpflichteten die Berliner fast eine komplette Mannschaft neu, was vor allem dazu führte, dass das bestehende Mannschaftsgefüge gehörig durcheinander geriet. Bis auf Valentin Stocker erwies sich keine der Verpflichtungen als echte und dauerhafte Verstärkung. Das scheint diesmal anders zu sein. Die Zugänge wirken mit Bedacht ausgewählt – und mit einem klaren Blick für die Schwachstellen im Kader. Das Spiel gegen Köln war jedenfalls mehr als nur eine Andeutung, dass alle vier Neuen kurz- bis mittelfristig die Perspektive Stammelf besitzen. Nicht nur Ibisevic, der mit seinen Toren im Mittelpunkt des Interesses stand.

Darida war gegen Köln der Spieler mit der größten Laufleistung

Rechtsverteidiger Mitchell Weiser besitzt seine Stärken zwar eher im Spiel nach vorne und stellt sich in der Abwehrarbeit – vor allem im Verbund mit dem gelegentlich irrlichternden Genki Haraguchi – noch etwas unbedarft an. Mit seiner Rettungstat auf der Linie gegen Kölns Stürmer Simon Zoller sicherte er Hertha aber vermutlich den Sieg. Vladimir Darida hat seinen Wert für die Statik der Mannschaft längst nachgewiesen. Gegen den FC war er mit fast 14 Kilometern wieder einmal der Spieler mit der größten Laufleistung.

Auch Ibisevic füllt eine Leerstelle, die Salomon Kalou bisher nicht füllen konnte. „Wir haben Vedad nicht umsonst geholt. Er ist der Stürmer, der uns gefehlt hat“, sagt Trainer Dardai. „Er hat Qualitäten, die wir vorher nicht in unserem Kader hatten. Er kann töten.“ So wie beim 1:0 kurz vor der Pause, als Ibisevic seine herausragenden Fähigkeiten im gegnerischen Strafraum unter Beweis stellte. Im richtigen Moment entledigte er sich mit der richtigen Bewegung der Bewachung durch die beiden Kölner Innenverteidiger. Sein Kopfball war letztlich nicht mehr zu verteidigen. „Man muss sich nur mal das Training anschauen“, sagte Herthas Torhüter Rune Jarstein. „Er macht viele Tore. Er ist ein sehr guter Stürmer.“ Wenn Hertha es schafft, das Spiel weit in die Hälfte des Gegners zu tragen und den Ball in dessen Strafraum zu bekommen, dann ist Ibisevic mit seinem Torinstinkt und trotz seiner 31 Jahre eine Verstärkung und genau der richtige Mann.

Niklas Stark mit seinen 20 Jahren eher als Mann der Zukunft. Aber so erwachsen, wie er am Dienstag spielte, spricht einiges dafür, dass die Zukunft schon nicht mehr allzu fern ist. Der U-21- Nationalspieler gewann gleich den ersten Zweikampf gegen den bulligen Kölner Stürmer Anthony Modeste und holte sich damit das nötige Vertrauen für alle weiteren Duelle. „Er hat viele Zweikämpfe gewonnen, viele Luftduelle gewonnen“, sagte Kapitän Fabian Lustenberger. „Niklas ist sehr spielintelligent. Es ist einfach, mit ihm zusammenzuspielen.“ Es gab nur zwei knifflige Szenen. Eine Kopfballrückgabe geriet ein wenig zu kurz, und einmal bekam Stark den Ball im Strafraum aus kurzer Distanz an die Hand. „Ich hab’s noch nicht gesehen“, sagte er später. „Ich glaub’, ich will’s auch nicht sehen.“

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