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Sport: Der Bär tanzt, und alle schauen zu

In der Bundestagssitzung zum Gendoping müssen die Beteiligten ihre Ohnmacht eingestehen

Berlin - Der Deutsche Bundestag hat am Mittwoch einen Blick in die Zukunft des Sports geworfen. Die Zukunft heißt: Gendoping. Es ist eine düstere Zukunft, denn Gendoping bringt gleich zwei Nachteile mit sich: Es ist kaum nachweisbar, und die gesundheitlichen Risiken können auch nach unzähligen Studien nicht einmal grob abgeschätzt werden. Einige Abgeordnete und Experten haben es dennoch als kleinen Sieg gefeiert, dass sich der Bundestag schon jetzt mit dem Gendoping beschäftigt. „Wir sind ganz vorne in der Debatte“, sagte der Berliner SPD-Abgeordnete Swen Schulz, und Professor Armin Grunwald, Gutachter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag (Tab), sagte: „Damit haben wir im Wettrennen zwischen Dopern und Dopingbekämpfern einen kleinen Vorteil.“

Es gibt allerdings auch andere Einschätzungen. Etwa die, dass der Rückstand der Dopingbekämpfer immer größer wird. Patrick Diel, Biochemiker an der Deutschen Sporthochschule Köln, musste seine Stellungnahme für das Gutachten des Tab schon im Mai 2007 abgeben. Dieses Gutachten war die Grundlage für die Diskussion gestern im Bundestag. „Seit Mai hätte ich allein zehn weitere Sachen hinzufügen können“, sagte Diel. Er forscht derzeit im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), um bestimmte Verfahren des Gendopings nachweisen zu können. Doch selbst der Wada ist nach Diels Einschätzung die neue Bedrohung durchs Gendoping noch nicht so lange bewusst. „2002 wollte die Wada uns kein Projekt bewilligen. Drei Jahre später sind sie dann von selbst auf uns zugekommen, weil der Bär schon so am Tanzen war.“

Inzwischen hat die Wada Diel sogar damit beauftragt, ein Nachweisverfahren für ein Medikament zu entwickeln, das noch nicht einmal auf dem Markt ist. „Das hat es noch nie gegeben“, sagte Diel.

Das Gutachten des Tab, das vor allem auf Diels Analysen beruht, haben die Abgeordneten des Sportausschusses und des Ausschusses für Forschung auch mit Sorge aufgenommen. „Gendoping ist nicht ante portas, Gendoping ist schon mitten im Sport angekommen“, sagte Winfried Hermann von Bündnis 90/Die Grünen. Das Gutachten räumt auch mit der Einschätzung auf, Gendoping sei so kompliziert, dass es noch lange nicht zum Einsatz kommen kann. Schon jetzt zählten viele Schritte beim Gendoping zu den „Routineaufgaben von Molekularbiologen, für viele Teilschritte gibt es Standardprozeduren, Apparate und kommerzielle Bausätze“. Insofern seien bestimmte Methoden des Gendopings nicht viel schwieriger als die Herstellung des Designersteroids THG durch das kalifornische Balco-Labor. Gendoping wird auch nicht länger nur als Einschleusen von Genen in den Körper wie in der Gentherapie verstanden, sondern nun weiter gefasst: Schon die Veränderung der Wirkungsweise menschlicher Gene ist Gendoping.

Was die Nebenwirkungen solcher Verfahren sind, ist nicht im Geringsten absehbar. Sie könnten verheerend sein, doch haben bisher selbst Todesfälle Athleten nicht vom Dopen abgehalten.

Die Herausforderungen für den Sport sind auch deshalb so groß, weil die neuen Verfahren mit der bisherigen Analytik nicht nachzuweisen sind. „Wir müssen immer damit rechnen, dass es Methoden gibt, die wir nicht kennen und nicht nachweisen können“, sagte Arnold Sauter, ebenfalls Gutachter des Tab. Die Dopingbekämpfer müssen daher vor allem auf Augenhöhe mit der Pharmaindustrie sein, denn die Industrie entwickelt gerade mit Erkenntnissen der Genforschung unzählige Mittel zur Bekämpfung schwerer Krankheiten, die auch bestens im Sport eingesetzt werden können.

Einige Abgeordnete forderten eine massive Förderung der Forschung zur Dopingbekämpfung. Ein Schlüssel in der Nachweisbarkeit könnte ein „molekularer Fingerabdruck“ jedes Athleten sein. Daran hätten jedoch nicht nur Biochemiker lange zu arbeiten, sondern auch Sportverbände und Juristen.

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