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Favre

© dpa

Der Fall Favre: Verein und Schaden

Nach Lucien Favres fristloser Entlassung deutet einiges darauf hin, dass sich Hertha mit seinem Ex-Trainer einigt.

Berlin - Schon am Morgen gab es Ärger beim Training. Fans diskutieren gestern mit den Hertha-Spielern über ihre Einstellung; sie stellten die zuletzt glücklosen Arne Friedrich und Patrick Ebert zur Rede. Diese hatten auch sonst genug zu tun: Sie mussten öffentlich klar stellen, dass das Binnenklima in der Mannschaft nicht gestört sei. Zuvor war ein Videofetzen aufgetaucht, in dem sich Kapitän Friedrich über Eberts Fehler beim Spiel in Nürnberg geäußert haben soll. Die Fans waren aufgeregt, Friedrich fühlte sich falsch wiedergegeben. Irgendwie passt das alles gerade zu Hertha BSC – einem Verein, der sich selbst kaum versteht.

Nach der achten Niederlage in Folge geht es laut Manager Michael Preetz um „die Existenz“. Aber darum wird derzeit eher außerhalb des Platzes gekämpft: So teilte der Verein dem eigentlich beurlaubten Trainer Lucien Favre gerade erst mit, dass er nun doch fristlos entlassen sei. Favre habe sich mit öffentlichen Aussagen vereinsschädigend verhalten. Favre hat nun drei Wochen Zeit, um sich juristisch dagegen zu wehren. Sonst sieht er statt einer Millionenabfindung oder wenigstens eines Teils davon – gar nichts.

In den Führungsgremien des Bundesligaletzten herrscht nach wie vor die Verärgerung über die Äußerungen Favres, die er auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz am 6. Oktober in Berlin und am selben Tag noch einmal in der Schweiz machte. „Der Geschäftsführung hätte man selber vereinsschädigendes Verhalten vorwerfen können, wenn sie daraufhin nicht gehandelt hätte“, heißt es aus Kreisen des Präsidiums. Die Geschäftsführung – bestehend aus Michael Preetz (Vorstand Sport) und Ingo Schiller (Finanzen) – müsse schließlich finanziellen Schaden vom Verein abwenden. Insofern lieferten Favres Aussagen etwa über die schlechte Finanzsituation des Klubs einen Steilpass, um aus einer vernehmlichen Auflösung des bis 2011 laufenden Vertragsverhältnisses eine fristlose Kündigung zu machen. Ob ein Gericht dieser Einschätzung folgt, steht auf einem anderen Blatt.

Herthas Vorgehen entspricht durchaus gängiger Praxis. Anja Böckmann, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Loh Rechtsanwälte, sagt: „Hertha wollte jede Gelegenheit nutzen, um Herrn Favre runterzuhandeln. Und es ist etwas passiert: Favres Erklärung hat dem Verein negative öffentliche Aufmerksamkeit gebracht.“ Sie hält eine außergerichtliche Einigung jedoch für wahrscheinlich: „Beide Seiten werden kein Interesse daran haben, dass die Öffentlichkeit bei einem Prozess noch mehr Interna erfährt.“

Aus dem Präsidium verlautet, dass eine fristlose Kündigung jeden Tag zurückgenommen werden könne. Außerdem habe großer Einigungswillen bestanden, Favres Berater seien dem Verein aber nicht entgegengekommen. Für eine Stellungnahme war Favres Berater Christoph Graf am Dienstag nicht zu erreichen. Derweil hat Favre abzuwägen, was ihm wichtiger ist. Nur wenn er nicht gegen die Kündigung vorginge, stünde er für neue Arbeitsverhältnisse sofort zur Verfügung. Der Vertrag mit Hertha würde sofort enden, allerdings ohne Teilzahlung der ausstehenden Bezüge. Dafür wäre er sofort auf dem Trainermarkt frei. Sollte die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt werden, bekäme Favre noch ausstehende Zahlungen (von rund 1,2 Millionen Euro ist die Rede), allerdings könnte er dann erst nach dem Sommer 2011 ein neues Vertragsverhältnis mit einem Klub eingehen.

Nach Informationen des Tagesspiegels war in Favres Arbeitsvertrag eine mögliche Trennung klar geregelt. Aus mit diesem Vorgang befassten Kreisen heißt es, der Rahmen für eine Abfindung sei verbindlich geregelt worden. Über deren genaue Höhe hätte aber verhandelt werden müssen. Eine Zahlung der Abfindung in Raten war nicht vereinbart, der Betrag wäre für Hertha auf einen Schlag fällig geworden – falls man sich mit Favre nicht auf ein anderes Verfahren geeinigt hätte.

Am Abend eines erneut zermürbenden Tages für Hertha hielt Manager Preetz einen Vortrag vor Finanzanlegern. Auf die Frage, ob er lieber Spieler oder Manager sei, meinte er gestern: „Die Antwort kann sich ja jeder denken.“ Er sagte es mit einem Lächeln, das nicht fröhlich aussah.

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