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Sport: Der Fluch der Offensive

Aus Alba Berlin ist ein spektakuläres Angriffsteam geworden – und das ist ein Problem

Berlin. Das schwarze Jackett und die schwarze Hose hatte Gordon Herbert rund 20 Minuten nach Spielschluss gegen einen Pullover und eine ausgewaschene Jeans getauscht, die er bis auf Bauchhöhe gezogen hatte. In Freizeitkleidung stand der Basketball-Trainer der Opel Skyliners aus Frankfurt im VIP-Raum der Max-Schmeling-Halle und ließ sich ein gesponsertes Pils schmecken. Er wirkte wie jemand, der sich wohl fühlt in Berlin.

Zum zweiten Mal in Folge hatte Gordon Herbert das geschafft, was außer seinem Team in dieser Saison noch keinem Bundesligisten gelang: Alba Berlin in eigener Halle zu bezwingen. „Die Frankfurter wissen, wie sie gegen uns spielen müssen“, sagte Albas Flügelspieler Marko Pesic, „die ziehen ihre Sache konsequent durch.“ Mit einer harten, unerbittlichen Verteidigung hatten die Frankfurter die Berliner in der zweiten Halbzeit entnervt. Das war einmal das Rezept von Alba Berlin, doch in diesem Jahr ist das anders.

Alba Berlin ist zu einem Offensivteam mutiert. Für die Zuschauer ist das eigentlich eine erfreuliche Entwicklung. Wenn die Berliner Spieler treffen, sorgen sie für unglaublich spektakuläre Spiele. Das Heimspiel gegen Leverkusen, in dem Alba bereits nach drei Vierteln 100 Punkte erzielte, oder der Sieg über den Tabellenzweiten Bonn bilden nur die jüngsten Beispiele auf dieser Liste der Freude . „Es ist bekannt, dass wir in der Offensive viel Talent haben“, sagt Trainer Emir Mutapcic. Wehe aber, wenn die Alba-Spieler plötzlich nicht mehr treffen.

„Wir haben unser Selbstvertrauen verloren“, monierte Mutapcic. Als leichte Korbleger im dritten Viertel nicht mehr durch die Reuse fallen wollten, zitterten seinen Spielern plötzlich auch bei den Dreipunktewürfen die Hände. „In diesem Moment kommt man ins Nachdenken“, sagt Pesic. Die defensive Leistung beurteilte er als „ganz okay“.

Die beiden Berliner Trainer, Emir Mutapcic und Burkhardt Prigge, wissen längst um das Problem. Mit einer engagierten Defensive lassen sich Spiele leichter gewinnen, mit der Offensive ist dieses Unterfangen schwieriger. Weil Alba zu sehr von der psychischen Verfassung der Spieler abhängig ist. Damit erklären sich auch die Leistungsschwankungen dieser Saison. Eine starke Defensive ist eine verlässlichere Tugend als eine spektakuläre Offensive. Mutapcic predigt seinem Team daher unaufhörlich die Bedeutung der Verteidigung. Am Sonntag zeigte sich jedoch, dass er womöglich nicht die Spieler dafür hat. Vladimir Petrovic, der sich in Ludwigsburg über seine Defense freute, erlaubte diesmal seinem Gegenspieler Chris Williams 19 Punkte. Lediglich bei John Best ist die Umerziehung zum Verteidiger gelungen, DeJuan Collins oder Szymon Szewczyk haben ihre Qualitäten weiterhin eher in der Offensive.

Frankfurt hat das erkannt. Sogar den direkten Vergleich konnte der Tabellenvierte am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle für sich entscheiden. Trotzdem will Trainer Herbert erst im Finale auf Alba treffen. Kann ja immer passieren, dass die Berliner plötzlich wieder treffen.

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