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Prozess um THW Kiel: Der Handball schweigt

Im Manipulationsprozess um den THW Kiel wird am Donnerstag das Urteil gesprochen. Der Prozeß verlief aus Sicht der Ankläger enttäuschend, an manchen Zeugen prallten die Richter wie an einer Gummiwand ab.

Eine Katharsis für den Handball sollte es werden. „So ein Prozess hat auch eine reinigende Wirkung“, hatte Oberstaatsanwalt Axel Goos gesagt, als im September das Hauptverfahren gegen Uwe Schwenker, den früheren Manager des THW Kiel, und den ehemaligen Trainer Noka Serdarusic begonnen hatte. Heute verkündet die fünfte große Strafkammer des Landgerichts Kiel das Urteil. Wie auch immer der Spruch der Richter ausfällt, die Hoffnung des Staatsanwaltes hat sich nicht erfüllt. Der Strafprozess stieß bei der Wahrheitsfindung an Grenzen.

Vorgeworfen wurde den Angeklagten, das Champions League-Finale 2007 und weitere Spiele des Jahres 2008 im wichtigsten Klubwettbewerb durch Schiedsrichterbestechung manipuliert zu haben. Beide bestreiten alles. Die Staatsanwaltschaft klagte sie wegen Untreue und Betrugs an. Für die Kammer kam Bestechung im geschäftlichen Verkehr in Betracht; weil dies der erste Versuch ist, darunter Schiedsrichterbestechung zu fassen, wird dieser Prozess als Präzedenzfall betrachtet. Eine Revision gilt jetzt schon als sicher.

Die Hoffnungen vieler Beobachter, die Machenschaften im europäischen Handball aufzuklären, platzten an den 18 Verhandlungstagen wie Seifenblasen. Richter Matthias Wardeck und seine Kollegen prallten an manchen Zeugen wie an einer Gummiwand ab, sie verzweifelten an einem Kartell des Schweigens. Zuweilen wurde es absurd. Etwa als das Gericht den Spanier Jesus Guerrero, einen hohen Funktionär der Europäischen Handball-Föderation (EHF), danach befragte, ob er denn vor Bekanntwerden des Skandals im Februar 2009 von Bestechungsversuchen im europäischen Handball gehört habe. Guerrero verneinte.

Wenn man andere EHF-Funktionäre bei der Europameisterschaft in Serbien damit konfrontiert, dann grinsen sie breit. Weil diese Gerüchte immer wieder auftauchen. Sie stellen ein großes Kapitel in der Geschichte des europäischen Handballs dar. Das Mauern Guerreros illustriert, dass heute keiner der Akteure mehr ein Interesse an einer aufrichtigen Aufklärung hat.

Zu eng ist die Szene vernetzt, zu oft sieht man sich im kleinen Orbit des Handballs wieder. Die Handballwelt habe kein Interesse daran, dass die fünfte große Strafkammer in ihr plötzlich das Licht anknipse, kommentierten die „Kieler Nachrichten“ diese Funkstille treffend: All dies erinnert stark an das Schweigegebot im Radsport. Auch da weiß jeder, dass gedopt wird – und gibt es öffentlich doch nicht preis.

Auch ein Teil der Gesellschafter und Sponsoren des THW Kiel war schon früh über die Vorwürfe informiert, ihr Klub habe die Champions League verschoben. Mirjana Serdarusic, die Ehefrau des Angeklagten, hatte darüber berichtet, in einer Art Rachefeldzug, nachdem ihr Mann nach einem Zerwürfnis mit Schwenker im Sommer 2008 beurlaubt worden war.

Immerhin klärte der Prozess auf, wie Gesellschafter und Sponsoren des THW auf diese konkreten Beschuldigungen reagierten: im Prinzip gar nicht. THW-Gesellschafter Hubertus Grote berichtete, man habe sich die Bilanz angeschaut, die sei in Ordnung gewesen. Sein Kollege Georg Wegner erzählte, man habe der Frau nicht geglaubt. Und der Kieler Unternehmer Gerhard Lütje, ein Freund Serdarusic', soll dazu geraten haben, der mutmaßliche Mittelsmann Nenad Volarevic möge doch eine Selbstanzeige erstatten, um die Vorwürfe zu untermauern.

Erst als der Skandal in der Öffentlichkeit war, reagierte die Klubführung. Sie warfen Schwenker im April 2009 raus, nachdem sie von den 92 000 Euro erfahren hatten, die 2007 an Volarevic geflossen waren – offenbar weil sie Schwenker nicht glaubten, diese hohe Summe sei unter anderem für die Vermittlung des Kreisläufer Igor Anic geflossen.

Auch waren die Gesellschafter, wie Wegner berichtete, durch die „abenteuerlichen Verbuchungen“ weiterer 60 000 Euro im Jahr 2008 geschockt. Diese Summe hatte der THW-Buchhalter auf Konten gepackt, in denen die Namen zweier Schiedsrichter-Duos aus Slowenien und der Ukraine auftauchten (die wichtige Spiele des THW Kiel gepfiffen hatten). Ob die Richter der Einlassung Schwenkers glaubt, das Geld sei in Wirklichkeit als Darlehen an Serdarusic geflossen, ist eine der vielen spannenden Fragen, die heute im Landgericht Kiel beantwortet werden.

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