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Sport: Der kalte Sport

Nirgendwo sind die Trainer kürzer im Amt als im Eishockey

Berlin. Bill Stewart hatte es mit allen Tricks versucht. Nachdem seine Mannheimer Adler einmal allzu lethargisch gespielt hatten, servierte der Eishockey-Trainer in der Drittelpause Kaffee und Kuchen. Ein anderes Mal rollte Stewart in der Drittelpause eine Schubkarre mit Arbeitshandschuhen in die Kabine. Sollte heißen: „Arbeiten, Jungs!“ Die Aufforderung ging unter. „Bei Stewarts erstem Auftritt waren wir noch betroffen“, sagt ein Mannheimer Spieler. „Später haben wir bei den Mätzchen gelacht, schließlich haben wir uns nicht mehr dafür interessiert.“ Die Kommunikation zwischen Team und Trainer war gestört: Nachdem Stewart erfahren hatte, dass sein Vertrag für die kommende Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) nicht verlängert werden sollte, ging er selbst und sofort.

Der Kanadier Stewart arbeitete knapp vier Jahre in Mannheim. Im Eishockey ist das eine Ewigkeit. In keiner Mannschaftssportart sind die Amtszeiten für Trainer kürzer. Jahrelange Engagements bei einem Klub, wie sie manche Fußball-Trainer haben, gibt es in der DEL nicht: Michael Komma ist momentan der dienstälteste Coach, seit Oktober 2001 ist er in Düsseldorf. Pierre Pagé ist der Trainer, der es am zweitlängsten bei einem Klub ausgehalten hat: Er ist gerade mal seit zwei Jahren bei den Berliner Eisbären. Ihm folgt Hans Zach, der im Frühjahr seine zweite Saison bei den Kölner Haien beenden wird. Heute Abend (19.30 Uhr, Sportforum) treffen die beiden im Spitzenspiel der DEL aufeinander.

In dieser Saison haben schon vier von 14 DEL-Klubs den Trainer gewechselt, Wechsel Nummer fünf bahnt sich in Krefeld an, wo Peter Inhacak den Posten von Harald Wassiljews übernehmen soll. Dass in der schnellsten Mannschaftssportart die Jobs als Trainer besonders schnelllebig sind, beschäftigt seit einiger Zeit die Sportwissenschaft. „Das Problem eines Eishockey-Trainers ist, dass er mit den Spielern viele Kommunikationsebenen in Extremsituationen finden muss“, sagt der Sportpsychologe Werner Mickler.

Anders als im Fußball ist der Trainer beim Eishockey Teil des Spiels. „Die Spieler holen in wenigen Sekunden auf dem Eis alles aus sich raus, kommen physisch und psychisch gestresst auf die Auswechselbank, und dort redet der Trainer mit ihnen. Da muss er die richtige Art der Ansprache finden. Sagt er immer das Gleiche, hört ihm irgendwann keiner mehr zu“, sagt Mickler. Bei dieser Nähe zwischen Trainer und Team könne leicht ein gespanntes Verhältnis entstehen, „deswegen verlangen viele Trainer vor einer Saison oft neue Spieler“, sagt Mickler – „oder ein Klub verpflichtet einen Feuerwehrmann als Trainer.“ So lief das zuletzt in Krefeld, als der während der Saison verpflichtete Butch Goring den Außenseiter mit lockeren Methoden zum Titelgewinn führte. Spieler und Trainer gingen kurz vor den Play-offs schon mal in den Biergarten. Doch wenige Monate später hatte sich das Spaßprogramm verbraucht: Im Dezember wurde Goring entlassen.

Ein weiteres Phänomen ist, dass im Eishockey Trainer nicht nur häufig gehen müssen, sondern oft selbst aufgeben: Nach Stewart hat das kürzlich Thomas Dolak in Freiburg getan. Dolak ist nun Manager im Klub. Hinter der Plexiglasscheibe lebt es sich komfortabler als auf der Bank: Ein typischer Werdegang in der Branche, den auch Eisbären-Manager Peter John Lee und sein Marketingchef Billy Flynn hinter sich haben. Flynn sagt: „Nie wieder Trainer, denn da kannst du nie länger als für ein paar Wochen planen.“

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