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Der neue Trainer des FC Bayern: Josep Guardiola: Einer wie keiner

Die größten Klubs wollten ihn verpflichten. Doch Josep Guardiola, Star unter den Startrainern, geht zu Bayern. Jetzt fragen alle, warum nur. Vielleicht, weil er ein Romantiker ist.

Dort, wo normalerweise Zahlen stehen, war die Rede von einer weißen Stelle. Josep Guardiola sollte sich sein Gehalt selbst aussuchen. Das war der Wunsch von Mansour Bin Zayed, dem Besitzer des Fußballklubs Manchester City, Scheich aus Abu Dhabi. Roman Abramowitsch von Chelsea erwies sich als nicht ganz so großzügig, sein Angebot war auf 22 Millionen Euro begrenzt. Pro Saison versteht sich.

Es war ein irrwitziges Wettrennen, das sich in den vergangenen Monaten im internationalen Fußball abspielte. Manchester City, FC Chelsea, AC Mailand, Inter Mailand, Paris St. Germain – sie alle warben um den Fußballtrainer Josep, genannt Pep, Guardiola.

Genutzt haben all die Bemühungen nichts, der 41-jährige Guardiola hat sich anders entschieden, er wird ab dem 1. Juli neuer Trainer des FC Bayern. Eine Sensation. Es ist die spektakulärste Verpflichtung in der Geschichte der Bundesliga. In allen europäischen Sportzeitungen war die Nachricht das Topthema. Die Reaktionen fielen gemischt aus: Jubel in Deutschland, Zustimmung in Spanien, Verständnislosigkeit in Frankreich, Italien und England. Dort hatten die großen Klubs bis zuletzt gehofft, Guardiola für sich zu gewinnen. Der entschied sich trotzdem für die Bundesliga und den FC Bayern. Warum nur?
Guardiola glaubt, dass er in München seine Vorstellung vom offensiven Fußball am ehesten umsetzen kann

„Weil er ein Romantiker ist. Er glaubt, dass er seine Vorstellung vom offensiven Fußball beim FC Bayern am ehesten umsetzen und in Ruhe arbeiten kann“, sagt der Journalist Ramon Besa. „Außerdem gibt es dort mit Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer Leute mit sehr viel Fachverstand.“ Was bei Guardiola heißt: Leute, mit denen er wunderbar über Fußball philosophieren kann. Kommunikation ist etwas, das auch die Bosse beim FC Bayern schätzen, spätestens seit dem unschönen Ende mit dem beratungsresistenten Sprechverweigerer Louis van Gaal.

Der war auch mal Trainer beim FC Barcelona, Besa kennt ihn noch gut. So wie er Josep Guardiola kennt, aus der Zeit, „als der noch Balljunge im Camp Nou war“, erzählt der Journalist. Also seit 1984. Damals wechselte Guardiola im Alter von 13 Jahren von Gimnastic Manresa, einem Verein nahe seiner Geburtsstadt Santpedor, ins Jugendinternat des FC Barcelona. Aus der Provinz zu Barça – der Traum vieler Jungs in Katalonien.

Besa steht Guardiola und vor allem dessen Vater näher, als man es als Journalist normalerweise könnte. Denn zur Presse pflegt Guardiola Distanz, Einzelinterviews gab er als Trainer des FC Barcelona nie. In München könnte das schnell Probleme schaffen. Exklusivität ist ihm verpönt, er möchte niemanden benachteiligen. Die Trainingseinheiten fanden meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Geheimniskrämerei ist im Fußball weit verbreitet, aber Guardiola will auch nicht, dass man ihn bei der Arbeit sieht. Der Privatmann unterscheidet sich nämlich stark vom Trainer. Aus dem höflichen, charmanten Mann mit der Glatze und den hohen Wangenknochen wird auf dem Feld einer, der laut ist, gestikuliert, animiert, motiviert und gern mal für einen derben Spruch zu haben ist. Einer, der seinen Spielern nah ist, weil er selbst mal einer von ihnen war. Distanz spielt da keine große Rolle. Anders als in seiner Freizeit, wo er mit Leidenschaft liest oder ins Kino geht, Regisseur David Trueba oder die israelische Sängerin Achinoam Nini zu seinen engsten Freunden zählt und sich gern in Intellektuellenkreisen bewegt.

Guardiola liebt England, aber die Situation gefällt ihm dort gerade nicht

Sein Privatleben ist ihm heilig, nach außen lässt er nichts dringen. Das hat ihm nicht nur Sympathien eingebracht. Barcelonas Klatschpresse hatte auf ein neues Glamourpaar gehofft, als er, gerade Anfang 20, Cristina Serra, die Tochter eines Modemachers heiratete.

Eigentlich wollten die Guardiolas immer nach England, das Paar liebt London. „Aber die derzeitige Situation in den Vereinen gefällt ihm nicht“, sagt Ramon Besa. „Dort haben Leute sehr viel Macht, die wenig Ahnung von Fußball besitzen.“

Besa nennt keine Namen, aber gemeint sein dürften Chelseas Boss Roman Abramowitsch und die Scheichs bei Manchester City, die so viel Geld für Guardiola geboten hatten. Der wird allerdings auch bei den Bayern nicht schlecht verdienen. Die spanische Zeitung „Sport“ will von 17 Millionen Euro wissen – das wäre deutscher Rekord.

Nie zuvor war ein Trainer so begehrt wie Josep Guardiola. Der Grund ist denkbar einfach: Weil er in seinen vier Jahren als Trainer des FC Barcelona alles gewann, was man im Klubfußball gewinnen kann. 14 von 19 möglichen Titeln holte er, darunter zwei Mal die Champions League und drei Mal die spanische Meisterschaft. Besonders eindrucksvoll war seine Debütsaison 2008/09. Meisterschaft, Pokal, Champions League, spanischer Supercup, europäischer Supercup, Weltpokal – Guardiola gewann in seinem ersten Jahr alle sechs möglichen Titel. Und das mit 37 Jahren.

Von da an konnte er nur noch verlieren. Und tat es doch nicht. Weil er seine Mannschaft eine Art Fußball spielen ließ, die die Welt verzückte. Offensiv, mit viel Ballbesitz und noch mehr Toren. Guardiolas Barcelona war Spektakel; wie Toreros einen Stier, so führten sie ihre Gegner vor. Toque. Toque. Toque. Pass auf Pass. Maschinenartig. Manchmal kamen die anderen minutenlang nicht an den Ball. Den Spielern des FC Bayern ist das auch mal passiert. Im April 2009 mussten sie nach Barcelona, Viertelfinale in der Champions League. Zur Pause führte Barcelona 4:0, es war gleichzeitig der Endstand. Nach dem Spiel schnaufte Karl-Heinz Rummenigge, als hätte er selbst mitgespielt: „Das war eine Riesenblamage.“ Noch im selben Monat entließen die Bayern ihren Trainer Jürgen Klinsmann.

Klinsmann war ein Experiment gewesen, so wie Guardiola jetzt auch ein Experiment ist. Trotz seiner Erfolge. Weil er außerhalb von Barcelona erst noch beweisen muss, dass seine Idee vom Fußball auch anderswo funktioniert. Und weil er gerade erst dabei ist, Deutsch zu lernen.

Im Nachwuchs war Guardiola bereits gescheitert, dann kam Cruyff

Beim FC Barcelona werden zukünftige Generationen von klein auf in Passstafetten und Ballsicherheit gedrillt, seit Johan Cruyff die niederländische Fußballschule mit in die katalanische Metropole brachte. Zuerst als Spieler, später als Trainer. Der Fußballer Josep Guardiola wäre ohne Johan Cruyff nicht denkbar gewesen. Bevor Guardiola die Position des defensiven Mittelfeldspielers in den 90er Jahren mit seiner Eleganz und Spielübersicht neu definierte, galt er im Nachwuchsteam bereits als gescheitert. Er war nicht schnell, hatte keinen guten Schuss und erzielte als offensiver Flügelspieler kaum Tore. Cruyff schaute einmal zu, nach 25 Minuten hatte er genug gesehen. Er ordnete an, diesen hageren Burschen mit den dünnen Beinen in die Mitte zu stellen.

Es war der Beginn einer großen Karriere. Kurz darauf holte ihn Cruyff zur ersten Mannschaft, mit 19 gab Guardiola sein Debüt. Und auf der Stadiontribüne strahlte Vater Valentí, ein Maurer, vor Stolz. Guardiola wurde die Seele des „Dream Teams“, so wurde Cruyffs Mannschaft genannt. Nachfolgende Generationen, Spieler wie Xavi Hernandez und Andres Iniesta orientierten sich an seiner Spielweise. Er gewann den Europapokal der Landesmeister und wurde mehrmals spanischer Meister. Unter der Woche, beim Training, fragte er seinen Lehrmeister Löcher in den Bauch. Guardiola wollte von Cruyff alles wissen. „Er war so lernbegierig, wie ich es noch nicht erlebt hatte“, erzählt José Maria Bakero, Guardiolas ehemaliger Mitspieler. „Obwohl noch so jung, versprühte er schon bald eine natürliche Autorität. Seine Begeisterung war echt, er saugte alles auf und wertete es aus. Im Grunde war er schon auf dem Spielfeld ein Trainer.“

Um schlafen zu können, nahm Guardiola Tabletten

Später, als die Ära Cruyff zu Ende ging und ein anderer Niederländer bei Barcelona das Sagen hatte, wurde Guardiola seine Wissbegierigkeit zum Verhängnis. Louis van Gaal verstand den Spieler mit den immer lichter werdenden dunklen Haaren nicht. Dessen Fragen, warum etwas so und nicht anders gemacht werden soll, irritierten ihn. Van Gaal hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, und wenn der etwas nicht mag, dann, sich rechtfertigen zu müssen. 2001 verließ Guardiola nach 17 Jahren Barcelona, ging nach Italien zu Brescia. Dort wurde ihm die Einnahme des Dopingmittels Nandrolon nachgewiesen, er erhielt eine Sperre von vier Monaten. 2005 wurde er deswegen sogar zu einer Haftstrafe verurteilt, ging aber in Revision und ist inzwischen von allen Vorwürfen freigesprochen.

Die ganze Nacht lang tranken sie Wein und sprachen über Fußball

Und dann beschloss er, Trainer zu werden. Die Nacht der Entscheidung endete in den frühen Morgenstunden. Mit seinem Freund David Trueba war er nach Argentinien gereist, um jemanden zu treffen, den sie dort unten am Rio de la Plata den Verrückten nennen, el loco, Marcelo Bielsa. Der zählt in Südamerika zu den angesehensten Lehrern der Fußballkunst, ein Meister der Motivation und Taktikfanatiker. El loco empfing die Gäste mit viel Rotwein und einem mächtigen Asado. Bei feinstem Rindfleisch wurde die ganze Nacht durch diskutiert – natürlich über Fußball. Guardiola liebt diese Unterhaltungen, so wie er gutes Essen liebt. Wenn es um seine Leibspeise geht, ist er ganz Katalane: Schnecken. Dazu ein Glas Wein und ein Gespräch über Fußball. Gern stundenlang, von Fachmann zu Fachmann. Dann reißt er seine tiefbraunen Augen weit auf, wirft beide Hände wild durch die Luft, gestikuliert und ahmt Bewegungen nach, so als würde er selbst auf dem Feld stehen. In Gedanken immer schon beim nächsten Spielzug. Fußball, davon ist er fest überzeugt, wird im Kopf entschieden. Nicht mit den Beinen. Bielsa erkannte das Talent seines Gegenübers, er sprach ihm zu und riet, es doch mal zu versuchen mit dem Trainerberuf. Am nächsten Tag reisten Guardiola und sein Freund weiter zu Cesar Luis Menotti, Argentiniens Weltmeistertrainer von 1978. Der Ablauf glich dem des Vortages, nur dass sich Guardiola da schon entschieden hatte. Er wollte Trainer werden.

Und er machte dort weiter, wo er als Spieler aufgehört hatte. Die Frage nach dem Warum ließ ihn nicht los. „Pep hat uns immer den Grund erklärt, warum wir die Dinge so angehen, wie wir sie angehen“, sagt Xavi Hernandez, Barcelonas Meister der Passstafetten. „Seine Maschine läuft Tag und Nacht. Er denkt 25 Stunden am Tag an Fußball.“

In Barcelona ist Guardiola davon am Ende krank geworden. Um schlafen zu können, nahm er Tabletten. Ausgebrannt fühle er sich, so sagte er bei seinem Abschied im Mai.

Samt seiner Frau und den drei Kindern machte er sich auf nach New York, um ein Jahr lang auszuspannen. In Amerika erhielt er manchmal Besuch. Alex Fergueson, der Trainer von Manchester United, war da und eben auch Vertreter des FC Bayern. Dort, nahe des Central Parks, nahm der Deal mit den Münchnern Formen an. Ob danach mit einem Glas Rotwein angestoßen wurde, ist nicht überliefert.

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