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Mit Disziplin und Dusel. Die Freiburger sind eine der großen Überraschungen dieser Saison.

© AFP

Der SC Freiburg im Taktik-Check: Worauf Hertha BSC am Samstag achten muss

Hertha BSC trifft am Samstag auf den SC Freiburg. Warum die Berliner sich auf einen unbequemen Gegner einstellen müssen.

Wenn es so etwas wie einen Großen unter den Kleinen der Fußball-Bundesliga gibt, dann ist das der SC Freiburg. Der Klub hat sich gerade unter Cheftrainer Christian Streich zu einem echten Herausforderer für die Wolfsburgs und Schalkes entwickelt. Regelmäßig ist Freiburg imstande, die um einiges wohlhabenderen Top-Klubs zu ärgern. In dieser Saison hat sich der Sport-Club in der Spitzengruppe der Liga festgesetzt. Nach 14 Spieltagen stehen die Freiburger sogar vor Bayern München und in Schlagdistanz zu Tabellenführer Borussia Mönchengladbach.

Nun könnte an dieser Stelle die Geschichte einer Mannschaft folgen, die ihr eigenes Spielsystem perfektioniert hat und mit Köpfchen die qualitativen Schwächen des Kaders kaschiert. Immerhin war genau das Trainer Streich in der Vergangenheit gelungen. Freiburg begeisterte nicht nur die eigenen Fans mit ansehnlichem Offensivfußball und einem Schuss Unbekümmertheit. Dem ist allerdings momentan nicht so. Der Pragmatismus hat Einzug gehalten im Breisgau.

Streich sprach die Taktik mit der Mannschaft ab

Der Sport-Club legt viel Wert auf eine stabile Verteidigung, die selten das Risiko eingeht, die Räume am eigenen Strafraum freizulassen. In der 3-4-1-2- oder 3-4-2-1-Formation, die Streich zuletzt spielen ließ, ziehen sich die Flügelspieler sehr weit zurück. Aus einer nominellen Dreier- wird schnell eine Fünferkette. Damit gewähren die Freiburger dem Gegner vielleicht Ballbesitz in dessen Spielhälfte, aber offene Wege zum Freiburger Tor gibt es ganz selten. Genau diese Spielweise macht sie so unangenehm für alle Bundesligisten. Selbst wenn sie an die Wand gespielt werden, lassen sie ganz wenig wirklich gefährliche Schüsse zu.

Interessanterweise beruht diese Spielweise nicht nur auf den Überlegungen von Streich; die gesamte Mannschaft scheint hinter der Philosophie zu stehen. Als Freiburg vor wenigen Wochen beim Auswärtsspiel gegen Bayer Leverkusen nahezu eine Halbzeit lang in der eigenen Spielhälfte eingeschnürt wurde, ließ Streich in der Kabine über das weitere taktische Vorgehen abstimmen. „Es geht ja darum, was siehst du von außen und wie fühlt es sich innen an“, erklärte Streich der „Bild“-Zeitung. Ganz davon abgesehen, dass solch ein Vorgehen im deutschen Profifußball wahrscheinlich nur in Freiburg vorstellbar ist, war der weitere Verlauf der Partie sehr erkenntnisreich. Die Freiburger kamen mit einer defensiven Einstellung aus der Kabine und brachten das knappe 1:1 über die Zeit.

Die Freiburger haben auch viel Glück gehabt

Obwohl sich die Mannschaft auf die Defensive konzentriert, ist sie in der Lage, regelmäßige Nadelstiche im Umschalt- und Konterspiel zu setzen. Das macht sie erst recht gefährlich. Gerade die beiden Außenspieler Christian Günter und Jonathan Schmid können nach Ballgewinnen postwendend das Spiel in die entgegengesetzte Richtung vorantreiben und Verteidiger überlaufen. Zudem schaltet sich bei solchen Konterangriffen der sehr variable Offensivspieler Lucas Höler ein, der im Schatten von Mittelstürmer Nils Petersen viele Freiheiten genießt. Gerade Hertha BSC, das am Samstag im Olympiastadion auf Freiburg trifft (15.30 Uhr), könnte in den einen oder anderen Konter laufen. Die Mannschaft ist nicht ballsicher genug und fällt eventuell dem Mittelfeldpressing Freiburgs zum Opfer.

Allerdings spielt der Sport-Club nicht immer überzeugend und hat bei genauer Betrachtung mit einer gehörigen Portion Glück den aktuellen Punktestand von 25 erreicht. Laut dem Berechnungsmodell der „erwartbaren Tore“ (englisch: „Expected Goals“), das die Wahrscheinlichkeit von Torerfolgen anhand der Schusspositionen und anderen Faktoren errechnet und mittlerweile im Profifußball bei allen Vereinen und Analysten anerkannt ist, war Freiburg bisher nur in zwei von 14 Spielen dieser Saison die bessere Mannschaft. Dem Modell zufolge dürften die Breisgauer eigentlich nur 14 Punkte haben und im Abstiegskampf stecken.

Die Berechnungen deuten darauf hin, dass Freiburg einige Spiele für sich entschieden hat, in denen der Gegner hochkarätige Chancen liegen ließ und selbst aus wenig sehr viel machte. Normalerweise reißt solch eine Glückssträhne irgendwann während einer Spielzeit. Vielleicht bereits am Samstag im Olympiastadion.

Constantin Eckner

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