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Simone Laudehr und Dzsenifer Marozsan (r.) schossen Deutschland mit ihren Toren gegen Italien im Viertelfinale und Schweden im Halbfinale ins Endspiel.

© dpa

Deutsche Fußballerinnen: Erleichtert, erlöst und befreit ins EM-Finale

Die deutschen Fußballerinnen präsentieren sich bei der EM als Turniermannschaft. Nach schwachen Leistungen in der Vorrunde und einem mühsamen Viertelfinalsieg gegen Italien beginnen die Spielerinnen nun endlich, miteinander zu harmonieren.

Nach dem Mittagessen fuhr der Teambus zum Göteborger Bahnhof, um von dort im schwedischen ICE in 3:15 Stunden in die Hauptstadt Stockholm zu rasen. Sehr fröhlich war die Reisegruppe, tiefe Zufriedenheit strahlte jedes Mitglied aus. „Wir sind einfach super glücklich. Das ist unglaublich. Wir sind wirklich im Finale“, freute sich Dzsenifer Marozsan, die 21 Jahre alte offensive Mittelfeldspielerin. „Jenny“, die beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine Lehre zur Bürokauffrau machte, leistete am Donnerstagabend ihren größten sportlichen Dienst für den Verband. Dank ihres Tores im Halbfinale zum 1:0 (1:0) gegen Schweden nahm die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft endlich Fahrt auf. Da war es auch ein gewisser Genuss, nach vielen Busfahrten mit Tempo 80 im Hochgeschwindigkeitszug mit über 200 km/h durch das Land zu jagen – zum Finale nach Solna.

Nach einer holprigen Vorrunde und einem schwer erkämpften, spielerisch aber kaum überzeugenden Erfolg im Viertelfinale gegen Italien (1:0) fühlte sich der Sieg in Göteborg gegen den Gastgeber wie ein großer Triumph an. Der siebenmalige Europameister konnte erstmals bei der EM an frühere Weltklasseleistungen anknüpfen. „Die jungen Spielerinnen, die alle ins kalte Wasser geworfen wurden nach den vielen Ausfällen, machen das ganz fantastisch. Das ist eine ganz tolle Mannschaft“, lobte Annike Krahn die Mitspielerinnen, die teilweise noch bei den Juniorinnen spielen könnten oder gerade erst der Nachwuchs-Klasse entwachsen sind. Der Erfolg von Göteborg war vor allem auch ein Sieg „der neuen Generation“.

Während der EM war daran gezweifelt worden, ob die jungen Spielerinnen überhaupt genügend Wettkampfhärte aufweisen würden. Das hat sich mit dem Einzug ins Finale geändert. Tatsächlich wurde der Sieg gegen die bis dahin so stark auftrumpfenden Schwedinnen so intensiv gefeiert, als wäre der Pokal schon gewonnen. Erleichterung, Befreiung, Erlösung sieht so aus, wie sich die Frauen und Mädchen danach präsentierten. „Die Mannschaft hat saugeil gespielt“, freute sich Spielführerin Nadine Angerer, die mit erst einem Gegentreffer in fünf Spielen gemeinsam mit den anderen Weltmeisterinnen von 2007 das Gerüst der Mannschaft bildet.

Endlich harmonierte die Mischung aus den erfahrenen Spielerinnen wie Krahn, der zur besten Spielerin der Partie gewählten Saskia Bartusiak, Anja Mittag und Simone Laudehr mit den EM-Neulingen Lena Goeßling, Nadine Keßler, Jennifer Cramer, Leonie Maier, Lena Lotzen und Marozsan. Dass in Celia Okoyino da Mbabi die Mittelstürmerin wegen einer Oberschenkelzerrung passen musste, fiel während der 90 Minuten gar nicht auf. Dabei war es der siebte Ausfall einer Stammspielerin in den vergangenen Wochen.

Viele der Schwedinnen verließen das Spielfeld weinend. Lotta Schelin, die die EM mit fünf Toren als bisher beste Torschützin beendete, war total enttäuscht. „Das ist echt krank“, klagte sie. „Der Ball war doch drin. Ich verstehe nicht, wieso das Tor nicht gegeben wurde“, sagte die 29-Jährige. In der 62. Minute bejubelten sie, 15.000 gelb-blaue Fans im Stadion und die halbe vor den Fernsehschirmen sitzende Nation das vermeintliche 1:1. Doch Esther Staubli erwies sich als komplett unbeeindruckte Schweizer Justizbehörde. Die Schiedsrichterin gab den Treffer nicht, weil Krahn nach dem Zweikampf mit Schelin zu Boden gegangen war. Zudem stand die Schwedin, als sie angespielt wurde, knapp im Abseits.

„Die deutsche Mannschaft besitzt einfach eine ausgezeichnete Qualität. In der Offensive ist sie Weltklasse. Es hat nur etwas gedauert, bis sie mit einigen neuen Spielerinnen in das Turnier hereingefunden hat“, sagte Pia Sundhage, die Erfolgstrainerin, die in London vor einem Jahr noch die US-Frauen zum zweiten Mal zu Olympia-Gold geführt hatte. Mit Schweden schaffte sie es nicht, die lange Serie von Niederlagen gegen Deutschland bei großen Turnieren zu beenden. Selbst die ganz jungen deutschen Frauen waren wieder einmal zu stark.

Gregor Derichs

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