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Auf nach Berlin! Die Eintracht-Spieler nach dem Sieg im Pokal-Halbfinale über Mönchengladbach.

© Fassbender/dpa

DFB-Pokalfinale in Berlin: Fredi Bobic: "Frankfurt würde auseinanderbrechen"

Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic über das Pokalfinale gegen Borussia Dortmund, Transferüberschüsse und das Eintracht-Jackett.

Herr Bobic, wie wichtig waren die letzten zehn Minuten der Bundesligasaison für Eintracht Frankfurt?

Die waren schon wichtig für eine grundsätzlich gute Spielzeit. Unsere Hinrunde war gut, die Rückrunde nicht so - aber nach 34 Spielen kann man immer etwas finden. Im Hinblick auf das Pokalfinale waren die letzten zehn Minuten auf jeden Fall ein absoluter Muntermacher.

Ihre Mannschaft hat aus einem 0:2 gegen Leipzig noch ein 2:2 gemacht.

Man hat im Stadion direkt gespürt, dass das allen noch einmal einen Schub für Berlin gegeben hat. Es ist immer gut, wenn man mit einem Erfolgserlebnis aus einer Saison rausgeht. Gerade für uns, die wir eine spannende Woche erleben.

Trotzdem: Die Eintracht hat seit dem Pokal-Halbfinale gegen Gladbach kein Spiel mehr gewonnen. Ist es normal für eine Mannschaft, die vor einem Jahr noch in der Relegation stand? Oder bereitet es Ihnen Sorgen mit Blick auf das Pokalfinale?

Sorgen hat mir eher bereitet, dass bei uns immer mehr Spieler ausgefallen sind. Das Halbfinale hat uns sehr viel Freude bereitet, aber auch sehr viele Schmerzen. Und das gilt auch für unsere Saison. Als ich hier gestartet bin, habe ich nichts anderes erwartet. Es gibt nicht immer nur Sonnenschein, sondern auch mal Regen. Insofern sind wir froh über das Highlight, das uns noch bevorsteht.

Kann es sein, dass sich das Team zu sehr auf diesen Höhepunkt konzentriert und die Liga nicht ernst genug genommen hat?

Nein, das lasse ich nicht gelten. Wir haben gleich nach dem Halbfinale in Hoffenheim gespielt, wo wir gar nichts zugelassen haben, sogar die Chance zum 1:0 hatten und erst durch ein Tor in der Nachspielzeit verlieren. Es ist nicht so, dass wir die Spiele abgeschenkt haben. Wir hatten ein paar Ergebnisprobleme, aber es war nicht so, dass die Mannschaft sich hat abschlachten lassen.

Sie sind seit einem Jahr Sportvorstand bei der Eintracht und spielen gleich um einen Titel: Wer hätte das gedacht?

Ja, ich gebe zu: Das hatten wir nun überhaupt nicht im Plan. Es ist echt toll, dass wir einen Titel gewinnen können. Und: Es ist sogar möglich! Im letzten Sommer war nicht einmal im Ansatz daran zu denken. Wenn man überlegt, was wir vorgefunden haben. Was wir verändern mussten. Welche wirtschaftlichen Möglichkeiten wir hatten - eigentlich gar keine. Dass wir im Finale stehen, zeigt uns, dass wir vieles richtig gemacht haben. Trotzdem werden wir nicht selbstzufrieden werden. Das ist das Wichtige, weil wir uns gegenseitig antreiben wollen und müssen, es noch besser zu machen. Die Entwicklung hat gerade erst begonnen.

Wäre es taktisch eine Option für das Finale, Borussia Dortmund irgendwie ins Elfmeterschießen zu zwingen?

Gute Idee! Wir würden uns freuen.

Die Eintracht hat auf dem Weg ins Finale drei Elfmeterschießen gewonnen.

Genau. Wobei die Dortmunder ja ganz Berlin im Elfmeterschießen aus dem Pokal geschossen haben. Erst Union, dann Hertha. Das war mir gar nicht mehr bewusst. Also: So schlecht sind die auch nicht vom Punkt.

Was hat Sie in dieser Spielzeit positiv überrascht, was negativ?

Positiv war, dass wir es in nur sieben Wochen Vorbereitungszeit geschafft haben, diese – gefühlt – zusammengewürfelte Mannschaft mit Spielern aus vielen Nationen zu einer Einheit zu formen. Da haben alle einen richtig guten Job gemacht. Negativ ist für mich nur, dass wir es verpatzt haben, uns in entscheidenden Phasen selbst zu belohnen. Diese Konsequenz hat uns in der Vorrunde ausgemacht. In der Rückrunde haben wir sie gewaltig verloren, obwohl wir besser gespielt und einige Gegner sogar dominiert haben.

Die Eintracht war zwischenzeitlich auf Rang drei ...

... ja, sogar zwei Wochen lang. Da sind sie hier natürlich alle ausgetickt (lacht).

Bis auf Sie vermutlich.

Genau. Wer mich gesehen hat, hat sich wahrscheinlich gefragt: Was ist denn mit dem los? Aber dann kamen diese Spiele, die wir nicht gewonnen haben, obwohl wir tollen Fußball gespielt haben. Als ob ich's herbeigeschrien hätte. Wenn dann noch Verletzungen hinzukommen, kann sich alles ganz schnell in die andere Richtung drehen. Da hast du schon gemerkt: Oh, der Trend is not our friend. Es ist nicht einfach, das auszuhalten.

Warum ist ein Pokalsieg für Eintracht Frankfurt wichtig?

Was heißt wichtig? Er wäre sehr wichtig. Sie können davon ausgehen, dass die Stadt Frankfurt am Sonntag auseinanderbrechen würde. Da müssten die Brücken einige Last aushalten. Der Pokalsieg wäre für den Verein, seine Fans, für die ganze Region eine Riesengeschichte, weil er uns noch mal einen Schub an Selbstvertrauen geben und eine größere Aufbruchstimmung auslösen würde. Gerade weil dieser Titel zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten war. Euphorie ist immer gut - auch wenn man intern nüchtern damit umgehen müsste.

Sie standen 2013 mit dem VfB Stuttgart im Pokalfinale, drei Jahre später stieg der VfB – bereits ohne Sie als Sportdirektor – ab. Kann ein Finale auch eine Gefahr sein?

Weiß ich nicht, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, weil auch die Situation bei der Eintracht mit der in Stuttgart nicht vergleichbar ist.

Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic hofft auf seinen ersten Titel mit den Hessen.
Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic hofft auf seinen ersten Titel mit den Hessen.

© picture-alliance/ dpa

Zumindest haben Sie auch beim VfB vier Jahre lang die Erfahrung machen dürfen, mit wenig Geld auskommen zu müssen.

Das Budget der Eintracht ist noch mal deutlich geringer. Wir müssen uns erst einmal dahin entwickeln, wo der VfB schon war. Das wird nicht einfach, intern habe ich das oft genug gesagt. Dass man mit dem auskommen muss, was man hat, muss man lernen. Und man muss es akzeptieren. Aber hier sind alle bemüht, Wachstum zu generieren in allen Bereichen. Wir haben schon ein paar Dinge realisiert, die für die Liga eigentlich normal sind. Das ist auch notwendig. Stuttgart und Hannover kommen in die Bundesliga zurück, zwei Vereine, die wirtschaftlich richtig stark sind. Der Verdrängungswettbewerb wird noch härter.

Sie haben im vorigen Sommer einen Transferüberschuss von sieben Millionen Euro erwirtschaftet, insgesamt nur 2,5 Millionen Euro für sämtliche Neuzugänge ausgegeben. Jetzt haben Sie den Franzosen Sebastien Haller für angeblich sechs Millionen Euro geholt. Ist das der Geldsegen aus dem neuen TV-Vertrag?

Der TV-Vertrag gibt uns eine gewisse Sicherheit, weil wir hier noch strukturelle Defizite haben. Aber er eröffnet uns keine unbegrenzten Spielräume. Das soll kein Gejammer sein, aber wir sind der Verein mit den höchsten Nebenkosten, zum Beispiel durch die Stadionmiete. Wir müssen sehr viel Geld abgeben. Deshalb müssen wir klug wirtschaften und gleichfalls frische Geldquellen generieren, damit wir handlungsfähig sind und schneller am Markt reagieren können. Nur so können wir Talente wie Haller für uns rausfischen. Und das wird in den nächsten Wochen hoffentlich so weitergehen.

Aber macht es nicht auch Spaß, mit geringen Mitteln, etwas auf die Beine zu stellen?

Es ist auf jeden Fall anstrengender, aufwendiger. Du musst noch mehr Kilometer machen. Trotzdem ist es spannend. Ich mag solche Projekte, sonst hätte ich das hier auch nicht gemacht. Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Natürlich kannst du flexibler arbeiten, wenn du Geld hast. Aber auch der Weg dahin ist toll – selbst wenn er lang und schwierig ist, weil es auch immer wieder mal zu Enttäuschungen kommen kann. In solchen Situationen müssen alle Führungsgremien zusammenhalten. Wenn sie das nicht tun, passiert das, was bei meinem vorherigen Verein passiert ist.

Und man bekommt viel Anerkennung, wenn man aus wenig viel macht ...

Das stimmt, und damit kannst du Menschen im Sport noch begeistern. Ich konnte einige gute Leute für die Eintracht gewinnen. Bei den Jungs aus dem Funktionsteam hast du gemerkt, dass sie mal aus dem Gewohnten ausbrechen wollten, um bei diesem Projekt mitzumachen, selbst wenn sie aus der Champions-League-Welt kommen.

Welche Rolle spielt Ihr Trainer Niko Kovac für den Erfolg?

Wir denken ähnlich, er als Trainer, ich als Manager. Wir können sehr offen miteinander reden, sind nie eitel, das ist das Gute. Wie auf dem Platz früher bei Hertha, wo wir uns auch mal die Meinung gesagt haben. Aber das ist nie persönlich, uns geht es immer um die Sache.

Sie sind 2003 gemeinsam zu Hertha gekommen, haben dort nicht nur leichte Zeiten erlebt. Verbindet Sie diese Erfahrung?

Wir haben uns, unter Huub Stevens, gleich ein Zimmer geteilt. Da hatten wir schon mal 14 Tage, in den denen wir uns kennengelernt haben. Unser Verhältnis war von Respekt geprägt, wir waren einfach ehrlich miteinander. Es war aber nicht so, dass wir jeden Abend gemeinsam unterwegs waren.

Fürchten Sie, dass sich Kovac bei der Eintracht schon für größere Klubs interessant gemacht hat?

Das ist doch normal heutzutage. Inzwischen gibt es ja nicht mehr nur einen Transfermarkt für Spieler, sondern auch für Trainer. Ich weiß, dass unser Trainer sehr ambitioniert ist, aber Niko weiß auch, was er hier hat. Er schätzt, dass er von der Eintracht die Chance bekommen hat und er hier noch etwas entwickeln kann. Ich bin mir sicher, dass er keiner ist, der beim erstbesten Angebot um seine Freigabe ersucht.

Da müsste schon ein Kracher kommen.

Ja, natürlich, aber so viele Kracher gibt es dann auch nicht. Man muss ja nur ein bisschen hinter die Kulissen schauen.

Wenn die Eintracht eine Baustelle wäre, wie weit wäre Ihr Haus dann jetzt?

Ein gesundes Fundament haben wir schon mal. Jetzt versuchen wir, den Keller richtig fest zu bauen und uns nach oben zu hangeln. Da muss man schon aufpassen. Es ist immer von den Kölnern die Rede oder den Gladbachern. Aber die haben schon eine längere Entwicklung hinter sich. Das ist auch bei Hertha so, wo jetzt eine gewisse Stabilität zu erkennen ist. Du brauchst zwei, drei, vier oder fünf Jahre, um auf ein Level zu kommen, dass du sagen kannst: Jetzt bist du wirklich stabil und etabliert. Jetzt kannst du auch mal wieder nach Europa schielen oder auch ein schlechteres Jahr überstehen.

Das hört sich nach einem langfristigen Projekt an. Wie weit geht Ihr Plan mit der Eintracht?

Ich könnte auch kurzfristig denken, denn der Fußball ist sehr schnelllebig geworden. Aber ich versuche mich davon freizumachen. Ich sage: Guck nicht in die Zukunft, sondern arbeite in die Zukunft. Nimm das auf, was du hast, und schau, wie du es nach vorn entwickeln kannst. Aber das alles erfordert Geduld.

Ist Frankfurt in dieser Hinsicht ein dankbares Umfeld? Oder ist es schwierig, weil die Eintracht ein Traditionsverein mit großen Erfolgen in der Vergangenheit ist?

Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Ja, wir sind ein Traditionsverein. Wenn wir mal auf Platz drei stehen, denken alle: Ach, eigentlich könnten wir in der Champions League spielen – das haben wir doch früher auch geschafft. Aber so einfach ist es eben nicht mehr. Natürlich ist es schön, wenn ein Klub eine Vergangenheit hat, wenn man von großen Erfolgen und großen Spielern erzählen kann. Aber die Realität und die Gegenwart sehen eben anders aus. Bewahre deine Tradition und arbeite dich nach vorn – das ist unser Motto. Nach der Rückrunde hat man uns schon suggerieren wollen, hier herrsche Krisenstimmung. Stimmt überhaupt nicht.

Apropos Tradition. Hängt das Eintracht- Jackett von Heribert Bruchhagen eigentlich noch in Ihrem Büro?

Das hängt da noch.

Sie haben es nicht mitgenommen nach Berlin?

Nö, das bleibt in meinem Büro. Sieht gut aus. Fast wie ein Museumsstück (lacht).

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Michael Rosentritt.

Fredi Bobic, 45, ist seit Juni 2016 Sportvorstand bei Eintracht Frankfurt. Davor war der Europameister von 1996 und frühere Herthaner in dieser Funktion beim VfB Stuttgart tätig.

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