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Die Füchse setzen zukünftig auf Nachhaltigkeit.

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Erster Handballverein der Welt: Die Füchse Berlin werden klimaneutral

Die Füchse wollen ihren ökologischen Fußabdruck näher an die Netto-Null bringen. Doch es gibt noch offene Fragen, auch bei der Halle.

Sport und Nachhaltigkeit – bisher wurden diese zwei Bereiche nur selten zusammengebracht. Energiespardebatten wurden jüngst weniger im Sinne des Klimawandels geführt als hinsichtlich drohender Engpässe. Mehr und mehr entdeckt jedoch auch der Sport seine gesellschaftliche Relevanz in Bezug auf dieses wichtige Thema, gibt es vermehrt Klubs, die einzelne Aktionen starten, hat die DFL vor wenigen Wochen Richtlinien herausgegeben, um die Fußballvereine in Deutschland zu mehr Nachhaltigkeit anzuhalten.

Die Füchse Berlin sind hier unterdessen schon einen Schritt voraus und wurden mit Start der Saison 2022/23 als klimaneutral zertifiziert. Das kann bisher kein anderer Handballverein der Welt von sich behaupten.

Die Idee dazu entstand vor etwas über einem Jahr, als Christopher Jahns, Geschäftsführer der nachhaltigen Bildungsplattform XU, bei Füchse-Chef Bob Hanning anklopfte, mit ihm über klimaneutrale Konzepte sprach und schnell auf offenere Ohren stieß. Von da an geriert das Projekt ins Rollen, der CO2-Ausstoß des Profiklubs – mitsamt seines Kooperationspartners VfL Potsdam und den daran angeschlossenen A- und B-Jugendmannschaften – wurde ein Jahr lang gemessen und die ermittelten rund 650 Tonnen durch Investitionen in ein zertifiziertes Klimaschutzprojekt kompensiert.

Doch das soll nur der Anfang sein. In Anlehnung an die 17 von den Vereinten Nationen ausgegebenen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung wollen die Füchse umstrukturieren, um ihren ökologischen Fußabdruck bis zum Ende des Jahrzehnts näher an die Netto-Null zu bringen. „Nachhaltigkeit war für uns bis jetzt ein rein sportliches Thema, das wir fortan auf andere Bereiche ausweiten.

Alles fügt sich in einem weltweit einzigartigen, nachhaltigen Handballklub zusammen“, sagt Hanning zu den Ambitionen, während Vorstand Sport Stefan Kretzschmar seinen Ansatz erklärt: „Ich will, dass auch meine Kinder auf diesem Planeten leben können.“

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Große Sätze, die mehr sein sollen als nur ein Lippenbekenntnis. Dafür wurde vom neueingesetzten, ehrenamtlichen Vorstand Nachhaltigkeit Jahns ein Themenpapier erarbeitet, das auf drei Säulen beruht: Sozialem, Wirtschaftlichem und Ökologischem. Im sozialen Bereich – das ist kein Geheimnis – sind die Füchse seit Längerem durch ihre Sportförderung sehr gut aufgestellt.

Müllabfuhr und Benimmkurse

Es gehört zur Vereinsphilosophie, dass junge Spieler gefördert werden und dass ihnen bei ihrer Erziehung nicht nur der Handball ans Herz gelegt wird, sondern ebenso Prinzipien wie Bodenständigkeit, gegenseitiger Respekt und Weltoffenheit zum Trainingsplan gehören. Einsätze bei der örtlichen Müllabfuhr und Benimmkurse sind dafür nur zwei Beispiele des großangelegten Konzepts, das jetzt weiter ausgebaut werden soll.

In puncto soziale Nachhaltigkeit wollen die Berliner zusammen mit ihrem Kooperationspartner Potsdam künftig noch mehr für den Nachwuchs tun, wie gehabt weiter mit Schulen und Vereinen zusammenarbeiten und neue Initiativen starten. Außerdem ist es geplant, ein Diversity-Programm ins Leben zu rufen und die Zusammenarbeit mit den Spreefüxxen zu stärken.

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Wirtschaftlich ist der Klub durch die gesunde Finanzhandhabung ebenfalls gut aufgestellt. Doch auch hier gibt es weitere Pläne. So hoffen die Füchse beispielsweise darauf, ihre Sponsoren von ihrer Nachhaltigkeitsstrategie überzeugen beziehungsweise künftig danach auswählen zu können.

Ganz unproblematisch ist dies allerdings nicht. Die Pandemie hat den Vereinen und Firmen viel abverlangt, Geldgeber sind nicht immer leicht zu finden. Trotzdem: Das Chauffeurunternehmen, das jüngst in den Unterstützerkreis aufgenommen wurde, hat hinsichtlich der ausgeschriebenen Ziele einen leichten Beigeschmack.

Die größte Baustelle dürfte jedoch die ökologische Komponente sein. Um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, soll vermehrt Ökostrom genutzt, die An- und Abreise der Spieler zu den Trainingszentren optimiert und der Fuhrpark auf Elektrobetrieb umgestellt werden. Bei Reisen soll vermehrt auf die Bahn gesetzt, insgesamt der alltägliche Warmwasserverbrauch gesenkt und auch die verwendeten und verzehrten Produkte klimafreundlicher werden.

„Da gibt es Sachen die schnell gehen, andere brauchen hingegen ihre Zeit“, sagt Jahns. „Aber was mich positiv stimmt, ist, dass die Spieler und Sponsoren alle gefragt haben, wo sie persönlich ansetzen können und ihre Unterstützung signalisiert haben.“ Kürzere Duschzeiten, wie sie in der Gesellschaft gerade so hartnäckig diskutiert werden, wurden zur Lappalie. Oft ginge es eher darum, die Dinge anzusprechen und das Bewusstsein zu schärfen, betont Jahns.

Defizite bei der „Grünen Hauptstadtarena“

Ganz in der eigenen Hand haben die Füchse das alles allerdings nicht. Die angestrebten Veränderungen im Trainingszentrum müssen mit dem städtischen Eigentümer abgestimmt werden, auch die Zusammenarbeit mit der BVG, durch die eine Anreise zu den Heimspielen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit einem Kombiticket ermöglicht werden soll, ist ein kleines Politikum.

Selbst in der nachhaltig zertifizierten Max-Schmeling-Halle, die gerne als „Grüne Hauptstadtarena“ bezeichnet wird, ist nicht alles Gold was glänzt.
Selbst in der nachhaltig zertifizierten Max-Schmeling-Halle, die gerne als „Grüne Hauptstadtarena“ bezeichnet wird, ist nicht alles Gold was glänzt.

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Und selbst in der nachhaltig zertifizierten Max-Schmeling-Halle, die mit ihrer klimafreundlichen Energie- und Wasserversorgung, den auf dem Dach grasenden Schafen und anderen Maßnahmen gerne als „Grüne Hauptstadtarena“ bezeichnet wird, ist nicht alles Gold was glänzt. So wird bei der Hallenbewirtung zwar vermehrt auf den Verzicht von Plastik gesetzt, die Nestlé-Stände werden dadurch aber sicher keine Kritiker überzeugen. Ebenso angreifbar ist aktuell noch die Zusammensetzung des Essens, sowie die Vielfalt des Angebotes in Bezug auf Veganes.

Alles in allem betrachtet, sind es ambitionierte Ziele, die sich die Füchse gesetzt haben. Doch wird durchweg der Eindruck erweckt, dass es sich dabei nicht um eine öffentlichkeitswirksame Marketingaktion handelt, sondern um eine Herzensangelegenheit. Dass dabei noch nicht alles perfekt ist, kommt mit der Komplexität des Vorhabens.

Dass manch einer die Wahl des Privatautos oder die Häufigkeit der Flugreisen in Zukunft zumindest hinterfragen sollte, ebenso. „Ich merke schon, dass da bei vielen ein Umdenken eingesetzt hat“, sagt Jahns, der weiß, dass der Klub nicht in kurzer Zeit komplett umstrukturiert werden kann und dass es zunächst auch negative Urteile geben wird. Positiv stimmt allerdings die schon jetzt vorhandene Resonanz.

„Das Interesse, das wir in anderen Vereinen und Ligen angestoßen haben, ist super“, sagt Jahns. „Beim Thema Klima gibt es schließlich keine Konkurrenz, da gibt es nur Zusammenhalten.“ Die ersten Schritte sind gemacht – und da passen dann Sport und Nachhaltigkeit auf einmal doch zusammen.

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