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Vor knapp zehn Jahren trafen sie in der Premier League aufeinander: Hier schießt Ronaldo gerade das 3:0 für Manchester United gegen Kiraly und Aston Villa.

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Die großen Duelle der EM: Kiraly gegen Ronaldo - Boateng gegen Lewandowski

Einst Sandkastenfreunde, jetzt Kontrahenten, eitel gegen uneitel oder Bruder gegen Bruder: Das sind die kuriosesten Zweikämpfe der EM in Frankreich.

KIRALY GEGEN RONALDO

Cristiano Ronaldo hat vor der EM wieder für Schlagzeilen gesorgt. Nein, nicht durch den Champions-League-Sieg mit Real Madrid, sondern im Yacht-Urlaub danach. Klatsch-Magazine europaweit ergötzten sich an Paparazzi-Bildern des sonnenbadenden Waschbrettbauchs. Man stelle sich einmal vor, Ronaldo hätte sich nicht in einer engen Badehose an Deck gerekelt, sondern in einer verwaschenen, betongrauen Baumwollturnhose. Das Kleidungsstück, das viele Frauen abstößt, hat Gabor Kiraly zum Helden vieler Männer gemacht. „Ich möchte als Tormann nicht wie ein Topmodel aussehen“, hat der Ungar einmal gesagt. Und ist doch durch seine graue Turnhose zur Kultfigur geworden.

Die beiden optisch gegensätzlichsten Spieler des Turniers treffen am 22. Juni im letzten Gruppenspiel in Lyon aufeinander, wenn Ronaldos Portugiesen gegen Kiralys Ungarn spielen. Beide verbindet, dass sie praktisch die einzigen Stars ihrer Teams sind. Doch während Ronaldo für Manchester und Madrid kickte, ist Kiraly nach Stationen in Berlin, England und München wieder bei seinem Heimatverein namens Haladás Szombathely aktiv. Und noch Nationalspieler. Mit 40 Jahren wird er Lothar Matthäus als ältesten Spieler der EM-Geschichte ablösen. Ronaldo winkt höchstens der Titel des eitelsten Spielers der EM-Geschichte. (dob)

XHAKA GEGEN XHAKA

Granit Xhaka hat schon eine Idee, wie das erste Bruderduell in der Geschichte der Fußball-Europameisterschaften ablaufen könnte. „Am besten wäre, wenn wir beide in der zweiten Minute vom Platz fliegen“, hat der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach gesagt. Und man kann sich auch schon ausmalen, wie das Szenario aussehen könnte. Taulant, der Ältere der beiden Xhakas, sieht für eine üble Grätsche Rot, Granit beschimpft den Schiedsrichter dafür so lange, bis er ebenfalls vom Platz fliegt.

Granit, obwohl 18 Monate jünger, hat sich schon früher für seinen Bruder verantwortlich gefühlt. Er hat die Geschichte oft erzählt, dass die Mutter ihm, dem Vernünftigeren, immer den Wohnungsschlüssel anvertraut hat, wenn sie als Kinder allein unterwegs waren. Am 11. Juni treffen die Brüder nun am ersten Spieltag der Gruppe A aufeinander: Taulant mit Albanien, der Heimat ihrer Vorfahren, Granit mit der Schweiz, dem Land, in dem beide geboren sind. „Natürlich ist es speziell“, sagt Taulant. „Es ist das Letzte, was wir uns gewünscht haben“, sagt Granit. Zumal beide im Mittelfeld spielen – und sich ihre Wege häufiger kreuzen dürften.

Für den Fall, dass es allzu arg werden sollte, gibt es aber auch schon eine Lösung. In Zukunft könnten beide Xhakas für den Kosovo spielen, das gerade von Fifa und Uefa als Mitglied aufgenommen worden ist. (sth)

Ein Klub. Aber nur national, die Bayern-Spieler Lewandowski (li.) und Jerome Boateng.
Ein Klub. Aber nur national, die Bayern-Spieler Lewandowski (li.) und Jerome Boateng.

© Imago/DeFoldi

BOATENG GEGEN LEWANDOWSKI

„Ein ganz schlechter Spieler“, sagt Jerome Boateng mit einem Augenzwinkern, „ganz einfach zu lösen.“ Die Rede ist von Robert Lewandowski. Boateng muss kichern. Lewandowski, sein Mitspieler vom FC Bayern, ist einer der besten Stürmer der Welt. Das Dumme aus deutscher Sicht ist, dass dieser Kerl auf Länderebene für die polnische Nationalmannschaft spielt, auf die der Weltmeister im zweiten Vorrundenspiel trifft.

Wenn man will, so ließe sich das Spiel Deutschland gegen Polen auf das Duell Boateng gegen Lewandowski herunterbrechen. Es ist vielleicht das hochklassigste Duell, das diese EM 2016 bereithält. Mit 13 Treffern war Lewandowski der Toptorjäger der EM-Qualifikation, und Boateng gilt seit der WM 2014 als bester Innenverteidiger der Welt. Übrigens: Auch vom Alter liegen beide dicht beieinander. Die beiden 27-Jährigen trennen nicht einmal 14 Tage.

Doch gleichzeitig ist dieses Duell das gewöhnlichste überhaupt. „Ich habe den Zweikampf in München an jedem Trainingstag in der Woche“, sagt Boateng. „Ich weiß, wie er funktioniert, aber ganz kaltstellen lässt Robert sich nie.“

Die beiden haben sich aber auch im Wettkampf oftmals duelliert. Sowohl als Lewandowski noch für Dortmund spielte und den Bayern beispielsweise beim 5:2-Sieg im Pokalfinale 2012 gleich drei Tore einschenkte, als auch in den beiden zurückliegenden EM-Qualifikationsspielen. Das Spiel in Warschau gewannen die Polen 2:0, ohne dass Lewandowski traf. Das Rückspiel gewannen die Deutschen 3:1, wobei Lewandowski traf. „Natürlich wollen wir Robert aus dem Spiel nehmen, weil er viel Einfluss auf seine Mannschaft hat“, sagt Boateng. Lewandowski wird einiges dagegen haben. (miro)

WILLIAMS GEGEN ALLI

Die walisischen Fans sind schon richtig angestachelt. Und dafür sind vor allem drei englische Firmen verantwortlich. Sie begingen zuletzt den großen Fehler, mit Postern englischer Nationalspieler in walisischen Städten für sich zu werben. Die Waliser werten das natürlich als klare Provokation – und die Stimmung dürfte sich vor dem ersten EM-Nachbarschaftsduell zwischen den großen Engländern und den kleinen Walisern am 16. Juni in Lens noch mehr hochschaukeln. Für zwei direkt an der Partie beteiligte Akteure ist die Ausgangslage jedoch vollkommen anders. Der Waliser George Williams (FC Fulham) und der Engländer Dele Alli (Tottenham Hotspur) freuen sich auf das Spiel so sehr, dass Williams frohlockt: „Es ist wie im Märchen!“

Es kommt ja auch eher selten vor, dass zwei Sandkastenfreunde, die im Alter von zehn Jahren gemeinsam bei den Milton Keynes Dons mit dem Kicken anfingen, beste Kumpels wurden und mit ihren Eltern zahlreiche gemeinsame Familienurlaube verbrachten, jetzt zehn Jahre später mal eben bei der EM gegeneinander antreten. Zurückhalten werden sich die beiden 20-Jährigen in dem Duell aber nicht, versichert Williams: „Wir werden uns auf dem Platz genauso angehen wie in unserer Kindheit.“ (jne)

SIGTHORSSON GEGEN DIE WELT

„Eine Wurst und ein Bier, bitte.“ Solch szenetypische Bestellungen sind ihnen im Laugardsvöllur fremd, im Nationalstadion von Island wird an Spieltagen eher Popcorn und klebrige Brause verkauft – und natürlich auch zur EM, die auf Großbildleinwänden in der 15.000 Zuschauer fassenden Arena zu sehen ist. Nach der denkbar knapp verpassten Qualifikation für die WM in Brasilien – Island scheiterte erst in den Play-offs an Kroatien – bekommt es die Fußball-Auswahl von der Vulkaninsel nun zum ersten Mal in der Geschichte mit dem Rest der Welt zu tun. Okay, nicht ganz, aber immerhin mit dem Rest Europas. Und wer wäre für diese quasi aussichtslose Mission besser geeignet als ein Stürmer mit dem ebenso klangvollen wie sprechenden Namen Kolbeinn Sigthorsson?

Der 26-Jährige vom französischen Erstligisten FC Nantes ist nicht nur einer von zahlreichen Legionären im Team, die sich mittlerweile über die Welt verteilen, sondern auch einer der großen Hoffnungsträger – mal abgesehen von Lokallegende Eidur Gudjohnsen, der seine Karriere eigentlich schon beendet hatte und nun, im zarten Sportleralter von 37 Jahren, doch wieder im Kader steht. Wer bislang keinem Team die Daumen drücken will, obwohl im Grunde halb Europa dabei ist, dem sei also diese numerisch so kleine und doch so sympathische Nation mit ihren 300 000 Einwohnern empfohlen, die ihren sportlich bisher größten Erfolg den Handballern verdankt (Olympia-Silber 2008 in Peking). Darauf eine klebrige Brause und eine Tüte Popcorn. Gezuckert, nicht gesalzen. (cda)

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