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Sport: Die Italienerin von Oberstdorf

Carolina Kostner hat das Eiskunstlaufen in ihrer Heimat populär gemacht

Die Männer tragen schwere Stiefel, das sieht dann noch bedrohlicher aus. Die Jacke, die Hose, die Stiefel, alles in Schwarz, nur das „security“-Logo auf ihrer Brust strahlt in leuchtendem Gelb. Die Frauen sind natürlich auch schwarz gekleidet, die Einheitsfarbe, aber sie bevorzugen Turnschuhe. Doch ihr Blick ist so entschlossen wie der ihrer Kollegen vom Sicherheitsdienst. An ihnen vorbei flutscht kein Fan in Zonen, in denen er nichts zu suchen hat, auch kein italienischer. Ein Sicherheitsproblem gibt es nicht bei der Eiskunstlauf-WM in Göteborg.

Carolina Kostner und Michael Huth, ihr Trainer, genießen das. Huth erzählt, wie das sonst so ist: zu Hause, in Oberstdorf, beim Training. Da sitzt er mit Kostner auf einer Holzbank an der Bande, redet mit ihr, plötzlich drängt sich von hinten ein italienischer Fan dazwischen. „Bitte ein Autogramm“, heißt es dann. „Bitte warten Sie noch zehn Minuten“, erwidert Huth genervt.

Seit zwei Jahren geht das jetzt so, seit Carolina Kostner aus St. Ulrich im Grödnertal das Gesicht des italienischen Eiskunstlaufens ist, seit sie bei den Olympischen Spielen die italienische Fahnen tragen durfte, weil sie so hübsch ist. Zwei Europameister-Titel hat sie seither gewonnen, entschärft haben sie die Situation nicht. In Göteborg peilt sie eine Medaille an, gestern lief sie das Kurzprogramm (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet). Aber sie braucht nicht unbedingt Edelmetall in Göteborg für ihr Image. Die Fans haben sie schon als zweifache Europameisterin zur populärsten Sportlerin in Italien gewählt.

Ausgerechnet Kostner. Eine Frau, die seit sieben Jahren in Oberstdorf wohnt und trainiert. Eine 21-Jährige, die sehr deutlich und sehr kurz auf die Frage antwortet, ob sie wieder nach Italien zurückkehren wolle: „Nie.“ Sie kam 2001 nach Oberstdorf, zu Huth ins Leistungszentrum und ins Internat, weil ein Erdrutsch in St. Ulrich die einzige Eishalle dort zerstörte. Oberstdorf ist jetzt ihre Heimat, hier sind optimale Trainingsbedingungen. Der italienische Verband wollte sie im Winter 2004/05 nach Italien locken – vergeblich.

Es muss ja auch nicht sein. Carolina Kostner sorgt auch im Ausland für einen Eislauf-Boom in Italien. Sie ist jung, attraktiv, Fernsehen und Fans haben Eiskunstlauf als attraktive Sportart entdeckt, Kostner läuft in diversen Eisshows in Italien, der Boom entwickelt sich. Inzwischen erhalten Eislauf-Vereine enormen Zuwachs oder sie werden neu gegründet, immer mehr Städte planen den Bau von Eishallen, und die Eissport-Artikel-Firma Rispot meldet enorme Umsatzzuwächse.

Carolina Kostner wirbt inzwischen für Knabbergebäck, Autos, Abendgarderobe und Schmuck, und wenn sie im Fernsehen erzählt, dass sie Italien doch so liebe, dann – so sagt eine italienische TV-Journalistin – schmelzen die Fans dahin. Mehr als zwei Monate im Jahr ist die 21-Jährige trotzdem nicht in Italien. In Turin, genau gesagt. Dort ist sie für Kunstgeschichte eingeschrieben, ein Fernstudium. In Turin schreibt sie die Prüfungen. Der „Olympia Park Turin“ besorgt ihr dann kostenlos Eiszeiten und bezahlt das Hotel. Er hätte ihr sogar ein Appartement finanziert, das sie das ganze Jahr hätte benützen können, aber da sagte Kostner nur: „Nein, das wäre ja Quatsch.“

Sie bleibt in Oberstdorf, wo die Fans zu ihr in die Halle kommen. Manche mailen Huth an und fragen, wann denn Training sei. Viele lesen aber einfach nur die Touristeninformation der Gemeinde Oberstdorf. Für die ist das Training im Eissportzentrum ein beliebter Tagestipp für Touristen. Das Ganze ist nämlich ein Deal: Die Gemeinde Oberstdorf bezahlt Huth und Kostner die Eiszeiten, die akzeptieren dafür Zuschauer beim Training.

Die Läuferin und ihr Trainer haben damit ja auch keine Probleme, grundsätzlich. Wenn sie zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Abstand halten. Sonst, sagt Kostner, „sonst ist es nicht immer einfach, freundlich zu bleiben“.

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