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Sport: Die Kraft der Kugel

Wie Nadine Kleinerts Bronzemedaille die deutschen Leichtathleten motiviert

Ingo Schultz hat nasse Haare, und er will jetzt raus. Der Eingangsbereich des Deutschen Hauses, gesellschaftlicher Mittelpunkt der deutschen Olympiamannschaft in Athen, ist ihm zu kühl. „Ich gehe an die Sonne“, sagt er, „die tut gut.“ Der 400-m-Europameister von 2002 hat heute seinen ersten Olympiaeinsatz, beim Vorlauf über 400 m. Draußen im Garten, bei ungefähr 35 Grad, schwärmt Schultz davon, dass die Bronzemedaille der Kugelstoßerin Nadine Kleinert zu einem guten Zeitpunkt kommt. Kleinert war am Mittwoch Dritte geworden, die Kugelstoßer durften schon vor dem Beginn der Leichtathletik-Entscheidungen antreten. Sie kämpften im antiken Hain von Olympia – und die Deutschen überraschten dabei positiv. Ein gutes Omen für das deutsche Team?

Die deutschen Leichtathleten haben schon eine Medaille, das nimmt ihnen den Druck. „So eine frühe Medaille ist wichtig für uns, das hebt die Stimmung in der Mannschaft“, sagt Schultz. „Eine miese Stimmung zieht einen runter.“ Der Läufer glaubt, dass sich kollektive Unsicherheit im Wettkampf übertragen kann auf einzelne Athleten. „Da kann es dann einfach sein, dass das nötige Glück fehlt.“

Doch Schultz will die Bedeutung dieser Bronzemedaille auch nicht überhöhen. „Es ist ja schön, dass es sie gibt, aber die Arme von Nadine laufen nicht 400 Meter. Das muss ich schon selbst machen.“ Schultz ist nicht gekommen, um irgendwie in der Masse mitzulaufen, das sagt er ganz deutlich: „Ich möchte nicht mein Konkurrent sein. Auf jeden Fall werde ich Saison-Bestzeit laufen.“ Seine Topzeit von 2004 steht bei 45,07 Sekunden, damit würde er in Athen nicht weit kommen. „Aber ich kann mich um eine halbe Sekunde steigern.“ Das bedeutete persönlicher Rekord. Seine Bestzeit steht bei 44,66 Sekunden.

Aber nicht jeder ist so abgebrüht. Seit einem Jahr haben die deutschen Leichtathleten einen Psychologen. Walter Wölfle führt Einzelgespräche mit den Sportlern. Jürgen Krempin, der Trainer von Schultz, sagt: „In der deutschen Mannschaft sind einige mental nicht sehr robust. Für die ist es von großem Vorteil, dass das deutsche Leichtathletik-Team bereits eine Medaille gewonnen hat.“

Nur wird heute wohl keine neue hinzukommen. Medaillen werden nur im 20-km-Gehen und im 10 000-m-Lauf der Männer vergeben. Über 20 Kilometer hat Andre Höhne vom SC Charlottenburg nach Aussage von Bundestrainer Ronald Weigel höchstens Chancen auf einen Rang zwischen acht und zwölf, und über 10 000 m startet kein Deutscher. Dafür gibt es eine ganze Reihe Vorläufe und Vorkämpfe, unter anderem über 100 m der Frauen und im Hammerwerfen der Männer.

Gerade ein Hammerwerfer wird sich über Nadine Kleinerts Bronze ganz besonders freuen. Karsten Kobs hat einmal gestanden, dass er enorme Angst vor Wettkämpfen hat und deshalb vor Einsätzen dringend aufbauende Nachrichten benötigt.

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