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Sport: Die Kraft des Goldes

Mit dem Olympiasieg gelang den Hockeyfrauen ein einzigartiger Erfolg

Berlin - Um kurz vor sechs Uhr morgens stand Heike Lätsch auf der Hauptstraße vor dem Deutschen Haus. Die Hockey-Nationalspielerin hatte bei der Siegesfeier in Athen am längsten durchgehalten, nun wollte auch sie zurück ins olympische Dorf. Bloß wie? Nirgends ließ sich ein Taxi sehen, zudem hatte sie auch kein Geld. Irgendwann fuhr ein Privatauto vorbei. Heike Lätsch griff in die Tasche, holte ihre Goldmedaille heraus und streckte sie dem verdutzten Fahrer entgegen. Er nahm Lätsch mit.

Gestern bei der Ehrung im Kurhaus Baden-Baden spürte die deutsche Hockeynationalmannschaft der Frauen noch einmal die Strahlkraft ihrer Goldmedaille. Deutschlands Sportjournalisten hatten das Team, das bei den Olympischen Spielen in Athen überraschend gesiegt hat, zur Mannschaft des Jahres 2004 gewählt. Es ist das erste Mal, dass Hockeyspielern diese Ehre zuteil wird. Vielleicht weil das Team von Bundestrainer Markus Weise sich durch seine erfrischende, unbekümmerte Art in die Herzen der Zuschauer gespielt hatte. Es gelang noch etwas Einzigartiges: Erstmals siegte ein deutsches Frauennationalteam bei Olympia im Hockey. Es war auch die deutsche Goldmedaille in Athen, die niemand erwartet hatte. Ersatztorfrau Julia Zwehl sagte: „Wir haben gespielt wie die Geisteskranken.“

Während des Turniers zweifelte Bundestrainer Markus Weise tatsächlich gelegentlich am Geisteszustand seines Teams. „Eine Wundertüte“, nannte er das Team, weil die Ergebnisse unvorhersehbar schienen. In der Vorrunde schien die Mannschaft dem Aus näher als dem Weiterkommen. Im Finale stemmte sich seine Hockeyelf beherzt gegen die scheinbar übermächtigen Holländerinnen – und verteidigte den 2:1-Vorsprung über die Zeit. Es folgte eine unvergessliche Party im Deutschen Haus mit den deutschen Fans.

Die gestrige Ehrung bildete nur den Höhepunkt dessen, was danach auf die Spielerinnen und den Trainer zukam. Nationalspielerin Fanny Rinne trat mit ihrem Freund, Bundestrainer Markus Weise, bei der Fernsehshow „Pisa – der Geschlechterkampf“ an. Kapitänin Marion Rohdewald durfte im „ZDF-Sportstudio“ auf die Torwand schießen. „Das ist ja das Schöne“, sagte sie, „dass das nicht gleich verpufft.“ Allmählich aber holt der Alltag die Olympiasiegerinnen wieder ein. Bei der Champions Trophy im November fehlten neun Spielerinnen aus Athen. Die Mannschaft ist im Umbruch, einige wollen sich auf das Studium konzentrieren. Im Finale spielte das Team erneut gegen Holland – und verlor. Aber das war nicht schlimm. Nach so einem Jahr.

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