zum Hauptinhalt

Sport: „Die Liga profitiert von uns“

Teammanager Bierhoff über das Verhältnis zwischen Nationalelf und Vereinen

Herr Bierhoff, Bayerns Trainer Magath findet, dass das viele Gerede um die WM 2006 die Spieler nur nervös mache. Schadet die Nationalmannschaft der Liga?

Natürlich nicht. Die Nationalmannschaft ist das Aushängeschild des deutschen Fußballs. Und die WM 2006 hat nur positive Auswirkungen: Stadien, Stimmung, Vorfreude. Die Spieler werden in ihrer Leistung nicht beeinflusst.

Schaut man sich die Agenda an, sieht man: Benefizspiel, Länderspiel, Konföderationenpokal, der Ticketverkauf für die WM – erdrückt das nicht die Bundesliga?

Schauen Sie sich die Zuschauerzahlen an, es sind wieder Rekordzahlen. Die Fans denken an die WM, gerade deshalb laufen sie noch häufiger in die Stadien. Das Interesse an der Bundesliga wächst doch eher.

Können Sie Magath auch verstehen?

Zum Teil, ja. Mit Sicherheit ist der Konföderationenpokal für Vereinstrainer keine optimale Lösung. Da kann ich die Bedenken verstehen, weil die Spieler in der Vorbereitung beeinträchtigt sind, weniger Urlaub haben. Andererseits muss sich jeder Spieler, der bei der WM auflaufen will, voll im Klub reinhängen. Das dürfte auch für Magath von Vorteil sein.

Besteht nicht die Gefahr, dass Spieler die Nationalmannschaft wichtiger nehmen als ihren Klub, weil sie 2006 spielen wollen? Sebastian Deisler will früher zurück ins DFB-Team als sein Trainer empfiehlt.

Ein Spieler kann sich nur über die Leistung im Klub für die Nationalelf empfehlen. Ich denke, dass alle unsere Spieler so belastbar sind, dass sie im Klub und dem DFB-Team Leistung bringen. Schwieriger sind für die Klubs eher die ausländischen Nationalspieler, da könnte es Probleme geben, die nicht so leicht zu lösen sind wie mit mir und Jürgen Klinsmann.

Wird der Aufbruch im Nationalteam, der neue Stil, nennen wir ihn neue Offenheit, von den Klubs honoriert?

Das Verhältnis ist sehr gut, und es wird immer besser. Daran arbeiten wir, dazu dient auch die Trainerzusammenkunft am Tag des Benefizspiels. Reibereien wird es wegen Terminen und Spielerabstellungen aber immer geben.

Wie kann die Liga der Nationalmannschaft helfen?

Das hat sie schon, indem sie beim Rahmenterminkalender auf all unsere Wünsche eingegangen ist: Beispielsweise das Vorziehen des Pokalfinales, so dass alle Spieler in der Bundesliga bis kurz vor der WM gleichzeitig belastet sind.

Will die Nationalmannschaft mit Bundestrainer Klinsmann eine Art Trendsetter sein auch für die Liga? Sie haben viele neue und junge Spieler integriert, haben Trainingsmethoden präzisiert.

Wir hoffen, dass die Vereine unsere Signale dankbar aufnehmen und uns unterstützen. Aber wir sind nicht so vermessen, ein Vorreiter sein zu wollen. Trotzdem kann die Liga von der guten Stimmung bei uns in der Nationalmannschaft profitieren.

Es erhöht aber vielleicht auch den Anpassungsdruck auf die Trainer und Manager. Ist das eine Gefahr für die Vielfalt von Methoden?

Das denke ich nicht. Jeder Trainer hat seine eigenen Vorstellungen. Aber ich sehe ja, dass die neuen Ansätze, jüngere Manager zu engagieren, durch die Arbeit von Jürgen Klinsmann mehr Anerkennung erfahren. Das ist gut, ich freue mich über mehr Mut in der Liga, mehr Mut zu Kreativität und zu klaren Zielen.

Karl-Heinz Rummenigge hat jüngst gesagt, er finde es gut, dass wieder Medizinbälle und Seile beim FC Bayern im Training zu sehen sind, dass wieder härter trainiert wird. Widerspricht das Ihren Vorstellungen?

Fortschritt bedeutet für mich, die wissenschaftliche Analyse von Trainingsmethoden zu berücksichtigen. Übungen von früher, beispielsweise beim Dehnen, müssen nicht verkehrt sein. Es kommt dann nicht darauf an, ob man dazu Medizinbälle oder Seile nimmt, nur darauf, wie man sie einsetzt.

Sie und Klinsmann fordern, über Kommunikation auch an der Spielerpersönlichkeit zu arbeiten. Muss in den Klubs mehr miteinander geredet werden?

Ich finde, dass auch die Vereine sich das auf die Fahne schreiben können. Es geht nicht nur um Taktik und Technik, sondern darum, Erziehungsprozesse zu begleiten. Diese Verantwortung haben die Klubs.

Im Fall Timo Hildebrand scheint etwas schief gelaufen zu sein. War es ein Fehler, nicht beim VfB Stuttgart zu bleiben?

Grundsätzlich sollten Vereine Spieler zur Eigeninitiative ermuntern. Sie sollen ja Entscheidungen selbst treffen. Nur Timo allein muss wissen, ob er richtig entschieden hat. Aus meiner Sicht ging es nicht nur um das Finanzielle. Er hatte das Gefühl, dass er in seiner Freiheit, sich zu entwickeln, eingeschränkt war.

Die Hinrunde war geprägt vom unbeschwerten Auftreten kleiner Klubs wie Mainz, Bielefeld oder auch Hannover. Ist das eine Qualität oder Schwäche der Liga?

Mit Sicherheit ist es für die Attraktivität gut. In Italien ist das Gefälle zwischen oben und unten schon sehr stark. Es ist gut, wenn sich in der Bundesliga viele Teams oben tummeln, aber das heißt nicht gleich, dass ein Dutzend Teams von uns internationale Spitze sind.

Der FC Bayern klagt, dass die Bundesliga zu wenig Fernseheinnahmen bekommt und deshalb langfristig international nicht wettbewerbsfähig ist. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Richtig ist: Die Liga hat ein Einnahmeproblem. Daran muss man arbeiten. Deshalb kann ich Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge verstehen, dass sie sich Sorgen machen um die Wettbewerbsfähigkeit. Die Liga braucht mehr Geld.Wenn aber Vereine wirtschaftlich schlecht geführt werden und viel Geld verschleudern, kann ich die Bürger auch verstehen, die fragen: Muss da jetzt noch mehr Geld reingeworfen werden? Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir aber definitiv zu wenig Einnahmen.

Bei den Einnahmen liegt die Bundesliga in Europa auf Platz fünf, wo liegt sie sportlich im Vergleich mit England, Spanien, Italien und Frankreich?

Ich würde England ganz oben sehen, gefolgt von italienischen Klubs wie Juventus Turin und AC Milan. Dann kommt die Bundesliga schon gleichauf mit spanischen und französischen Klubs.

Wäre eine Aufstockung der Liga auf 20 Klubs denn qualitätsfördernd?

Nein, überhaupt nicht. Eine Aufstockung wäre falsch. Vor allem, wenn man sich den Rahmenterminkalender anguckt, der platzt schon jetzt aus allen Nähten.

Heute beginnt die Rückrunde, gibt es gute Gründe, warum der FC Bayern nicht Deutscher Meister wird?

Bayern München wird immer oben mitspielen. Aber Schalke hat viel Leidenschaft und gutes Spielerpotenzial, Bremen hat sich stark verbessert, und auch andere Klubs haben große Ambitionen. Das gefährdet Bayerns Vormachtstellung.

Das Gespräch führte Armin Lehmann.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false