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Sport: Die Macht der Gefühle

Stefan Hermanns über das emotionale Problem des FC Bayern

Aus gegebenem Anlass und passend zur Adventszeit an dieser Stelle ein paar grundsätzliche Gedanken zum Weihnachtsmann, dem unbekannten Wesen. Seine Herkunft betreffend gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse, die atheistische Schule geht sogar davon aus, dass der Weihnachtsmann einer Werbekampagne von Coca-Cola entsprungen ist. Insofern müssen wir dem bayerischen Etymologen Uli Hoeneß dankbar sein, der ein wenig Licht ins Dunkel gebracht hat. Vor einem Jahr überraschte er mit der steilen These, dass der Weihnachtsmann kein Osterhase sei. Das leuchtet ein, doch vermutlich hat Hoeneß seine Meinung längst wieder geändert.

Jedenfalls hätte Hoeneß wenig dagegen einzuwenden, wenn der Weihnachtsmann in dieser Saison sowohl Osterhase als auch Pfingstochse wäre und dem FC Bayern München neben der recht belanglosen Herbstmeisterschaft im Mai auch die Meisterschale vermachen würde. Berechnungen der Deutschen Presse- Agentur zufolge liegt die Chance aktuell bei 86,6 Prozent, weil der Herbstmeister in den letzten 15 Jahren 13 Mal auch richtiger Meister geworden ist. Allerdings gibt es keine Berechnungen, in wie vielen Fällen der Herbstmeister den Titel geholt hat, wenn er nach der Hinrunde gerade fünf Tore Vorsprung auf den Zweiten hatte.

Tatsache ist, dass dieses Ergebnis reichlich dürftig ist, angesichts der 70 Millionen Euro, die Bayern in die Mannschaft gesteckt hat. Die frustrierten Münchner haben sich ja gewissermaßen selbst beschenkt, nachdem sie im vorigen Jahr weder vom Weihnachtsmann (Herbstmeister Bremen) noch vom Osterhasen (Meister Stuttgart) in gewohntem Umfang bedacht worden waren. Wir können uns die teuren Stars und den Erfolg auch selbst kaufen, du dummer Osterhase! Wirst schon sehen, blöder Weihnachtsmann!

Kein Verein wird so sehr vom Trotz regiert wie der FC Bayern. Jahrelang hat Hoeneß das exzessive Wirtschaften der europäischen Konkurrenz als unverantwortlich gegeißelt; kaum schlägt Franck Ribéry ein paar exklusive Haken auf dem Feld, will Hoeneß nur noch teure Stars. Das Problem der Bayern ist: Sie haben keine Philosophie, die sie leitet und aus der sich alles Weitere ergibt. Welches System soll die Mannschaft spielen? Welcher Trainer passt dazu, und vor allem welche Spieler? Dank ihrer finanziellen Möglichkeiten hatten die Bayern solche Überlegungen bisher nicht nötig. In der Bundesliga ist es ihnen auch ohne Philosophie gelungen, auf Dauer jeden Konkurrenten wegzubeißen; im europäischen Maßstab aber, dem einzigen, den die Bayern wirklich akzeptieren, hinken sie Klubs wie dem AC Mailand, Manchester United oder dem FC Arsenal längst hoffnungslos hinterher.

Die Philosophie der Bayern heißt Uli Hoeneß. Im Idealfall bedeutet dies totale Erfolgsbesessenheit und Identifikation mit dem Verein; es heißt aber auch, dass im Zweifel das Herz über den Verstand entscheidet. So war es im Frühjahr, als die Bayern Ottmar Hitzfeld – wider besseres Wissen eigentlich – zum Bleiben überredeten. Der jetzt latent gegen den Trainer erhobene Vorwurf, dass sich die Spieler unter seiner Obhut nicht weiterentwickelten, hat schließlich schon 2004 dazu geführt, dass Hitzfeld die Bayern verlassen musste.

Nach den Regeln der modernen Mediengesellschaft ist der Verfall von Hitzfelds Autorität kaum noch zu stoppen, und das Perfide ist, dass die Bayern sich dieses Problem selbst in ihre heile Welt geholt haben. Die Zweifel wurden aus den eigenen Reihen genährt. Weil Karl-Heinz Rummenigge sich von einem 2:2 gegen Bolton im Uefa-Cup persönlich beleidigt fühlte, attackierte er den Trainer in aller Öffentlichkeit. Dem Rest der Welt signalisierte er damit, dass Kritik an Hitzfeld nicht mehr grundsätzlich geächtet wird. Der Vorfall illustriert bestens, wie die Arbeitsteilung zwischen Hoeneß und Rummenigge funktioniert. Als der eine seine Wut ausnahmsweise einmal unter Kontrolle hatte, polterte eben der andere.

In Sachen Arbeitsteilung können die Bayern vom Weihnachtsmann noch einiges lernen. Der hat für die schlimmen Fälle seinen Knecht Ruprecht zur Hand.

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