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Selten erfolgreich. Matt Foy trifft hier zum zwischenzeitlichen 1:1. Am Ende verlieren die Eisbären 3:4 im Penaltyschießen. Foto: Imago

© imago/Mario Stiehl

Sport: Die Misere kriegt Flügel

Selbst gegen die Schwenninger Wild Wings verlieren die Eisbären – Pfiffe gegen Trainer Jeff Tomlinson.

Berlin - Es gibt zurzeit angenehmere Arbeitsplätze als den von Jeff Tomlinson. Wer will schon mit Arbeitsbeginn von der Kundschaft demonstriert bekommen, dass er nicht willkommen ist? Niemand. Der Trainer der Eisbären musste das aber am Sonntagnachmittag in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof vor dem Spiel gegen die Schwenninger Wild Wings ertragen. Als nach der Vorstellung der Berliner Spieler der Trainerstab angesagt wurde, trällerten die Fans bei Tomlinsons Assistenten ein „Malette“ auf „Vince“ und ein „Nickel“ auf „Hartmut“. Dann schallte „Jeff“ durch die Lautsprecher und daraufhin gab es ein Pfeifkonzert. Niemand, so hörte es sich an, war unter den 14 200 Zuschauern bereit, noch den Namen des Cheftrainers zu rufen. Den Schuldigen an der Misere des deutschen Eishockeymeisters haben die Anhänger der Eisbären längst ausgemacht: Jeff Tomlinson. Wer sonst?

Das ist die Frage. Sicher trifft Tomlinson eine Mitschuld daran, dass die Berliner nach 34 Spieltagen als Tabellenneunter Kurs auf die für einen Meister unwürdigen Pre-Play-offs nehmen. Die 3:4 (2:2, 0:0, 1:1/0:1)-Niederlage gegen Schwenningen nach Penaltyschießen verstärkte diesen Eindruck. Von der Spitze der Deutschen Eishockey-Liga sind die Berliner weiter weg, als das in den vergangenen zehn Jahren je der Fall war. Gegen den Tabellendreizehnten gab es ein Spiel auf Augenhöhe. Schwenningen ging im ersten Drittel zweimal in Führung. Die Eisbären glichen durch Matt Foy und Barry Tallackson zweimal aus. Im letzten Abschnitt brachte Travis Mulock die Berliner in Führung. Als der Berliner Sieg sicher schien, gelang Nicholas Petersen der Ausgleich für Schwenningen. Im Penaltyschießen traf Daniel Hacker zum Sieg der Gäste.

Natürlich ließ sich der Berliner Auftritt am Sonntag auch damit erklären, dass Tomlinson neun Stammspieler fehlten. Das Durchschnittsalter seiner Mannschaft lag kaum über 24 Jahre und manch junger Berliner hatte wenig vom Spiel – was auch daran lag, dass die Routiniers oft für sich spielten. Fast hatte man das Gefühl, als würden zwei Eisbären-Teams auf dem Eis stehen. Aber die Verletztenmisere kann nicht als Erklärung für eine verkorkste Berliner Saison herhalten. Verletzungen sind eine unberechenbare Größe, mit ihr muss ein Spitzenteam klarkommen können. Aber, und da liegt wohl ein Kernproblem, die Eisbären sind nur noch in eigener Wahrnehmung ein Spitzenteam. So verwundert es, wenn Tomlinson sagt: „Wir schauen in der Tabelle nur nach oben.“ Der Blick nach unten ist dem Trainer auch anzuraten, denn geht es so weiter – vor allem mit der Berliner Auswärtsschwäche – dann können sich die Eisbären nicht darauf verlassen, am Ende der Hauptrunde unter den ersten zehn Mannschaften zu stehen.

Jeff Tomlinson hatte mit Amtsantritt befürchtet, dass es bei den Eisbären in dieser Saison nicht locker so weitergeht wie in den vergangenen, titelreichen Jahren. Der Deutschkanadier sprach von „Arroganz“, die ihm in der Kabine entgegenschlage. Von erfahrenen Profis mit Das-wird-schon-Mentalität und von Nachwuchsspielern, die nicht die Qualität hätten, die junge Spieler bei den Eisbären noch vor ein paar Jahren gehabt haben. Tomlinson war bewusst, dass er nicht die Voraussetzungen hatte, die sein erfolgreicher Vorgänger Don Jackson in fünf Jahren hatte – und natürlich hatte er auch nicht die Erfahrung eines Don Jackson. Dass Tomlinson einen Zwei-Jahres-Vertrag in Berlin annahm, ist ihm aber kaum vorzuwerfen. Manager Peter John Lee dagegen ging mit der Personalie Tomlinson wohl ein Risiko ein, dessen er sich nicht bewusst war. Inzwischen schweigt Lee am liebsten zum Thema oder sagt auch: „Wir schauen in der Tabelle nur nach oben.“

Ein paar Wochen ist das vielleicht noch möglich für die Eisbären. Vielleicht auch nicht. Tabellenführer Hamburg und die Adler Mannheim sind die nächsten Berliner Gegner. Und die spielen besseres Eishockey als Schwenningen.

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