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Sport: Die neue Fluglinie

Deutschlands junge Skispringerinnen sind Weltspitze – jetzt wollen sie ins olympische Programm

Früher war Juliane Seyfarth Langläuferin. Aber die Loipe, die nur wenige Meter an der Adlerschanze in Schönwald vorbei- führt, interessiert sie nicht mehr. Stattdessen hat die 15 Jahre alte Schülerin den Blick ins Tal gerichtet. Sie holt Schwung, stößt sich ab und beschleunigt auf mehr als 85 Stundenkilometer, bevor sie vom Schanzentisch abhebt und im Schwarzwald dem Tal entgegensegelt. Juliane Seyfarth ist Skispringerin – in dieser Saison zudem Deutschlands erfolgreichste Athletin in der noch jungen Disziplin.

Bei den Olympischen Winterspielen in Turin haben Frauen im Skeleton, Bobfahren und Eishockey ihre Sieger ermittelt, im Skispringen aber nicht. Das könnte sich demnächst ändern. Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), ließ verlauten, dass im Programm der Spiele durchaus noch „ein bisschen Luft“ sei. Seine Idee lautet deshalb: „Eine Variante wäre Skispringen für Frauen. Das hätte gleich mehrere Vorteile, unter anderem die Verbesserung der Frauenquote, eine stärkere Nutzung der Schanzenanlagen und die Möglichkeit, die nordische Kombination für Frauen einzuführen.“ Allerdings müsste das Frauen-Skispringen selbst erst noch olympiareif werden und eine breitere Öffentlichkeit erreichen. Dazu müsste das Wettkampfsystem ausgebaut und mehr Nationen für den Sport mobilisiert werden. Die ersten Schritte auf diesem langen Weg hat das Skispringen für Frauen bereits absolviert. Gerade ist die achte Auflage des Fis-Ladies-Grand-Prix zu Ende gegangen. Er gilt als Gegenstück zur Vierschanzentournee der Männer. Während die deutschen Männer in diesem Jahr das Podest verpassten, sprang die Thüringerin Juliane Seyfarth nach einem ersten, zwei zweiten und einem achten Platz auf Platz drei der Gesamtwertung.

Ein internationales Starterfeld absolviert pro Saison eine Serie von Continental-Cup-Springen, zu denen auch die vier Wettbewerbe der „Ladies Tour“ gehören. Doch anders als in Zeiten, in denen deutsche Skispringer wie Weißflog, Schmitt oder Hannawald in ausverkaufte Ausläufe hinabflogen, landen Seyfarth und ihre Kolleginnen oft genug vor leeren Rängen. Dann applaudieren sich die Konkurrentinnen gegenseitig, schließlich sei man bislang noch „eine kleine Familie, die zusammenhalten muss, um gemeinsam das Frauen-Skispringen nach vorn zu bringen“, wie die 18-jährige Ulrike Gräßler aus Klingenthal sagt.

„In der Öffentlichkeit sind wir bislang nur wenig präsent“, weiß auch Kotrainer Stefan Pieper, der Bundestrainer Daniel Vogler an manchen Wettkampftagen vertritt. Denn der Bundestrainer-Posten bei den Frauen ist kein hauptberuflicher, und so muss Vogler auch andere Verpflichtungen erfüllen. Selbst im eigenen Lager mussten die deutschen Springerinnen lange kämpfen, bis sie im Deutschen Skiverband (DSV) Anerkennung und Förderung fanden.

Ulrike Gräßler springt schon seit ihrer Kindheit von der Schanze. „Lasst sie doch mitspringen“, habe es viele Jahre geheißen, erinnert sich die Abiturientin, die in den ersten Jahren ausschließlich gegen männliche Konkurrenten gesprungen ist. Offizielle Frauenwettbewerbe gab es vor 1998 ebenso wenig wie weibliche Auswahlteams. Erst vor zwei Jahren hat der DSV ein solches gegründet und damit den Springerinnen eine Perspektive geboten. Gräßler gehört mit ihren 18 Jahren auch zu den ältesten der acht Teammitglieder – und gleichzeitig zur ersten Generation, die in Deutschland gefördert wird. Inzwischen werden gemeinsame Trainingslager absolviert. Auch in anderen Nationen haben sich die Frauen ihren Platz auf den Schanzen dieser Welt erarbeitet. Springerinnen aus sieben Ländern sind bei der „Ladies Tour“ und dem Fis-Continental-Cup am Start.

Gesprungen wird im Laufe der Saison in Europa, in den USA, in Japan und Kanada. Juliane Seyfarth fliegt ganz vorne mit. Warum? „Ich habe einfach Spaß, und die Technik passt“, sagt die 15-Jährige, die Anfang Februar die erste Junioren-Weltmeisterschaft für sich entschied. Sie ist damit die erste Weltmeisterin überhaupt in ihrer Disziplin. Als Nächstes soll eine Frauen-WM ausgetragen werden. Und vielleicht wird 2010 schon die erste Olympiasiegerin gesucht.

Maria Saegebarth[Schönwald]

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