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Sport: Die Schattenfrau

Kugelstoßerin Nadine Kleinert hat Chancen auf eine WM-Medaille – es fällt bloß kaum einem auf

Berlin - Nadine Kleinert ist gerade in Portugal im Trainingslager. Sie hat dort einen Kraftraum, eine gute Kugelstoßanlage und ein schönes Appartement. Vor allem aber hat sie Ruhe. Niemand fragt sie nach ihren Chancen bei der Leichtathletik-WM in Helsinki, keiner sagt, dass sie bestimmt eine Medaille im Kugelstoßen holen werde. Schließlich hat sie doch 2004 Olympia-Silber gewonnen.

Nadine Kleinert aus Magdeburg, 29 Jahre alt, 1,90 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, wird zurzeit wenig beachtet. Das Problem ist nur, dass sie dieses Gefühl auch in Deutschland hat. Sie hat vor kurzem 20,06 Meter gestoßen. Das war für sie ein Ereignis – zum ersten Mal im Wettkampf über 20 Meter. „Ich dachte schon, ich sei zu blöd dafür.“ Sieben Jahr lang stand ihre Bestmarke bei 19,86 Metern. Natürlich gehört sie bei der WM zu den Medaillenkandidatinnen. Aber sie ist da vorsichtig. „Zu diesem Thema will ich nichts sagen.“

Sie wird aber auch selten gefragt. Der endlose Kampf um die 20 Meter ist eigentlich eine schöne Geschichte, vor allem bei einer, die eine völlige Blamage der deutschen Leichtathleten bei Olympia verhindert hat. Es gab nur zwei Medaillen, eine davon holte die Speerwerferin Steffi Nerius. Die andere Kleinert. „Wenn Steffi jetzt weit wirft, dann glühen bei ihr die Drähte“, sagt Kleinert. Bei ihr passierte fast nichts. Nerius hat seit Athen einen PR-Manager. Der brachte sie ins ZDF-Sportstudio und in ein paar Zeitungen. Nadine Kleinert wollte auch so einen Experten.

Sie erhielt 20 Absagen.

Da wusste sie, dass sich nichts verändert hatte. Sie blieb die Schattenfrau. Die Athletin, die immer hinter einer Größeren verschwand, auch wenn es nur eine Speerwerferin war. Sie hatte gehofft, dass es nach Athen anders wird. Die große Rivalin Astrid Kumbernuss aus Neubrandenburg war abgetreten, Kleinert rückte in die erste Reihe.

Aber dort verkümmert sie in der Unauffälligkeit. Früher spürte sie die Missachtung als Nadelstiche, jetzt, mit Silber und ohne Konkurrenz, sind es Hammerschläge. „Nichts hat sich getan, kein neuer Sponsor“, sagt sie verbittert. Sie hat sogar einen Sponsor verloren. Das war der härteste Schlag. Ein Autohaus hatte ihr einen Wagen zur Verfügung gestellt. Nach Athen musste sie ihn zurückgeben. Angeblich war die Versicherung zu teuer geworden. Drei Wochen später las sie in der Zeitung, dass ein Magdeburger Schwimmer von diesem Autohaus einen Wagen bekam. „Ich war so was von sauer“, sagt die 29-Jährige.

Die Sportsoldatin hat eine Erklärung für die Missachtung. „Beim Kugelstoßen denken immer noch viele: quadratisch, praktisch, gut.“ Dass dies längst ein Klischee ist, ändert jedoch nichts. In die Top- Meetings kommt sie kaum. Beim Istaf 2004 durfte sie nur starten, weil die Zuschauer die deutschen Medaillengewinner sehen sollten.

In Athen war sie die einzige deutsche Medaillengewinnerin, die nicht zu ARD und ZDF eingeladen wurde. Warum, weiß sie bis heute nicht. Und das Autohaus, sagt sie, habe sie schon vor Athen abschieben wollen. Sie sollte die Marke tauschen. Der neue Wagen hatte einen kleineren Kofferraum und weniger PS. „Da habe ich gesagt, ich brauche ein Auto, in das ich meinen Krempel packen kann“, sagt Kleinert. „Das haben sie dann zähneknirschend akzeptiert.“

Nadine Kleinert ist zwar stolz auf ihre Figur, aber gleichzeitig auch froh, dass sie nicht zu schmal ist: „Mein Kreuz ist breit genug, da passt gut ein Sponsorenname drauf.“

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