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Richtig nach oben ging es für Hertha BSC mit Dodi Lukebakio in den vergangenen vier Jahren nicht.

© dpa/Soeren Stache

Dodi Lukebakio verlässt Hertha BSC: Der Größenwahn ist jetzt offiziell Geschichte

Als Dodi Lukebakio 2019 zu Hertha BSC kam, hatte der Verein hohe Ziele. Sein Weggang steht nun symbolisch für das Ende einer Ära, die den Klub letztlich in seiner Existenz bedroht hat.

Am Mittwochabend ist in den sozialen Medien ein Videoschnipsel aufgetaucht, der bei den Fans von Hertha BSC einen Hauch von Hochstimmung ausgelöst hat. Aufgenommen wurden die Bilder auf dem Flughafen von Sevilla. Sie zeigen einen jungen Mann in Shorts. Er hat eine Hand in der Hosentasche, wirkt ein wenig eingeschüchtert, als er in die Ankunftshalle tritt, und schlurft schließlich zu dem Platz, der ihm zugewiesen wird.

Der junge Mann hebt beide Daumen in die Höhe und lächelt ein wenig linkisch. Fotos werden gemacht. Dann ist es vorbei. Der junge Mann lässt die Schultern sacken. Es ist Dodi Lukebakio.

Die Fans von Hertha BSC kennen das. Lukebakio, 25, ist ein netter, umgänglicher und fröhlicher Mensch. Er braucht klare Anweisungen, was er zu tun hat, und um die Körperspannung ist es bei ihm auch nicht immer zum Besten bestellt.

Aber das ist eben nur die eine Seite an ihm. Dodi Lukebakio kann auch ein wunderbarer Fußballer sein. Er ist schnell, stark am Ball, torgefährlich. In der vergangenen Saison, die für Hertha mit dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga endete, hat er elf Tore erzielt – mehr als jeder andere bei den Berlinern.

Er soll eine richtig große Karriere machen. 

Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, über Dodi Lukebakio

Dass der belgische Nationalspieler für die Zweite Liga zu gut ist, das haben sie bei Hertha schon lange gewusst. Lukebakio hat in diesem Sommer keine einzige Minute in Berlin auf dem Trainingsplatz gestanden. Er war freigestellt, um einen neuen Verein zu suchen. Nach einigen Irrungen und Wirrungen ist das nun gelungen. Lukebakio wechselt von Hertha zum Europa-League-Dauersieger FC Sevilla.

Für die Berliner und ihre Fans ist das eine gute Nachricht. Nicht, weil sie den Offensivspieler endlich vom Hof gejagt sehen wollen; sie freuen sich vor allem, dass der Transfer frisches Geld in die leere Kasse bringt. Zehn Millionen Euro sollen es sein, plus möglicher Bonuszahlungen.

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Lukebakios Wechsel ist nicht nur überlebenswichtig für den finanziell darbenden Zweitligisten. Er steht auch symbolisch für das Ende einer Ära, die – ebenfalls symbolisch – mit seiner Verpflichtung im Sommer 2019 begonnen hat: eine Ära des Größenwahns, die den Klub (mindestens) an den Rand des Abgrunds geführt und ihn wohl nachhaltig geschädigt hat.

20 Millionen Euro hat Hertha vor vier Jahren für Lukebakio an den FC Watford überweisen müssen. Der Belgier, in der Saison zuvor an den Bundesligaaufsteiger Fortuna Düsseldorf verliehen, war damit der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte und seine Verpflichtung der Startschuss für eine Hochpreis-Phase in Herthas Transferhistorie.

Sich nicht mehr bücken zu müssen, um in den unteren Regalen nach Schnäppchen zu suchen, das verdankte der Klub damals dem Einstieg des neuen Investors Lars Windhorst. Im Sommer 2019 steckte er die ersten 225 von insgesamt 375 Millionen Euro in den Verein.

Hertha hatte große Pläne: Pal Dardai, der dem Klub als Trainer einige sorgenfreie Jahre beschert hatte, war plötzlich nicht mehr gut genug. Ansehnlicher und offensiver sollte der Fußball werden.

Aber dass der Geldregen den Verantwortlichen auch die Sinne vernebelt hatte, dafür stand exemplarisch Dodi Lukebakio. Hertha wollte unter Dardais Nachfolger Ante Covic vermehrt auf Ballbesitz setzen – und verpflichtete als Königstransfer einen ausgewiesenen Konterstürmer.

28
Tore erzielte Lukebakio in 100 Pflichtspielen für Hertha.

„Als ich nach Berlin kam, war Hertha in einer komplizierten Situation“, hat Lukebakio Anfang des Jahres im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt. „Aber ich hatte den Verein viel Geld gekostet, deswegen wurde auch viel von mir erwartet.“ Er war noch jung, 21 Jahre erst, wollte bei Hertha weiter lernen und sich in Ruhe entwickeln – stattdessen wurde ihm eine Last aufgebürdet, die er kaum schultern konnte.

Exakt 100 Pflichtspiele hat Lukebakio für Hertha bestritten, dabei 28 Tore erzielt. Das ist okay, aber eben nicht so herausragend, wie es seine Ablöse hätte erwarten lassen. In seinen drei Jahren in Berlin (in der Saison 2021/22 war er nach Wolfsburg ausgeliehen) war der Belgier nie unumstritten – weil er taktisch oft zu unbedarft auftrat und die Arbeit in der Defensive nicht so seins war.

Bruno Labbadio hat ihn mal im Training angepflaumt: „Nur ein bisschen dahindackeln, das funktioniert nicht!“ Lukebakio stand stets im Verdacht, sich zu schnell zufriedenzugeben, nicht hartnäckig genug gegen die eigenen Schwächen anzuarbeiten und daher nie zu der Konstanz zu gelangen, die es auf Bundesliganiveau braucht.

„Verlässlichkeit, das ist bei ihm das große Thema“, hat Sandro Schwarz gesagt, einer der vielen Trainer, die sich an ihm bei Hertha versucht haben. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Trotzdem ist Lukebakio der Spieler, der Hertha am Ende dieses schwierigen Transfersommers die höchste Ablöse beschert haben wird. „Er wollte weg, sieht sich bei anderen Vereinen. Wir haben das akzeptiert“, hat Trainer Dardai vor knapp zwei Wochen zu Lukebakios Plänen gesagt. „Wenn das klappt, drücken wir ihm die Daumen. Er soll eine richtig große Karriere machen. Wenn nicht, dann kommt er zurück und kriegt richtig Lack von Dardai.“

Dass Dodi Lukebakio diese Vorstellung als besonders verlockend empfunden hat, das ist wirklich nur schwer vorstellbar.

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