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Pate mit Fahne. Don King hat Jahrhundertkämpfe veranstaltet und mit allen Szenegrößen gearbeitet. Zuletzt wurde es ruhiger um ihn, doch vom Boxen lassen mag er nicht.

© Imago

Don King in Berlin: „Eisbein, Angela Merkel – ich liebe die Deutschen“

Auch mit 82 Jahren ist Don King noch Meister aller Klassen im Boxpromoting – den WM-Kampf seines Schützlings Marcus Oliveira am Sonnabend gegen den Deutschen Jürgen Brähmer inszeniert er als Western.

Fehlte nur noch, dass er mit einer Häuptlingshaube auf dem Kopf um die Ecke gekommen wäre, so geschmückt, wie er aussah. Es blinkte und glitzerte an ihm; der nicht mehr ganz so junge Herr aus Amerika sah immer noch aus wie ein stattlicher Vorstadt-Tannenbaum. Don King liebt solche Auftritte, sie sind legendär wie sein Geschmeide: schrill im Outfit, schräg im Output. „Eisbein, Angela Merkel – ich liebe die Deutschen“, keift King und nimmt Platz.

Ach so, die beiden Boxer, weswegen King eigentlich da ist, weil sie Samstagnacht die Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht austragen, werden von seiner Präsenz in die Seile gedrückt. Die Nieten blinken, der Strass funkelt und King wiehert sein breites Lachen. Dem einstigen Impresario des Preisboxens stecken inzwischen 82 Lebensjahre in den Knochen, doch seine Auftritte sind von ungebrochener Exzentrik und seine Stimme in Fon und Schmiss formidabel.

„Ich freue mich auf Niju-Brandenbörg“, sagt King und schwenkt wild mit Fähnchen aus vieler Herren Länder. Dieses Mal ist die Südafrikas vorn dabei, ein öffentlicher Ehrenerweis an Mandela, seinen Freund, der ihn einst zum Friedensbotschafter ernannte. Mandela werden sie jetzt zu Grabe tragen, aber sein Geist reiche bis Neubrandenburg, wo der Kampf am Sonnabend stattfinden wird (22.10 Uhr/ARD).

Mandela sei ein „Mann des Jahrhunderts“, sagt King und es hört sich an, als spräche er von sich. Berühmtheit erlangte er, als er den „Rumble in the Jungle“, den Jahrhundertkampf zwischen Ali und Foreman in Kinshasa (ehemals Zaire) arrangierte. Das ist beinahe 40 Jahre her. So lange spukt King als Pate durch die Ringe der Welt. Er hat sie alle gehabt, die Großen, er hat den „Thrilla in Manila“ zwischen Ali und Frazier genauso gemacht wie Kämpfe mit Superstars wie Tyson, Holyfield, Roberto Duran oder Sugar Ray Leonard veranstaltet. King ist dadurch ein reicher Mann geworden.

Zuletzt ist es etwas ruhiger geworden um King, aber ganz die Finger vom Boxen lassen kann er nicht. King weiß, wie man etwas promotet, er beherrscht den Trashtalk und faselt nun etwas von den berühmten Vier Toren Neubrandenburgs, die sich schließen werden, wenn Marcus Oliveira, Kings Mann, den Ring betreten wird. „Keiner kann entkommen!“

Oliveira also, ein hierzulande weitgehend unbekannter Bube mit Brille und Bildung. Der 34-Jährige hat ein abgeschlossenes Historiker-Studium (Schwerpunkt: Ureinwohner Nordamerikas), sagt nur leider nicht viel. Dafür trägt er seine eigentliche Story vor sich her. Um seinen Hals baumelt ein riesiges Amulett, das ihn als Abkömmling des Stammes der Menominee ausweist. Er ist in einem Reservat in Wisconsin bei seiner Mutter aufgewachsen. Und auch sein Trainer, Erik Riley, hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten. Riley ist Apache. Kennengelernt hätten sich beide bei einem sogenannten „Tough Man“-Wettbewerb, wobei Riley, obgleich weit schwerer, Oliveira herausforderte – und verdroschen wurde. Seitdem trainiert er ihn. Man werde Cowboy und Indianer spielen in Neubrandenburg, feixt King. Im Stile eines Laienpredigers preist King die Vorzüge seines Mannes. Dabei bedient er sich der Mittel der Flunkerei bis hin zu unverschämter Prahlerei. Eigentlich könne nur Oliveira gewinnen, tönt King und schreckt nicht vor irren Vergleichen ab: „Alle Stämme stehen am Samstag hinter Oliveira. Das wird ein Kampf, wie ihn Geronimo geführt hat. Brähmer ist hingegen General Custer, der seine größte Niederlage erleiden wird.“

Noch ist Boxen eine große Nummer in Deutschland, und noch ist King eine besondere Marke. Wer ihn im Rücken hat, hat Rückwind, ob es reichen wird für den schüchtern wirkenden Burschen vom Stamme der Menominee, ist ungewiss.

Jürgen Brähmer, seit ein paar Monaten Europameister in diesem Limit, hört sich das alles genüsslich an. Für ihn wäre der Siegesfall eine Rückkehr auf den WM-Thron. 2009 war er schon einmal ganz oben, doch der Titel wurde ihm am Grünen Tisch abgenommen. Das ist eine lange Geschichte, die dieses Mal nichts zur Sache tut. „Für mich ist das ein großer Moment. Ich gehe dahin, weil ich von meinen Stärken überzeugt bin.“ Während Brähmer noch dies und das sagt, klimpern die Fähnchenstiele in Kings Händen, weil seine Finger reichlich mit riesigen Ringen bestückt sind, wie sie einst Jimi Hendrix trug.

„Wer ist das?“, keift King den Tisch entlang in Richtung Brähmer und antwortet sich selbst: „Jurgen Bräääähmer! Huuuuh ...“

Da muss selbst Jürgen Brähmer lachen, hinter dem ein filmreifes Leben mit Höhen und Tiefen und Gefängnisaufenthalten liegt. Er tippt sich mit der Hand an die Stirn und sagt: „Ich habe wieder Spaß am Boxen.“ Er hat es zwar anders gemeint, aber man glaubt ihm aufs Wort.

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