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Sport: Durchgebissen

Der Leidensweg des Mainzer Stürmers Thurk

In einer kleinen Plastikdose hat Michael Thurk sein ganzes Leid aufbewahrt. Zwei Schneidezähne samt Wurzel liegen wohl behütet darin. Doch es ist nicht so, dass der alte und neue Stürmer von Mainz 05 jeden Tag in diese Dose blickt. Im Gegenteil. „Ich weiß gar nicht mehr, wo sie ist“, sagt der 28-Jährige. Er will vergessen, was am 31. Oktober 2004 passiert ist. Es war ein normales Zweitligaspiel gegen Trier mit einem alltäglichen Zweikampf zwischen ihm und Claus Grzeskowiak. Doch Thurk prallte mit seinem Kinn auf das Knie seines Gegenspielers. Thurk fiel sofort in Ohnmacht und sah erst später, was da passiert war. Er hatte sich den Oberkiefer bis unter die Nase gebrochen, und seine Schneidezähne blieben im Oberschenkel des Gegners stecken.

Den Trierer Kollegen hat Thurk am Abend im Krankenhaus getroffen, doch die Zähne, die er für Thurk dabei hatte, konnten die Ärzte nicht mehr einpflanzen. Erst einmal musste der Oberkiefer ausheilen. Jetzt bekommt er einen Mundschutz, damit er wieder mittrainieren kann. Außerdem schrauben die Ärzte ihm ein Gewinde in den Knochen, und in drei bis vier Monaten bekommt er neue Beißer verpasst. Sein Lachen hat Thurk aber schon wiedergefunden. Denn mit seiner Rückkehr Anfang des Jahres an seine alte Wirkungsstätte beginnt für ihn eine Reise zurück in die Zukunft. Jetzt kann er nicht nur den Tag im Oktober vergessen, sondern unter die Zeit in der Lausitz einen Schlussstrich ziehen. Cottbus und Thurk – eine unglückliche Geschichte. Am 23. Mai 2004 nahm das Drama seinen Lauf. Zweimal war Thurk mit Mainz zuvor am Aufstieg in die Bundesliga gescheitert. Er selbst bescherte sich das dritte Negativerlebnis. Wieder war es Trier. Mit zwei Toren trug Thurk zum 3:0-Erfolg seiner Elf bei. Die stieg auf, er blieb stehen. Durch den Mainzer Sieg musste Cottbus in der zweiten Liga bleiben, bei Energie hatte Thurk schon einen Vertrag unterschrieben. Rotz und Wasser heulte er nach dem Spiel, trotzdem ging er in den Osten der Republik. „Ich wollte dort alles geben, Tore machen und ein Jahr später aufsteigen.“

Gespielt hat Thurk achtmal, dabei drei Tore erzielt. Das war’s. Am Anfang bremste ihn ein Muskelfaserriss, dann brach er sich einen Zeh und sah später auch noch eine Rote Karte. Zu allem Übel bekam er wegen der finanziellen Probleme von Cottbus auch nur noch 70 Prozent seines Gehalts. „Das schlimmste aber war“, sagt er, „mein Heimweh.“ Der gebürtige Frankfurter wurde einsam: „Ich habe gemerkt, dass es nicht so einfach ist, seine Heimat zu verlassen und ganz auf sich allein gestellt zu sein.“ In der Ferne hat er den Weg der Mainzer weiter verfolgt und den Kontakt gehalten. Als im Dezember Christian Heidel, der Manager, Thurk anrief, „um nachzufragen, wie es ihm geht, habe ich gemerkt, dass der Junge nicht glücklich ist und fast Depressionen hat“.

Heidel bot ihm an, zurückzukommen. Und weil Geld auch bei den Mainzern knapp ist, zahlte Thurk selbst 50 000 Euro Ablösegebühr dazu. Seine verspätete Ankunft in der Bundesliga war ihm dieses Geld wert.

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