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Sport: Echte und falsche Schweizer

Favre ist erst der vierte Bundesliga-Trainer aus der Schweiz – Hitzfeld wurde dort fußballerisch sozialisiert

Berlin - Der erfolgreichste Schweizer Trainer in der Bundesliga ist – gar kein Schweizer. Aber Ottmar Hitzfeld wurde lange für einen Schweizer gehalten. Als er 1991 von den Grasshoppers aus Zürich zu Borussia Dortmund kam, wussten viele Deutsche gar nicht, dass Hitzfeld ihr Landsmann ist, obwohl er 1972 bei den Olympischen Spielen in München für die Bundesrepublik gespielt hat. „Es gibt welche, die haben bis heute nicht bemerkt, dass Ottmar kein Schweizer ist“, hat Michael Meier einmal gesagt, der Hitzfeld in der Schweiz entdeckt und nach Dortmund geholt hat.

Hitzfeld ist zwar kein Schweizer, aber fußballerisch ist er in der Schweiz sozialisiert worden, und bevor er nach Dortmund kam, hatte er mit den Grasshoppers zweimal den Meistertitel gewonnen. In Hitzfelds Erfolgen steckt also jede Menge Schweiz. Und trotz allem ist der kleine Nachbar vom deutschen Fußball bisher eher beiläufig zur Kenntnis genommen werden. Der erste Schweizer Trainer in der Bundesliga war – wie Hitzfeld – ebenfalls kein Schweizer: Rolf Fringer kam 1995 aus der Schweiz zum VfB Stuttgart, kehrte 1996 als Nationaltrainer in die Schweiz zurück und hat die meiste Zeit seines Lebens in der Schweiz verbracht; doch Fringer ist in Österreich geboren und besitzt nach wie vor die österreichische Staatsangehörigkeit. Lucien Favre ist damit in knapp 45 Jahren Bundesliga erst der vierte Trainer aus der Schweiz, nach Martin Andermatt, Marcel Koller und Hanspeter Latour.

„Das liegt daran, dass der Schweizer Fußball bis vor zehn Jahren für die Bundesliga nicht interessant war“, sagt Hansruedi Hasler, der Sportdirektor des Schweizer Fußball-Verbands. Weder Spieler noch Trainer. Sinnigerweise änderte sich das mit einem Stürmer, den Ottmar Hitzfeld aus Uerdingen nach Dortmund holte: mit Stéphane Chapuisat. „Er war ein guter Botschafter für den Schweizer Fußball“, sagt Hasler.

Inzwischen spielen etliche Schweizer Nationalspieler in der Bundesliga. Sie gelten als fußballerisch gut ausgebildet, und eigentlich bedarf es keiner übermenschlichen Transferleistung, um zu erkennen, wer dafür verantwortlich sein könnte: Vielleicht die Trainer? „Unsere Trainer sind hervorragend ausgebildet“, sagt Hasler. Sie pflegen untereinander regen Kontakt, sehen sich eher als Kollegen denn als Konkurrenten und helfen sich gegenseitig. Zudem sind alle Trainer dazu verpflichtet, einmal im Jahr an einer Weiterbildung teilzunehmen.

Im Grunde haben die Schweizer Trainer die Zeichen der Moderne viel eher erkannt als viele ihrer deutschen Kollegen. Der De-facto-Schweizer Fringer führte in Stuttgart die Viererkette ein, als Franz Beckenbauer sie noch für Teufelszeug hielt. Nach Fringers Weggang arbeitete Joachim Löw in seinem Sinne weiter. Christian Gross hat beim FC Basel über die Jahre hinweg eine funktionierende Mannschaft aufgebaut und ist zuletzt regelmäßig in der Bundesliga im Gespräch gewesen. Der gute Ruf der Schweizer Trainer korrespondiert jedoch noch nicht mit ihren Erfolgen in Deutschland. „Leider haben sich die ersten Trainer, die die Chance in der Bundesliga hatten, nicht durchgesetzt“, sagt Hasler. „Dummerweise haben sie sich aber auch nicht die Vereine ausgesucht, bei denen die Erfolgswahrscheinlichkeit relativ groß war.“ Alle Schweizer Trainer sind mit ihren deutschen Klubs abgestiegen: Martin Andermatt mit dem SSV Ulm (nachdem er den Verein zuvor in die Bundesliga geführt hatte), Marcel Koller und Hanspeter Latour jeweils mit dem 1. FC Köln.

„Wir müssen verrückt sein, wieder einen Schweizer zu nehmen“, hat Kölns Manager Michael Meier bei Latours Vorstellung im Januar 2006 gesagt. Dessen Landsmann Koller hatte den Verein im November 2003 auf Platz 16 übernommen, am Ende der Saison stieg der FC als Tabellenletzter ab. Der Aufstieg mit dem VfL Bochum und der Klassenerhalt in dieser Saison haben Koller längst rehabilitiert. Und auch in Köln wird inzwischen anerkannt, dass sich der Schweizer bleibende Verdienste um den Verein erworben hat. Kurz nach seinem Amtsantritt holte er einen Stürmer aus der A-Jugend zu den Profis, der bis dahin niemandem aufgefallen war. Sein Name ist Lukas Podolski.

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