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Karl-Heinz Riedle erzielte in der einzigen Bundesliga-Saison von Blau-Weiß 90 zehn Tore, konnte den Abstieg aber nicht verhindern.

© imago/HJS

Ehemaliger Berliner Bundesligist: Blau-Weiß 90 will zurück nach oben

Der ehemalige Bundesligist Blau-Weiß 90 rüstet personell massiv auf. Die Mariendorfer wollen in fünf Jahren in die Regionalliga.

Berliner Meister, Nordostdeutscher Meister, Deutscher Meister – bei den Alten Herren ist Blau-Weiß 90 schon ganz oben. Das wichtigste Team im Verein, die erste Männermannschaft, will da erst noch hin. Michael Meister, Trainer der mit zahlreichen Ex-Profis besetzten Ü 40 und Vorstandsvorsitzender in Personalunion, ist zwar sehr ambitioniert, von der deutschen Meisterschaft redet aber selbst der 56-jährige Unternehmer nicht. In Berlin und in der Region würde der ehemalige Bundesligist aus Mariendorf allerdings gerne wieder eine größere Rolle spielen. „In fünf Jahren wollen wir in der Regionalliga oder – das ist aber die absolute Traumvorstellung – in der Dritten Liga spielen“, sagt Meister.

Die Gegenwart heißt noch Berlin-Liga. Die erste Saison nach der Rückkehr in die höchste Spielklasse der Stadt hat Blau-Weiß am Freitag mit einem 3:2-Sieg bei den Füchsen auf Platz sieben beendet. Dass die Mariendorfer seit Wochen das große Gesprächsthema auf den Berliner Fußballplätzen sind, liegt aber nicht an den Leistungen der Gegenwart, sondern an den Planungen für die Zukunft. Unter dem Titel „Blau-Weiß is back“ hat der Klub seit Anfang Mai bereits zwölf Spieler für die neue Saison verpflichtet.

Das ist in dieser Masse und zu diesem frühen Zeitpunkt schon ungewöhnlich genug, aufsehenerregend sind aber vor allem deren bisherige Vereine. Blau-Weiß wildert nämlich nicht bei der Ligakonkurrenz, sondern langt in der Ober- und Regionalliga ordentlich zu. Allein vier Spieler kommen von Tennis Borussia, zwei von Oberliga-Meister VSG Altglienicke, einer von Viktoria 89.

Beuteschema: jung, talentiert, aber bereits erfahren

Anders als eben jene Altglienicker, die im vergangenen Sommer mit Torsten Mattuschka und Björn Brunnemann zwei Ex-Profis kurz vor dem Ende ihrer Karriere verpflichtet haben, hat Blau-Weiß ein anderes Beuteschema: Jung, talentiert, aber bereits erfahren sollen die Neuzugänge sein. So wie Lukas Rehbein, der mit 23 Jahren schon auf einen Berliner Pokalsieg, zwei DFB-Pokal-Einsätze und einige Saisons im überregionalen Fußball zurückblicken kann. Oder wie Kevin Giese, der schon für die U 23 des 1. FC Union, für Viktoria 89 und TeBe spielte. „Wir wollen Spieler, die uns nicht nur für ein Jahr helfen, sondern mit denen wir langfristig etwas aufbauen können“, sagt Meister.

Jung, aber mit Erfahrung: Lukas Rehbein erfüllt das Anforderungsprofil von Blau-Weiß perfekt. Mit dem BFC Dynamo spielte er in der Regionalliga und im DFB-Pokal, wie hier gegen Stuttgarts Alexandru Maxim.
Jung, aber mit Erfahrung: Lukas Rehbein erfüllt das Anforderungsprofil von Blau-Weiß perfekt. Mit dem BFC Dynamo spielte er in der Regionalliga und im DFB-Pokal, wie hier gegen Stuttgarts Alexandru Maxim.

© picture alliance / dpa

Insgesamt kommen die Neuzugänge auf über 400 Spiele in der Regionalliga. Dass Blau-Weiß damit in der Berlin-Liga der große Favorit ist, ist klar – auch wenn Meister das nicht gerne hört. „Wir wollen natürlich oben mitspielen, wir müssen aber nicht zwingend aufsteigen“, sagt der Vorsitzende. Auch Rani Al-Kassem, Kapitän und Torjäger der Männermannschaft sowie Jugendleiter des Klubs, sieht den Aufstieg nicht als Selbstläufer an, sagt aber auch: „Wir können uns mit dem Kader nicht hinstellen und sagen, wir wollen ins obere Drittel. Da lachen uns die Leute ja aus.“

Gegen die Gerüchte, der Verein habe die neuen Spieler mit horrenden Summen gelockt, wehrt sich Meister. Bei anderen Vereinen hätten die Spieler deutlich mehr verdienen können, sagt er. Die Gründe für die Wechsel seien vielschichtig gewesen. „Mit den Vätern von Tim Lensinger und Kevin Giese habe ich früher selbst zusammengespielt“, sagt Meister, der einst in der Oberliga für Blau-Weiß aktiv war. Den größten Anteil habe aber der Fünf-Jahres-Plan. Viele der Neuzugänge hätten aus beruflichen oder studienbedingten Gründen keine Zeit mehr für den hohen Aufwand in der Ober- und Regionalliga, wollten aber weiter ambitioniert Fußball spielen, sagt Meister. „Wir trainieren dreimal die Woche, das aber in einem relativ professionellen Umfeld.“

Ex-Profi Marco Gebhardt ist Trainer

Neben Cheftrainer Marco Gebhardt, der für Frankfurt, Energie Cottbus, den 1. FC Union und 1860 München mehr als 200 Spiele in der ersten und zweiten Bundesliga absolvierte, stehen mit Goran Markov und Thomas Boden zwei Co-Trainer sowie ein Physiotherapeut bereit. „Von den Strukturen her sind wir schon sehr gut aufgestellt und mit Marco Gebhardt haben wir den besten Trainer im Berliner Amateurfußball“, sagt Meister.

Trainer mit Profi-Vergangenheit: Marco Gebhardt spielte in der Bundesliga unter anderem für Energie Cottbus.
Trainer mit Profi-Vergangenheit: Marco Gebhardt spielte in der Bundesliga unter anderem für Energie Cottbus.

© Tobias Heyer/dpa/picture-alliance

Ohne das entsprechende Geld lassen sich solche Strukturen natürlich nicht aufbauen. In den vergangenen Jahren wurde das Budget kontinuierlich erhöht. Für die kommende Saison plant Meister mit etwa 90 000 bis 100 000 Euro. Eine Hotelkette, die Blau-Weiß schon in der Bundesliga sponserte, ist zwar abgesprungen, der Verein wirtschafte aber solide. „Wir haben eine Investorengruppe aus drei Leuten, darunter ein ehemaliger Nationalspieler“, sagt Meister. Namen nennt er nicht.

Um das Umfeld noch professioneller zu gestalten und auch für Sponsoren sowie Zuschauer attraktiver zu werden, soll es in der kommenden Spielzeit auf dem Sportplatz an der Rathausstraße auch ein VIP-Zelt geben, kündigt Meister an. „Einfach ist das aber alles nicht, denn der Verein musste den Platz im Zuge der Insolvenz ja an die Stadt verkaufen und ohne die Zustimmung des Sportamtes geht gar nichts.“

Erst Bundesliga, dann Insolvenz

Ohne die Altlasten aus den Achtziger und Neunziger Jahren lässt sich die jüngste Entwicklung nicht verstehen. 1984 stieg der Verein erstmals in die Zweite Liga auf und die Mariendorfer entwickelten sich zur Nummer eins in Berlin. Es folgte der Umzug ins Olympiastadion und 1986 der Aufstieg in die Bundesliga. Deutschlandweit bekannt wurde der Klub aber nicht im Stadion, sondern im „Aktuellen Sportstudio“. Angeführt von Schlagersänger Bernhard Brink trällerte die Mannschaft zur Feier des Aufstiegs den Song „Wir sind heiß auf Blau-Weiß“.

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Das Abenteuer Bundesliga dauerte jedoch nur ein Jahr. Zwar schoss der junge Karl-Heinz Riedle zehn Tore, zum Klassenerhalt reichte das aber nicht. Zumal die finanzielle Situation immer schwieriger wurde. Der Verein hatte Schulden in Millionenhöhe, nach einigen Jahren in der Zweiten Liga folgte 1992 der Lizenzentzug und die Insolvenz. Blau-Weiß 90 wurde sogar aus dem Vereinsregister gestrichen.

Ach guck mal an, der Bundestrainer: In der Zweiten Liga spielte Blau-Weiß mit Stürmer Thorsten Schlumberger gegen den Freiburger Joachim Löw.
Ach guck mal an, der Bundestrainer: In der Zweiten Liga spielte Blau-Weiß mit Stürmer Thorsten Schlumberger gegen den Freiburger Joachim Löw.

© Rolf Haid/dpa/picture alliance

Kurz darauf wurde der SV Blau Weiss gegründet, der rechtlich zwar nichts mit dem ehemaligen Bundesligisten zu tun hatte, aber dessen Tradition fortführte. Nach dem Neustart in der untersten Spielklasse kam der Verein nie über die Landesliga hinaus. Vor fast zwei Jahren lief die Sperrfrist für den alten Namen ab und aus dem SV Blau Weiss wurde wieder die Spielvereinigung Blau-Weiß 1890. Seitdem geht es auch sportlich bergauf.

„Blau-Weiß 90 ist immer noch ein großer Name im Berliner Fußball“, sagt Al-Kassem. Mit den vielen hochkarätigen Neuzugängen soll bald auch der Erfolg wieder groß sein. Die Alten Herren haben es letztes Jahr beim Ü-40-Cup des DFB vorgemacht – bester Spieler damals: Marco Gebhardt.

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