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Gipfel in Sichtweite. Im Hinspiel konnten die Dortmunder über einen 2:0-Sieg jubeln, an der Spitze stehen sie immer noch.

© picture alliance / dpa

BVB vor dem Bayern-Spiel: Ein bisschen Palastrevolution

Borussia Dortmund, das sich schon einmal auf Augenhöhe mit dem FC Bayern München wähnte, tritt heute zum Gipfel im Süden an – für den jungen Spitzenreiter ist es eine Reifeprüfung

Die Vorbereitung auf den Fußball-Gipfel in München begann für die Belegschaft von Borussia Dortmund bereits am vergangenen Samstag um kurz vor halb sechs: Als die Profis in Schwarz-Gelb nach dem Sieg gegen St. Pauli zu ihren Fans trabten, um sich für die Unterstützung zu bedanken, schallte ihnen aus der Südkurve der größte Evergreen entgegen, den die Bundesliga zu bieten hat: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus.“

Ein klarer Auftrag. Vor dem Duell mit dem Global Player aus dem Süden befindet sich Dortmund in einer Art Taumel. Die Menschen aus der größten Stadt im Ruhrgebiet fiebern dem Spitzenspiel heute in München (18.30 Uhr, live bei Sky) entgegen, und auch Jürgen Klopp mag ein gewisses Kribbeln nicht leugnen. Der Dortmunder Trainer spricht von einem „wahnsinnig reizvollen Spiel“, schließlich sei es nicht alltäglich, wenn „die erfolgreichste Mannschaft der gefühlten letzten hundert Jahre gegen die mit den meisten Punkten spielt“.

Solche Aussagen sind allerdings schon das Emotionalste, was aus dem Lager des souveränen Spitzenreiters der Bundesliga zu vernehmen ist. Beim BVB bemühen sie sich redlich, die Tugenden zu beherzigen, die sie in dieser bislang so überaus erfolgreichen Saison auf und abseits des Rasens in Perfektion vorgeführt haben: den Ball flach halten und sich niemals verzetteln.

Für BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist die Begegnung beim Rekordmeister „eines von elf Spielen, die wir in dieser Saison noch zu bestreiten haben. Auch wenn die vielleicht besten Mannschaften der Bundesliga aufeinandertreffen, gibt es nur drei Punkte zu vergeben.“

Wenn Dortmunds Sanierer mit der öffentlichen Meinung konfrontiert wird, bei einem Dortmunder Sieg werde im deutschen Fußball eine Zeitenwende eingeleitet, zieht er die Stirn in Falten und hebt beschwörend die Hände. „Der FC Bayern ist auf Jahre und Jahrzehnte die Nummer eins in Deutschland und wird es auch bleiben.“ Um diese Überzeugung zu belegen, bemüht der Geschäftsmann aus dem ostwestfälischen Marsberg eine einfache Rechnung: „Die machen 350 Millionen Euro Umsatz, wir ein Drittel davon.“ Auch deshalb könne von einer „Wachablösung überhaupt keine Rede sein“.

Die Vorsicht bei den Machern des BVB ist in jedem Satz spürbar. Sie sind gebrannte Kinder, seit der ehemalige Präsident Gerd Niebaum Mitte der Achtzigerjahre ankündigte, den Branchenführer abhängen zu wollen, und sich dabei wirtschaftlich dermaßen verhob, dass der Traditionsklub am Rande des Ruins taumelte. Die jüngere Geschichte macht Watzke „ein Stück weit demütig“. Was jedoch nicht bedeutet, „dass wir ohne Ambitionen sind“.

Zumindest ist es eine Reifeprüfung. Borussia Dortmund ist das spannendste Projekt, das die Bundesliga zu bieten hat.

Diese Horde junger, hungriger und hoch veranlagter Spieler hat die Etablierten bislang weit hinter sich gelassen. Die Ausrichtung der Bayern und der Dortmunder lässt sich exemplarisch an den Personen der Trainer festmachen. Zumindest glaubt das Jürgen Klopp. Die Unterschiede zwischen Bayern-Coach Louis van Gaal und ihm seien vergleichbar mit denen zwischen den von ihnen geführten Mannschaften: „Auf der einen Seite sehr erfahren und erfolgreich, auf der anderen Seite die große Lust, scheinbar natürlich gesetzte Grenzen nicht auf ewig zu akzeptieren.“

Das klingt zumindest ein bisschen nach Palastrevolution. Doch in einem Klub, in dem das Wort Meisterschaft trotz komfortabler Führung auf dem Index steht, werden sie einen Teufel tun, die dauerhafte Verschiebung der Kräfte zu propagieren. Generell, so Klopp, „müssen wir uns nicht mit Bayern München messen – nur in diesem einen Spiel“.

Viel mehr als alle Perspektiven interessiert die Dortmunder das Hier und Jetzt. Und das hielt in dieser Woche die Verletzung von Stammkeeper Roman Weidenfeller parat. Der Kapitän zog sich bei einem Zusammenprall mit Verteidiger Mats Hummels eine Innenbanddehnung im linken Knie sowie einen Kapseleinriss zu. Für das Spiel gegen die Bayern wird Weidenfeller, der in 23 Spielen erst 13 Tore kassierte, definitiv ausfallen, wie der BVB am Freitagabend bestätigte.

Für ihn steht der Australier Mitchell Langerak zwischen den Pfosten. Der 22-Jährige hat in der Bundesliga noch nicht eine Minute gespielt – und doch hält Klopp das Risiko für überschaubar: „Er hat in Australien bewiesen, dass er mit viel Druck super souverän umgehen kann.“ Dennoch wäre es dem Trainer natürlich wesentlich lieber gewesen, wenn er auf seine bewährte Nummer eins hätte zurückgreifen können. Doch Klopp wäre nicht Klopp, wenn er nicht auch für diese Situation den passenden lockeren Spruch hätte. Der lautet: „Welcome Mitch.“

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