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Sport: Ein bisschen Spaß muss sein

Was darf sich ein Fußballl-Profi ungestraft erlauben? Christian Fährmann lässt es vor Gericht klären

Berlin. Christian Fährmann fühlte sich krank, soweit ist alles klar. Alles Weitere klingt nach Chaos. Ging Fährmann, zu dem Zeitpunkt Profi beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Union Berlin, zu Vereinsarzt Torsten Dolla, um sich krank schreiben zu lassen, wie es in seinem Vertrag vorgeschrieben war? „Ja“, sagt Fährmann, „ich war nur bei Dolla, bei keinem anderen Arzt.“ Damit sei Union über seinen Ausfall informiert gewesen. Nein, Fährmann war nicht beim Vereinsarzt, sagt Unions Pressesprecher Lars Töffling, der Profi war bei einem anderen Arzt, das sei ein Vertragsverstoß, außerdem sei seine Krankschreibung zu spät gekommen.

Ja, was denn nun? Eigentlich ist die Antwort einfach. Union hätte nur bei Dolla nachfragen müssen. Dolla schweigt öffentlich, und die Wahrheit liegt nach Tagesspiegel-Informationen wohl dazwischen. Fest steht, dass Dolla Fährmann krank geschrieben hat. Ob Fährmann danach noch bei einem anderen Arzt war, ist unklar. Ziemlich sicher ist dagegen, dass Fährmann erst drei Tage nach seiner Verletzung bei Dolla auftauchte. Das wäre ein klarer Vertragsverstoß.

Auf jeden Fall bestrafte Union den Profi im April 2002 mit 3000 Euro. Damit hätte das Ganze still enden können. Stattdessen wird jetzt die Personalie Fährmann zu einem Fall, der für den deutschen Fußball enorme Auswirkungen haben könnte. Denn Fährmann, jetzt beim Oberligisten Tennis Borussia aktiv, zog am 29. April 2003 mit Hilfe der Vereinigung der Vertragsfußballer (vdv), der Organisation der Profikicker, vors Arbeitsgericht Berlin. Zu klären sind zwei Fragen: Darf ein Verein für bestimmte Dinge überhaupt Strafen verhängen? Und: Welche Strafe ist bei unstrittigen Vertragsverstößen angemessen? Am 20. Juni ist der Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin, ein späteres Urteil könnte Grundsatzcharakter haben.

So ein Musterprozess hätte ja schon früher stattfinden können. Doch bislang wurden Vertragsstrafen halt hingenommen wie Wind und Wetter. Für Frank Rybak, den Anwalt der vdv, sind zumindest zwei Punkte geklärt: Ein Spieler habe freie Arztwahl, er dürfe nicht zwangsweise zu einem Vereinsarzt beordert werden. Und: Wer eine Krankmeldung zu spät einreiche, sollte gar nicht bestraft werden dürfen. „So etwas ist ein Bagatellvergehen“, sagt Rybak. Und Bagatellvergehen, juristisch: Nebenpflichtenverstöße, sollten seiner Ansicht nach überhaupt nicht bestraft werden dürfen. Nur, was sind Bagatellverstöße? „Alles, was in den Privatbereich eines Spielers fällt“, sagt Rybak. Zieht ein Profi vier Tage vor einem Spiel, um die Häuser – Privatsache. Gibt ein Profi wie Stefan Effenberg in einer Disco einer Frau eine Ohrfeige – Privatsache. Fordert ein Mann wie Michael Ballack, er wolle offensiver spielen – nicht strafwürdig. Bayern München freilich belegte Ballack mit einer Geldstrafe. „Bis jetzt stehen die Spieler rund um die Uhr unter Kontrolle, das geht nicht“, sagt Rybak.

Eigentlich sollten Rechte und Pflichten im Vertrag dokumentiert sein. „Aber der Mustervertrag für Fußball-Profis ist viel zu schwammig formuliert“, sagt der vdv-Jurist Rybak. Ein Profi muss sich laut Paragraph 2, Absatz h „in der Öffentlichkeit und privat so verhalten, dass das Ansehen des Clubs (...) nicht beeinträchtigt wird.“ Absatz i lautet: Ein Profi „muss sich auf alle Veranstaltungen des Clubs gewissenhaft vorbereiten“. Nur, was heißt das, gewissenhaft? „Wir wollen natürlich nicht, dass die Spieler Schindluder treiben“, sagt Rybak. Aber ein nächtlicher Ausflug lange vor dem Spiel, das müsse wohl erlaubt sein. „Am Tag vor dem Spiel um 22 Uhr zu Hause, das wäre angemessen“, sagt Rybak. Und eine gewisse Zeit vor dem Einsatz kein Alkohol, so eine Forderung würde Rybak auch abnicken. Aber mehr nicht.

Klare Verstöße müssen dagegen bestraft werden, das sagt auch Rybak. Schwänzen des Trainings oder eines PR-Termins des Vereins, solche Sachen. Aber die Strafe müssedann in angemessenem Verhältnis zum Vergehen stehen. Wer einen Trainingstag schwänzt, soll 1/30 seines Monatslohns bezahlen, das hält Rybak für angemessen. Tausende Euro hält er nicht für angemessen. Und 15 000 Euro für Bastian Schweinsteiger gleich gar nicht. Der Bayern-Profi war zwei Tage vor einem Spiel um 3 Uhr 30 in einer Discothek.

Am 20. Juni treffen sich Fährmann und Union vor Gericht. Gütetermin, eine Chance zur gütlichen Einigung. Aber für Rybak gibt’s da nichts zu einigen. „Union soll die 3000 Euro zurückzahlen. Ganz einfach.“

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