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© Ottmar Winter

Hertha BSC: Ein großes schwarzes Loch

Hertha BSC fehlt offensives Personal, da kommen Lucio und Chermiti genau zum rechten Zeitpunkt. Beide fehlten lange wegen Knieverletzungen - Lucio fast 16 Monate, Chermiti seit dem Sommer.

Berlin - Grün ist nicht gleich Grün, erst recht nicht, wenn vorher jede Menge Weiß da war. Mit Schaufeln und Besen und viel gutem Willen hat ein Räumkommando den Schenckendorffplatz tatsächlich vom Schnee befreit und fit gemacht – für den 3:1 (1:1)-Sieg einer besseren Reservemannschaft von Hertha BSC gegen Flota Swinemünde, mehr noch aber für die Aussaat der Frühjahrskartoffeln.

Lucio verletzte sich, Hertha stürzte auf Platz zehn

Ein guter Fußballplatz fühlt sich anders an. Lucio Carlos Cajueiro Souza bekommt es schon nach ein paar Minuten zu spüren. Wie eine Flipperkugel springt ihm der Ball vom Fuß. Abhaken und vergessen, der Brasilianer schüttelt den Kopf, er hat schon Schlimmeres erlebt. Für Lucio ist das Spiel gegen den polnischen Zweitligisten ein ganz besonderes. Zum ersten Mal seit dem 28. September 2007 steht er in der Startelf. 65 Minuten lang plagt er sich mit Unebenheiten im Rasen und eher physisch versierten Gegnern herum, dann ist Schluss und Zeit für ein erstes Fazit: „Immerhin keine Verletzung“, sagt Lucio.

Es ist bald 16 Monate her, als im Bundesligaspiel bei Schalke 04 in Lucios rechtem Knie so ziemlich alles kaputt ging, was kaputt gehen kann. Bis dahin war er auf der linken Seite das belebende Element im Berliner Spiel, Hertha fehlten zwei Punkte zu Platz zwei. Dass es am Ende der Saison nur zu Platz zehn reichte, lasteten die Berliner auch dem Verzicht auf den schmächtigen Dribbler aus Brasilien an. 

Der Brasilianer  ist der spektakulärse Rückrunden-Neuzugang

Mangels finanzieller Möglichkeiten ist Rekonvaleszent Lucio der spektakulärste Neuzugang, den Hertha zur Rückrunde aufbietet. Es ist dies ein günstiger Zeitpunkt für ein Comeback, denn das Berliner Mittelfeld kommt zu Beginn des neuen Jahres in der Gestalt eines großen schwarzen Lochs daher. Gojko Kacar, Pal Dardai, Patrick Ebert und Cicero plagen sich mit Verletzungen herum. Lucien Favre freut sich über jede Alternative, aber im Fall Lucio mag er noch nicht so recht daran glauben. Die Zurückhaltung in den Zweikämpfen, die Probleme in der Balleroberung, das längst nicht perfekte Timing – all das ist Herthas Trainer nicht entgangen. Der Fußballspieler Lucien Favre erlitt vor 22 Jahren eine ähnlich schwere Verletzung, die ihn beinahe zur Beendigung seiner Karriere gezwungen hätte. „Wenn du so lange weg warst, brauchst du viel Geduld“, sagt Favre.

Chermiti ist verspielt und bissig zugleich

Geduld ist ein Begriff, mit dem Amine Chermiti wenig anfangen kann. Der tunesische Stürmer hüpft gegen Swinemünde wie ein junger Hund über den Platz, verspielt und bissig zugleich. „Sehr einsatzfreudig, das gefällt mir“, sagt Favre, „aber manchmal war er sehr dicht am Limit, da muss er in der Bundesliga aufpassen.“

Chermiti aber brennt vor Ehrgeiz. Die im vergangenen August erlittene Knieverletzung ist auskuriert, im ersten Test des neuen Jahres schießt er schon nach fünf Minuten sein erstes Tor für Hertha. Swinemünde schafft durch Dziuba den Ausgleich. Geschenkt, niemand nimmt das Spiel so recht ernst, nur Chermiti rennt und grätscht und gestikuliert, als gäbe es kein Morgen. Einmal springt er an der Seitenlinie über ein polnisches Bein, reißt einen Fotografen mit und stürzt kopfüber in den Schnee, direkt neben Herthas Präsident Werner Gegenbauer, der entsetzt aufschreit, aber Chermiti zwinkert seinem Chef nur kurz zu und rennt zurück auf den Platz.

An den zwei Toren in der Schlussphase ist der Tunesier nur als Zuschauer beteiligt. Das erste gelingt Raffael mit einem abgefälschten Freistoß, das zweite dem Junioren-Nationalspieler Sascha Bigalke. Dann ist Schluss. Amine Chermiti schüttelt die obligatorischen Schulterklopfer ab, sein Kollege Lucio sitzt längst schon in der Kabine, wahrscheinlich auf dem Ergometer, arbeitend für das Comeback. Noch drei Wochen bis zum ersten Bundesligaspiel gegen Frankfurt .

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