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Sport: Ein neuer Ton

Herthas Wandel zeigt sich im Umgang mit Pantelics verschossenem Elfmeter nach dem Sieg in Bochum

Die Anforderungen an einen Fußballtrainer sind im Laufe der Jahre immer umfangreicher geworden: Dass er vom Fußball Ahnung haben muss, versteht sich von selbst, Kumpeltyp sollte er sein und Autoritätsperson, außerdem Grundkenntnisse in vielerlei Disziplinen von der Ernährungswissenschaft bis zur Sportmedizin besitzen – und dazu ein unideologisches Verhältnis zur Wahrheit. Als Karsten Heine, der Trainer von Hertha BSC, nach dem 3:1-Sieg beim VfL Bochum zu dem von Marko Pantelic verschossenen Foulelfmeter befragt wurde, antwortete er: „Ich kann natürlich auch sagen, dass der Bochumer Torhüter ihn sehr gut gehalten hat.“ Offensichtlicher kann man kaum lügen, denn Pantelic hatte den Ball genau so geschossen, wie ihn Torhüter lieben: halbhoch ins Eck.

Der Fehlversuch beim Stand von 0:1 passte so wunderbar in die alte Zeit, die Hertha mit dem Trainerwechsel von Falko Götz zu Karsten Heine bewältigt zu haben glaubte. Schon in der ersten Minute war die Mannschaft in Bochum in Rückstand geraten, nach etwas mehr als einer halben Stunde verschluderte Pantelic vom Elfmeterpunkt die große Chance zum Ausgleich. „Das war eine Prüfung“, sagte Mittelfeldspieler Pal Dardai. Und Hertha, zuletzt von kollektiver Prüfungsangst befallen, hat sie bestanden.

Der verschossene Elfmeter gemahnte die Berliner aber auch, dass sich nicht alle Altlasten der zuletzt bleiernen Zeit mit einem Handstreich beseitigen lassen. Heine hat der Mannschaft als Ganzes das Gefühl für die eigene Stärke zurückgebracht, bei einigen Spielern aber, vor allem bei Marko Pantelic, ist dieser Prozess noch nicht zu Ende. „Er hat es sich selbst zuzuschreiben, dass er aus dem Rhythmus gekommen ist“, sagte Manager Dieter Hoeneß. Demnach kann sich Pantelic auch nur selbst aus seiner Misere befreien, doch Heine wird dem Serben dabei jegliche Unterstützung zukommen lassen. Schon aus eigenem Interesse. Der Stürmer hat in der Vorrunde zehn Tore erzielt. „Da müssen wir alle ihn wieder hinbekommen“, sagte Karsten Heine.

Dass Pantelic überhaupt den Elfmeter schießen durfte, war schon ein erster Versuch. „Es war die Chance, bei ihm den Knoten platzen zu lassen“, sagte Hoeneß. „Wenn er das Tor macht, flutscht es vielleicht wieder.“ Im Nachhinein aber wirkte Pantelics Fehlschuss wie die logische Fortsetzung seiner Krise. Seit Ende Januar hat er nicht mehr getroffen, 825 Spielminuten ist er nun bereits ohne Tor. „Vielleicht sollte man keinen Elfmeter schießen, wenn man keinen Lauf hat“, sagte der Serbe. „Und ich habe im Moment keinen Lauf.“

Heine ahnte wohl, dass es nicht gutgehen würde. Dass er trotzdem nicht intervenierend eingriff, hat auch etwas mit seiner eigenen Geschichte als Fußballer zu tun. Er musste einmal auf Geheiß seines Trainers einen Elfmeter schießen, den er gar nicht schießen wollte – und natürlich scheiterte er. „Wer sich sicher fühlt, soll sich den Ball nehmen“, sagte Heine. „Wir legen alle Standardsituationen fest, außer Elfmeter.“ Es verrät einiges über die Arbeitsweise des Trainers Heine. Er versucht, den Spielern so viele Handlungsanweisungen wie nötig zu geben: weil ihnen das in ihrer Verunsicherung eine wichtige Hilfe ist. Andererseits lässt er ihnen aber auch so viel Freiheit wie möglich, damit die Mannschaft ihre grundsätzliche fußballerische Qualität zur Geltung bringen kann.

Gerade mal fünf Trainingseinheiten hatte Heine, um die Mannschaft auf das Spiel in Bochum vorzubereiten. Es ging ihm darum, die Lockerheit zurückzubringen, „die einfachen, grundlegenden Dinge“ wieder neu einzuüben, die Laufwege, die Raumaufteilung, das Verschieben, den Spielaufbau – und darum, den Stürmern im Training die kleinen Erfolgserlebnisse zu verschaffen, die sie brauchen. Der neue Grundton innerhalb der Mannschaft zeigte sich auch an der Reaktion der Kollegen auf Pantelics verschossenen Elfmeter. „Wir haben ihm gesagt: Mach weiter! Wir stehen hinter dir“, sagte Pal Dardai.

Heine registrierte an der Seitenlinie, wie sehr sich Pantelic über sein Vergehen ärgerte, „das hat man ihm auch angemerkt“, genauso registrierte er, dass der Stürmer „mit einer ordentlichen Körpersprache“ aus der Kabine zurück auf den Platz ging. Eine knappe Viertelstunde später bereitete der Serbe Herthas Ausgleich durch Christian Gimenez vor. „Das hat ihm immerhin ein bisschen Selbstvertrauen gegeben“, sagte Heine. Nicht genug, um sich sofort wieder vom Elfmeterpunkt zu versuchen. „Gegen Dortmund werde ich in den ersten zehn Minuten wohl keinen Elfmeter schießen.“

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