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Wechselspiel. Weil Franz Beckenbauer (links) keine Lust mehr hat auf die Fifa-Exekutive, gibt jetzt Theo Zwanziger den internationalen Fußball–Staatsmann.

© dpa

Fifa und Uefa: Ein Stuhl am Rand für Theo Zwanziger

Theo Zwanziger vertritt nun statt Franz Beckenbauer den deutschen Fußball in der Welt – und muss sich erst Sporen verdienen. Auf dem internationalem Parkett der Sportpolitik ist er noch ein Außenseiter.

Wie oft hat sich Franz Beckenbauer schon so gesehen? Auf der Videoleinwand im Grand Palais in Paris läuft gerade ein Film, der sein unglaubliches Leben in bunten Bildern zeigt: Beckenbauer als Spieler, wie er Weltmeister wird. Beckenbauer als Trainer, wie er Weltmeister wird. Beckenbauer als WM-Organisator, wie er Weltmeister wird. Nun hebt der Applaus an, Beckenbauer steht auf und spiegelt sich wieder einmal im Glanz seines eigenen Ichs. Dann hebt der 65-Jährige zu einer Dankesrede an den Fußball an, die in dem Satz gipfelt: „Ich habe mich gegen den Fußball und für die Familie entschieden.“

Strahlend wie immer lässt er seinen letzten großen Posten in der Fußball-Funktionärswelt auf der Bühne liegen. Der Kongress des europäischen Verbandes Uefa umspült ihn noch einmal mit Ovationen, aber die scheinen an Beckenbauer abzutropfen wie alles andere. „Irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem man sagt: Es reicht.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Deutschlands größter Fußballstar in die Rente.

Wie oft hat sich Theo Zwanziger schon so gesehen? Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sitzt auf dem Kongresspodium von Paris, aber sein Namensschild steht ganz außen am Rand. In Deutschland ist es der Jurist aus dem Westerwald inzwischen gewohnt, aus der Mitte heraus zu agieren – auf internationalem Parkett der Sportpolitik ist er noch ein Außenseiter. Immerhin, nach zwei Jahren in der Exekutive der Uefa wird er nun auch in die Exekutive des Weltverbandes Fifa einziehen, die unheimliche Zentrale der Macht des Fußballs. Die europäischen Delegierten in Paris nominieren ihn ohne Gegenkandidaten und Gegenstimme als Nachfolger Beckenbauers – im DFB freut man sich über diesen „respektvollen Umgang mit Deutschland“, wie ein hoher Funktionär zufrieden feststellt. Andererseits ist Zwanziger ebenfalls 65 Jahre alt – und muss sich international doch erst seine Sporen verdienen. „Ich möchte zuhören, lesen und mit den anderen Mitgliedern vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagt Zwanziger. Die Rente scheint für ihn noch weit.

Der deutsche Fußball setzt derzeit auf dem Rasen durchaus Maßstäbe, zumindest mit der jungen feurigen Nationalmannschaft. In der Funktionärswelt, in der die Regeln für das Spiel gemacht, Spieltermine ausgekungelt sowie wichtige Fernsehrechte und Turniere vergeben werden, in dieser Welt fängt Deutschland nun in gewisser Weise neu an. Zwar dürfte sich nach der rauschenden WM 2006 in diesem Sommer eine perfekt organisierte Frauen-WM im eigenen Land anschließen – ein Spielfeld, bei dem Zwanziger erhebliche Entwicklungserfolge vorweisen kann.

Danach aber könnte anstrengende Detailarbeit in den Untiefen des Regelwerks und beim Kampf gegen den Wettbetrug die Nerven der Fußballgremiensitzer strapazieren. Zudem stehen eine schwer kalkulierbare Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine an sowie die nicht weniger herausfordernde WM 2018 in Russland und das wahnwitzige Turnier 2022 in Katar. Nach der umstrittenen Doppelvergabe der letzten beiden Turniere hat insbesondere die Fifa ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Auch Zwanziger fordert mehr Transparenz. „Die Fifa braucht mehr Akzeptanz ihrer Entscheidungen“, sagt der neue Fifa-Funktionär. Den mit genau diesem Schlagwort um den Verbandsvorsitz kämpfenden Katarer Mohammed Bin Hammam will Zwanziger damit allerdings nicht unterstützt sehen, schließlich wolle er zuvorderst „europäische Interessen wahrnehmen“. Vor der Kampfabstimmung am 1. Juni ist das ein deutlicher Fingerzeig auf den bereits seit 1998 amtierenden Joseph Blatter, der erst in vier Jahren aufhören mag und dessen Ziehsohn der in seiner Heimatstadt Paris wiedergewählte Uefa-Präsident Michel Platini ist.

Im schlechtesten Fall setzt Deutschland aus Dankbarkeit erneut auf einen Auslaufkandidaten. Vor vier Jahren nämlich hatte Zwanziger bei der Wahl zum Uefa-Chef noch Platinis unterlegenen Herausforderer, den Schweden Lennart Johansson, unterstützt. Das hatte manch sportpolitische Zerrüttung im deutsch-französischen Verhältnis nach sich gezogen. Nun, da man sich wieder versöhnt hat und Zwanziger Stimmen für Europa zu sammeln hat, geht es um die Zukunft von Europas Fußballchef Platini in der Fifa. Und die ist durch den heraufziehenden Machtkampf so offen wie Theo Zwanzigers Renteneintritt.

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