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Sport: Einstieg in den Ausstieg

Lance Armstrong will zum sechsten Mal die Tour de France gewinnen – doch vieles spricht dagegen

Das Filmchen geht ans Herz. Der Radfahrer rauscht durch Nebel und Wald, durch Tunnel und Städte, durch Sonne und Regen. Ungerührt von Äußerlichkeiten, konzentriert, schnell. Nur ganz am Ende kämpft sich jemand auf einem kleinen Drahtesel heran, der Teddybär hängt von der Lenkstange. Das Vorderrad stößt nach vorne, bis es schließlich kurz das Hinterrad des Profis berührt. Lance Armstrong dreht sich für eine Sekunde um, fixiert seinen Verfolger – und zieht mit einem Lächeln davon.

Wenn der Mann, der sich anschickt, die Tour de France als erster Fahrer ein sechstes Mal zu gewinnen, auf amerikanischen Fernsehschirmen erscheint, dann meist in diesem Werbespot seines Noch-Sponsors US Postal Service. Es geht um das uralte Thema, wie der Wille Berge versetzen kann, wie ein kleiner Junge für Sekunden den großen Traum des Lance Armstrong träumt und ihm vielleicht danach für viele Jahre nacheifert. Die Amerikaner lieben solche gefühligen Stücke – aber für Radsport interessieren sie sich deshalb noch lange nicht.

Wie üblich wird die Tour de France nur auf dem Spartensender „Outdoor Life Network“ übertragen, auf dem sich sonst Fliegenfischer und Elch-Jäger um die Sendeplätze streiten. Da geht es Armstrong nicht besser als der Sprint-Olympiasiegerin Marion Jones, die immer nur dann für die amerikanische Öffentlichkeit interessant wird, wenn gerade wieder ein großer Wettkampf ansteht. Im Augenblick tauchen beide allerdings häufiger im Zusammenhang mit einem anderen Thema auf: Doping. Über Jahrzehnte interessierte in den USA niemand, was die Sportstars so alles einnahmen, um am Ende ganz vorne zu sein. Das hat sich komplett geändert.

Nach dem Skandal um das kalifornische Chemielabor Balco stehen plötzlich alle Sportler unter Generalverdacht. Mit Vehemenz wehrt sich Armstrong gegen Dopingvorwürfe aus dem Buch „L.A. Confidential“ der Journalisten Pierre Ballester und David Walsh. Einen ersten Prozess hat Armstrong bereits verloren. Armstrong bestreitet die Verwendung des Blutdopingmittels Epo und hatte gefordert, dass dies in dem Buch abgedruckt werden müsse. Und das war nicht die einzige Ablenkung im Leben des sonst so auf seinen Beruf fixierten Texaners.

Weil er nach der Scheidung von seiner Frau Kristin so viel Zeit wie möglich mit seinen drei Kindern verbringen wollte, warf Armstrong seinen Trainingsplan komplett um. Statt wie sonst akribisch die entscheidenden Tour-Etappen abzufahren und sich in den Alpen und in den Pyrenäen zu quälen, trainierte er im flachen Texas. Zudem tauchte er öfter in den Klatschspalten als auf den Sportseiten auf, seit seine Beziehung mit der Popsängerin Sheryl Crow bekannt wurde. Schließlich verbrachte er Monate damit, einen neuen Sponsor zu suchen, weil die amerikanische Post ihr kostspieliges Engagement nicht verlängert.

Neuer Partner wird von 2005 an der „Discovery Channel“, ein Fernsehkanal für die Freunde der Naturwunder. Armstrong musste versprechen, mindestens noch ein weiteres Jahr aufs Rad zu steigen, insgesamt läuft der Vertrag über drei. Im Gegenzug sicherten die Fernsehbosse Armstrong den Einstieg in eine TV-Karriere zu – der endgültige Abschied vom Leben im Rennsattel ist für den 32-Jährigen also vorgezeichnet.

Vom jüngsten Cover des Magazins „Sports Illustrated“ starrt Armstrong noch einmal seine potenziellen Gegner mit zugekniffenen Augen entschlossen an. „Bring It On“ titelt die Zeitschrift dazu. Das heißt so viel wie: „Nur her damit“. Doch selbst Hausautor S.L. Price ist keineswegs davon überzeugt, dass Armstrong die Tour zum sechsten Mal hintereinander gewinnen wird. Bei seinem Einbruch im Bergzeitfahren auf der Rundfahrt Dauphiné Libéré vor knapp drei Wochen habe Armstrong vor allem eines gezeigt: Alter.

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