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Sport: Eishockey: Der Holzhackerbube

Tatort Eisstadion Frankfurt, vergangener Sonntag: Die Capitals haben 2:3 nach Penaltyschießen verloren, ihr wutschnaubender Torhüter wird im Kabinengang von einer Kamera verfolgt. Eine gute Idee, denn es folgt ein medienwirksamer Auftritt des Andrej Mezin.

Tatort Eisstadion Frankfurt, vergangener Sonntag: Die Capitals haben 2:3 nach Penaltyschießen verloren, ihr wutschnaubender Torhüter wird im Kabinengang von einer Kamera verfolgt. Eine gute Idee, denn es folgt ein medienwirksamer Auftritt des Andrej Mezin. Die Kabinentür ist kaum offen, da versucht sich Mezin schon als lustiger Holzhackerbube. Er zertritt den Schläger und pfeffert ihn in die Ecke. "Der Frust musste raus, für einen Moment habe ich die Kontrolle verloren", sagt Mezin, "aber die Aktion ist mir schon peinlich, schließlich lief das dann im Fernsehen. Ich hätte lieber Zuhause mit einen lauten Schrei meine Nachbarn erschrecken sollen."

Zuletzt hatte Mezins Anwohnerschaft selten Grund, über Ruhestörung zu klagen. Denn Niederlagen sind für die Capitals in dieser Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) die Ausnahme. Auch wenn es am Freitag beim 1:4 in Essen ungünstig lief, die Berliner treten heute als Favorit gegen die Hannover Scorpions an (15 Uhr, Eissporthalle Jafféstraße). Und auch wenn Trainer Michael Komma nicht müde wird, den Erfolg des Tabellenführers als Produkt solider Mannschaftsleistung zu verkaufen: Der Star der Berliner steht im Tor, Mezin gilt in der DEL als der beste seines Fachs. Die Capitals wissen das, haben sich bis 2004 die Dienste des 26-Jährigen gesichert.

Heute ist der Torhüter für viele Stürmer ein unüberwindbares Hindernis, früher war Mezin manche Hürde zu hoch. Zum weißrussischen Nationalspieler wurde der gebürtige Russe im Schongang. Den weißrussischen Pass hat er während des Militärdienstes in Minsk erhalten. "So kam ich dort in die Juniorenauswahl, in Russland wäre das schwerer gewesen", erzählt er. Bereits als 19-Jähriger zog er dann weiter nach Nordamerika. Von der großen Eishockeywelt bekam er nichts mit - der Trip nach Übersee war der Startschuss zu einer fünfjährigen Odyssee. Herumgereicht wurde er zwischen sieben unterklassigen Klubs, die Profiliga NHL lernte Mezin nicht kennen. Einmal musste er in Amerika sogar als Stürmer auflaufen. Erst die Rückkehr nach Europa brachte den Durchbruch, mit Nürnberg wurde er 1998 Vizemeister, mit den Capitals kam Mezin in der Vorsaison ins Halbfinale. "Man kann nur etwas erreichen, wenn man sich wohlfühlt", sagt Mezin. Und das ist in Berlin der Fall.

Das Klischee vom Sportler aus dem Osten, der im Westen ans große Geld möchte, greift bei Mezin nicht. Seine Mutter ist in Tscheljabinsk eine erfolgreiche Modedesignerin, mit Expansionsabsichten. "Sie kennt hier in Deutschland einige Leute, vielleicht macht sie bald sogar irgendetwas in Berlin." Dann könnte der Filius seine Telefonrechnung reduzieren. "Nach jedem Spiel warten meine Eltern auf meinen Anruf. Die sind unwahrscheinlich stolz auf mich." Mezin ist trotz des Erfolges bescheiden geblieben, der beste Torwart der Liga existiert seiner Meinung nach gar nicht. "In der DEL gibt es keine schlechten Torhüter." Und wenn er dann doch wieder - wie schon im Vorjahr - als bester Torhüter geehrt werden sollte? "Na gut", lacht Andrej Mezin, "dann freuen sich meine Eltern."

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