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Claudia Pechstein.

© dapd

Eisschnelllauf-WM: Claudia Pechstein: Zurück mit Bronze

Bronze rührt zu Tränen: Claudia Pechstein wird bei ihrem WM-Comeback Dritte über 5000 Meter und feiert ihre "schönste Medaille".

Die rechte Hand von Claudia Pechstein lag auf einem riesigen Handschuh. Mit dem hatte sie zum Publikum gewinkt, jetzt stand er vor ihr auf dem Boden. Der Handschuh war nur aus Schaumgummi, aber eine Sekunde sah es so aus, als brauchte sie ihn zum Abstützen. Das war der Moment, als ihr Tränen in die Augen schossen und sie sagte: „Ich fang schon wieder an zu heulen.“

Später war sie immer noch dem Schluchzen nahe, ergriffen stand sie in dem engen Tunnel, der den Innenraum der Inzeller Eishalle mit den Umkleidekabinen verbindet. „Das ist die schönste Bronzemedaille, die ich je erreicht habe“, sagte Claudia Pechstein bewegt.

Die Momente, in denen ihr die Tränen reihenweise über die Wangen liefen, waren gerade eine Viertelstunde vergangen. Erst sprang sie ihrem Trainer Joachim Franke in die Arme, dann ihrem Freund, dann genoss die 39-Jährige ein paar Sekunden still für sich. Claudia Pechstein, fünfmalige Olympiasiegerin, sechsmalige Weltmeisterin, hatte Bronze bei der WM in Inzell über 5000 Meter gewonnen. Die symbolträchtigste, emotionsbeladenste Medaille ihrer Karriere. Alle Gefühle gebündelt in einem Wort aus ihrem Mund: „Wahnsinn.“

Sie war auch Stephanie Beckert um den Hals gefallen, ihr Ausdruck, der Intimfeindin zu deren Silbermedaille zu gratulieren. Keine hatte in diesem Rivalinnen-Duell über die andere triumphiert, beide hatten gewonnen. Beckert gratulierte Pechstein, die erklärte im Gegenzug: „Von mir bekommt man heute keinen Stoff für ein Zickenduell.“ Nadelstiche gegen die jeweils andere, das hätte kleinkariert gewirkt in diesem Moment.

Hier ging es um ein beeindruckendes Comeback. Claudia Pechstein hatte mit einem couragierten Lauf ihren Fans „all das zurückgegeben, was die mir in der ganzen Zeit gegeben haben“. Aufmunternde Worte, liebevolle Mails, nette Facebook-Einträge, alles, was die zwei Jahre wegen Dopings gesperrte Pechstein nach ihrer Darstellung motiviert hatte. Schon Platz sechs oder sieben, nach unglaublich nervenaufreibenden Monaten, wäre eine bemerkenswert gute Leistung gewesen, die Bronzemedaille ist fast schon sensationell.

Da rückte auch die Silbermedaille von Stephanie Beckert in den Hintergrund. Edelmetall von Beckert, das war erwartet worden. „Ich hätte diese Bronzemedaille nicht holen müssen“, sagte Pechstein. „Ich habe schon genügend im Schrank.“ Das klingt nach Koketterie, ist es aber nicht. Claudia Pechstein drückte damit bloß aus, dass sie nichts zu verlieren hatte. Ihren größten Sieg hatte sie schon mit dem Start in Inzell erreicht.

Später tauchte sie noch einmal vor den Reportern auf, da saß sie auf einer Bank und hatte einen Blumenstrauß in der Hand. Und dann weinte sie wirklich, die ganze Spannung fiel jetzt unkontrolliert von ihr ab. Sie erzählte von der Tschechin Martina Sablikova, der souveränen Siegerin über 5000 Meter. Sablikova und Pechstein haben sich angefreundet, die Jüngere hatte zur Älteren gesagt: „Claudia, ich freue mich auf dein Comeback, ich drücke dir die Daumen.“ Als Pechstein die Sätze wiederholte, da habe sie „eine Gänsehaut“ gespürt.

Heute läuft sie im Teamwettbewerb, unter anderem mit Beckert. Aber im Grunde genommen war das Thema ihrer Rivalität gestern unendlich weit weg für sie. Claudia Pechstein lebte im Glück des Augenblicks. „An den Teamwettbewerb denke ich gar nicht“, sagte sie. „Ich genieße jetzt erst mal.“ Weil es eine besondere Bronzemedaille sei, sagte Pechstein lächelnd, „darf man auch mal etwas länger feiern“.

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