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Fahrig

© dpa

Fall Fahrig: Bier, Turnen und Videos

Matthias Fahrig flog wegen einer Kneipentour aus dem deutschen WM-Team - trotzdem darf er noch hoffen.

Berlin - Ein paar Meter neben den Geräten steht eine Videokamera, es muss ja alles dokumentiert werden. Jede Übung von Matthias Fahrig wird aufgezeichnet, Andreas Hirsch, der Chef-Bundestrainer der deutschen Kunstturner, wird dann das Material auswerten. Vor allem in Kienbaum, dort wo sich die deutsche Kunstturn-Nationalmannschaft auf die WM in Stuttgart (1. bis 9. September) vorbereitet. Die Videokamera steht allerdings in einer Trainingshalle in Halle an der Saale, dort, wo Fahrig trainiert. Er darf nicht nach Kienbaum. Der 21-Jährige ist, wie berichtet, aus dem WM-Kader geflogen. Eine nächtliche Kneipentour ein paar Stunden vor den Gerätefinals bei den Deutschen Meisterschaften in Gießen fanden Hirsch und die Spitze des Deutschen Turner-Bundes (DTB) nicht so lustig. Fahrig wurde schon im Juli rausgeschmissen, aber erst jetzt wurde die Strafe bekannt. Nur: Wirklich rausgeflogen ist er eigentlich gar nicht – deshalb will Hirsch auch permanent wissen, wie gut Fahrig in Form ist. Deshalb die Videos. Er will sie, sagt Wolfgang Willam, der DTB-Sportdirektor, „weil wir nicht Harakiri machen“.

Fahrigs Nichtnominierung ist ein Risiko, und es steht einiges auf dem Spiel. Es geht dabei auch um den Job des Chef-Bundestrainers. Hirsch hatte Fahrig deshalb für die WM nominiert, weil der zu den stärksten deutschen Turnern am Boden und beim Sprung gehört. Bei der WM muss sich das DTB-Team nämlich für Olympia 2008 qualifizieren: Mindestens Platz zwölf müssen die Deutschen im Mannschaftswettbewerb bei der WM erreichen, nur dann dürfen sie in Peking starten. „Wir gehen davon aus, dass die Männer die Qualifikation erreichen werden“, sagt Willam. Uwe Ronneburg ist anderer Meinung. „Ich kann die Strafe schon nachvollziehen“, sagt der Heimtrainer von Fahrig, „aber die Frage ist, ob es mannschaftsdienlich ist.“ Diese Frage hat sich der DTB inzwischen wohl auch gestellt und hält sich die Möglichkeit offen, Fahrig doch noch zu nominieren. Bis 24 Stunden vor Wettkampfbeginn ist das möglich. Willam: „Aber das passiert nur, wenn alle Stricke reißen.“

Drei Stricke hat der DTB, die reißen könnten, drei Turner, die Fahrigs Platz einnehmen können. Robert Weber aus Hannover, Steve Woitalla aus Cottbus und Brian Gladow aus Berlin. Alle keine klassischen Boden- und Sprungspezialisten, aber alles gute Mehrkämpfer. Und genau solche Leute benötige der deutsche Kader, sagt Willam. Der einzige Turner, der problemlos an allen sechs Geräten turnen kann, ist Fabian Hambüchen.

Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass sowohl Weber als auch Gladow und Woitalla aus irgendwelchen Gründen verhindert sein sollten. Aber dass der DTB diese Möglichkeit nicht vollständig ausschließt, beweist die Kamera. Fahrig doch noch starten zu lassen, würde allerdings eine Riesenblamage und einen Imageschaden bedeuten. Den 21-Jährigen hat der Verband deshalb aus dem Kader gestrichen, weil er Wiederholungstäter ist. Bei der WM 2005 ging er nachts noch tanzen und wurde dafür schon einmal ein Jahr lang aus der Nationalriege ausgeschlossen. In Kienbaum wurde er einmal abends mit Bier erwischt, auch das gab Ärger. Und in Halle kam er mehrfach verspätet ins Training. „Man muss ihn nehmen wie er ist, er hat seine Ecken und Kanten“, sagt Ronneburg. Fahrig selber ist nicht zu erreichen, er will vor allem seine Ruhe.

Trotz der wiederholten Disziplinlosigkeit hatte Andreas Hirsch ihn zunächst noch geschützt. Der Chef-Bundestrainer hatte erklärt: „Fahrig hatte einen Infekt, ich nehme aber nur Leute mit zur WM, die vollkommen gesund sind.“ Kein Wort von der Kneipentour. Sie kam trotzdem raus, auch Ronneburg bestätigt sie. Und über die angeblichen Gesundheitsprobleme kann er nur lachen. „Matthias hatte vor zwei Wochen zwei Tage lang einen Infekt. Aber jetzt ist er wieder topfit.“ Hirsch kann es sehen. Er bekommt ja Fahrigs Videos.

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