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Schön bunt. Fußballfans sind keine homogene Masse.

© imago/Team 2

Fankongress in Berlin: Fußballfans: Zwischen Wut und Nachdenklichkeit

Zwei Tage lang haben 700 Fußballfans in Berlin über die wichtigsten Themen ihrer Szene diskutiert: über das schwierige Verhältnis zur Polizei - aber auch über die Probleme in der Kurve. Eine Analyse.

Von außen betrachtet werden Fußballfans, zumindest der aktive Teil, in der Regel als homogene Masse wahrgenommen, als in sich geschlossener Block. Vermutlich ist es nicht falsch, dass die Fans selbst erheblich zu diesem Bild beigetragen haben und damit generell auch kein Problem haben. Das war auch an diesem Wochenende beim Fankongress in Berlin zu beobachten, am besten am ersten Tag, als das schwierige Verhältnis zwischen Fans und Polizei thematisiert wurde. „Auch wenn das für manchen unbefriedigend ist: Es gibt im Moment bei den Fans keine Bereitschaft zum Dialog mit der Polizei“, sagt Jakob Falk von der Organisation „Pro Fans“, die den Fankongress mitorganisiert hat. Dazu sind die Verletzungen aufseiten der Fans zu tief – und das ist in vielen Fällen durchaus wörtlich zu verstehen.

Auf dem Podium saßen am Samstag auch zwei Polizisten, die versuchten, ihrer Organisation ein ziviles Gesicht zu geben. Aber die Erfahrung der Fußballfans ist eben eine andere. Sie nehmen die Polizei als schwarzen Block war, als anonyme Masse, mit der keine Kommunikation möglich ist. So etwas wie ein grundsätzliches Vertrauen in die Staatsmacht ist bei ihnen nicht vorhanden. Die Podiumsdiskussion diente damit letztlich auch einer Selbstvergewisserung der Fanszene: einer Selbstvergewisserung durch Abgrenzung. Wir und die. Wir Fans – und die Polizei, die Verbände, die Vereine, die Medien, das Eventpublikum. Dabei könnte man es belassen. Allerdings brauchte man dann auch keinen Fankongress.

Jakob Falk sagt, dass es ihm vor allem darum gehe, mit der Veranstaltung „ein authentisches Bild der Szene nach außen“ zu tragen. Dazu gehört eben auch in bestimmten Dingen eine Haltung, die von außen leicht als Verbohrtheit mit Hang zur Paranoia wahrgenommen wird. Aber das ist nicht das ganze Bild. Die Fans sind keine tumbe Masse. Als am Samstag, mitten in die Diskussion über das Verhältnis zur Polizei, die Nachricht die Runde machte, dass ein Fan bei einer Massenschlägerei zwischen Schalkern und Kölnern lebensgefährlich verletzt worden war, konnte man das Entsetzen im Saal deutlich spüren. „Das hat uns alle getroffen und erschüttert“, sagte Falk. „Aber das sind Leute, die wir nicht erreichen können, die sich auch nicht von uns erreichen lassen wollen.“ Wenn die Öffentlichkeit so weit differenzieren würde, dass der Fan an sich nicht automatisch ein potenzieller Gewalttäter ist, wäre das schon ein wichtiger Fortschritt.

Der Fankongress mit 700 Fans aus 80 Vereinen und zum Teil verfeindeten Fanszenen spielt bei dieser Bewusstseinsbildung inzwischen eine wichtige Rolle. „Die Zusammenarbeit über Vereinsgrenzen funktioniert seit Jahren“, sagt Falk. „Die Vernetzung ist unglaublich.“ Für ihn ist der Fankongress auch „Ausdruck einer positiven Kultur“, die jedoch von außen selten als solche wahrgenommen wird. Das Publikum bestand eben nicht – Achtung: Klischee! – aus stiernackigen Schlägern, sondern hätte zu großen Teilen auch in einem Unihörsaal sitzen können, und nachdem es am Samstag um die Selbstvergewisserung der Szene gegangen ist, haben die Fans am Sonntag nachgewiesen, dass sie auch zur ernsthaften Selbstreflexion fähig sind: Wie lösen wir Konflikte in der Kurve? Wie gehen wir mit der versuchten Unterwanderung von Rechten um? Welche Rolle spielt dabei Gewalt? Wie kann Selbstregulierung funktionieren?

Ja, die Fans reden über sich – und wenn man so will, ist das letztlich auch ein Signal an die Außenwelt, dass man auch mit ihnen reden kann. Und nicht nur über sie. „Es gibt keinen Ersatz für Kommunikation“, sagt Andreas Rettig. Als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) repräsentiert Rettig eine Organisation, die von den organisierten Fans traditionell kritisch gesehen wird – und trotzdem ist er beim Kongress in Berlin nicht mal eben aus Frankfurt am Main eingeschwebt, um ein wohlfeiles Grußwort zu sprechen und danach gleich wieder zu verschwinden.

Er ist vom Anfang bis Ende geblieben, hat auch Positionen vertreten, von denen er sicher sein konnte, dass sie nicht auf allgemeine Zustimmung treffen würden. „Es ist wichtig, hier die Antennen auszufahren, um auch ein Verständnis für die andere Seite zu entwickeln“, sagte Rettig. „Ich begreife das immer als große Chance.“

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