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Fansprecher Busch: „Die Manager müssen akzeptieren, dass es kritische Fans gibt“

Fansprecher Ralf Busch über Uli Hoeneß’ Wutausbruch, das Verhältnis zwischen Anhängern und Vereinsspitze sowie Warnungen vor italienischen Zuständen.

Herr Busch, Uli Hoeneß hat in seiner Wutrede auf der Jahreshauptversammlung von Bayern München die Fans für die „Scheißstimmung“ im Stadion verantwortlich gemacht. Hat er ausgesprochen, was viele Bundesliga-Manager denken?

Ich glaube, er hat sehr emotional auf eine spezifische Situation in München reagiert. Aber generell gibt es Städte, in denen das Verhältnis zwischen dem Verein und seinen Fans sehr angespannt ist – in anderen läuft es besser.

Hat er Recht?

Nein. Die schlechte Stimmung in München ist ein Zeichen dafür, wie angespannt das Verhältnis zwischen Fans und Vereinsführung ist. Vor kurzem haben Mitglieder des Fanklubs „Schickeria“ auf einem Rastplatz eine Schlägerei angezettelt, bei der eine Frau verletzt wurde. Danach wurden Stadionverbote ausgesprochen und über 500 Fans haben keine Dauerkarte mehr erhalten. Und dies nur weil sie über eine Sammellliste der Schickeria Karten bestellt hatten. Das war eine Art Sippenhaft – allen wurde unterstellt, potenzielle Gewalttäter zu sein. Da ist eine Vertrauensbasis verloren gegangen.

Auch in Rostock und bei Hertha BSC haben die Fans einen Stimmungsboykott durchgeführt. Sind die Fans verwöhnte Meckerer, über die sich Hoeneß zu Recht aufregt, weil sie sich nicht darüber freuen, dass ihnen die Leute in den teuren Logen den Stadionbesuch subventionieren?

Die Leute in den Logen sind auch die ersten, die wegbleiben, wenn die Leistung nicht stimmt. Das unterschätzt der Herr Hoeneß. Die Leute in den Logen gehen doch dahin, weil der Fußball so ist, wie er ist, mit der Stimmung und allem. Und dafür sorgen in erster Linie die Fans. Deshalb fühlen sie sich manchmal benutzt für das Image, das der Verein nach außen abgibt – und wenn dann mal Kritik von ihnen geäußert wird, fühlen sie sich oftmals vom Verein abgebügelt.

Zum Beispiel, indem wie in Berlin Transparente entfernt werden. Wollen die Klubs den unkritischen Trikotkäufer, der seinen Mund nur zum Jubeln aufmacht?

Manchmal drängt sich der Eindruck auf. Da täte ein wenig mehr Gelassenheit gut. Die Manager müssen akzeptieren, dass es kritische Fans gibt und das eben nicht einige wenige Störenfriede sind, sondern sie durchaus für die anderen Fans sprechen. Wenn man das nicht lernt, wird es noch mehr atmosphärische Störungen wie Stimmungsboykotte und Stadionverbote geben. Stattdessen werden die Hürden im Stadion immer höher. Selbst bei Choreographien – das muss alles vorher angemeldet werden und dann aus brandfestem Material sein und so weiter. Und wenn dann kritische Transparente und Banner ganz verboten werden, ist dies für die Fans Zensur.

Die Vereinsführung der Bayern begründet die Sicherheitsvorkehrungen damit, Entwicklungen wie in Italien verhindern zu wollen, wo es am vergangenen Wochenende zu landesweiten Ausschreitungen kam.

Ja, das haben sie im Offenen Brief an die Fans geschrieben. Aber der Hinweis „Wehret den Anfängen!“ greift ins Leere, weil es die Basis für eine solche Entwicklung hier gar nicht gibt. Europaweit gesehen stehen wir eindeutig sehr gut da. Die Ereignisse in Italien sind unter anderem ein Resultat dessen, dass dort über Jahrzehnte gar kein Dialog zwischen Vereinen und Fans stattfand und die Fronten so verhärtet sind, dass dort gar keine Einflussnahme mehr möglich ist. In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten sozialpädagogische Fanprojekte, die sich für einen Dialog zwischen Vereinen und Fans einsetzen und wenn nötig vermitteln. In vielen Standorten besteht ein ganz gutes Verhältnis – problematisch ist allerdings, dass sich meist die Fans bewegen müssen und von der anderen Seite zu wenig kommt.

Vielen Fans gemein ist die Ablehnung der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs. Was ist denn so schlimm daran, wenn der Stadionname verkauft wird?

Auch für die Fans gilt: Wehret den Anfängen. Die Kommerzialisierung vermittelt ihnen immer mehr das Gefühl, dass sie nur noch Kunden sind. Sie sagen sich: Wir müssen frühzeitig auf die Barrikaden gehen, sonst werden wie in Österreich auch bald die Vereinsnamen verscherbelt und kosten die billigsten Karten wie in England 35 Euro. Die Stadien spielen nun einmal eine wichtige Rolle bei der Identifikation. Wenn sich die Namen ständig ändern, findet eine Entfremdung zwischen Fans und Verein statt.

Dann spielt der FC Bayern eben künftig wie andere Klubs auch Jubel vom Band ein, um Stimmung im Stadion zu haben.

Das ist einfach peinlich, für die Klub genauso wie für die Fans. Das kann doch nicht die Lösung sein.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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