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FLANKE aus Spanien: Königliche Dorftrottel

Julia Macher über Real Madrids Torjubel, der eine Niederlage einleitete

Vorzeitiger Siegestaumel kann blind und taub machen, das musste Real Madrid am Wochenende schmerzlich erfahren. Ausgerechnet gegen Bernd Schusters früheren Klub FC Getafe steckten die Königlichen die erste Heimniederlage seit über einem Jahr ein, verursacht durch eine spektakulär tollpatschige Unachtsamkeit, die selbst bei einem Drittligisten Hohn und Spott ausgelöst hätte – erst recht bei Real Madrid.

In der 64. Minute glaubten die Madrilenen 1:0 in Führung gegangen zu sein. Arjen Robben hatte den Ball ins Netz gehauen, Sergio Ramos stemmte den Teamkollegen triumphierend in die Luft. Erst von dort aus sah der vermeintliche Torschütze das erhobene Fähnchen des Assistenten. Der Schiedsrichter hatte auf Abseits erkannt, das Tor war ungültig. Außer Reals Spielern hatte das eigentlich jeder gesehen: die Zuschauer, die die Madrilenen wild gestikulierend zum Weiterspielen animierten und die Herausforderer aus der Schlafstadt Getafe, die die Situation kaltschnäuzig nutzten. Bevor sich Robben aus der Umarmung seiner Kollegen befreien konnte, hatte sich Getafes Kapitän Belenguer den Ball geschnappt und preschte mit vier Mitspielern nach vorne, wo ihnen einzig Guti und Heinze versuchten, Paroli zu bieten. Vergebens. Einen Wimpernschlag, bevor Guti doch noch klären konnte, schob der Nigerianer Ikechukwu Uche den Ball ins Netz. Von weitem sah Reals Rest zu, wie Getafes Stürmer seinen Siegestreffer mit einer Flickflack-Salto-Kombination feierte. „Wir haben uns angestellt wie Kleinkinder. Das war ein Tor für Vierjährige“, klagte Guti nach Abpfiff.

Die Sportpresse der Hauptstadt hielt den Königlichen ein spöttisches „Pardillos“ (Dorftrottel) entgegen. Mehr noch als die Zeitungsschelte werden die Worte von Getafes Trainers Michael Laudrup den Königlichen in den Ohren gedröhnt haben, der seinen Kapitän Belenguer mit einem Extra-Lob bedachte: „Er hat sich sehr schlau angestellt. In einem solchen Moment auf den Assistenten zu achten – dazu gehört einiges an Erfahrung.“ Wer hätte gedacht, dass der 30-fache Spanische Meister einmal ausgerechnet von einem titellosen Emporkömmling Nachhilfeunterricht in Sachen Spielintelligenz bekommt, einem Klub übrigens, der mit einem Zehntel des königlichen Budgets auskommen muss?

Noch übler dürfte Reals Trainer Schuster aufgestoßen sein, dass ausgerechnet sein früherer Verein ihm diese Lektion erteilt. Vatermörderisch könnte man das nennen: Schließlich war es Schuster, der Getafe ins obere Tabellendrittel und sogar in den Uefa-Cup geführt hat. Dem Deutschen stand der Sinn jedenfalls nicht nach fußballphilosophischen Erörterungen. „Schlau oder nicht – in solchen Begriffen rede ich nicht über Fußball“, sagte Schuster und gab zu: „Aber so einen Spielzug habe ich noch nicht erlebt.“

An dieser Stelle schreiben unsere Korrespondenten dienstags über Fußball in England, Spanien und Italien.

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