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Sport: Fordern und fördern

Handballer kämpfen sich bei WM auf Rang neun

Berlin - Bis zum Spiel am vergangenen Donnerstag hatte Christian Schöne nur eine Aufgabe: für genügend Trinkflaschen mit dem richtigen Inhalt zu sorgen. Kurz vor dem letzten Hauptrundenspiel der deutschen Handballer bei der WM in Tunesien änderte sich die Situation für den Magdeburger plötzlich doch noch, denn Heiner Brand nominierte den Linkshänder offiziell nach. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Bundestrainer diese Option offen gehalten, denn er hätte genauso gut kurzfristig einen Spieler aus Deutschland nachholen können. „Nur, ich sehe derzeit niemanden, der uns in der schwierigen personellen Situation helfen könnte“, sagte Brand etwas ernüchtert, als speziell im deutschen Rückraum einiges nicht nach seinem Wunsch gelaufen war. „Das Niveau ist nicht extrem hoch“, urteilte Bundestrainer Brand, „es bestand eine Chance für Außenseiter.“

Was für Christian Schöne letztlich zu einem Happy End führte, zeigt zugleich, wie die Situation im deutschen Handball ist. Nach dem Rücktritt von fünf Leistungsträgern, dem Verletzungspech von fünf weiteren Spielern und dem mangelnden Selbstvertrauen bei sonst so starken Spielern wie Christian Zeitz vom THW Kiel oder Frank von Behren aus Gummersbach konnte niemand die Lücke schließen. „Keine Nationalmannschaft in der Welt verkraftet einen solchen Aderlass ohne Verlust an Klasse“, bemerkte Brand schließlich, ohne sich hinter diesem Urteil verstecken zu wollen. Im Gegenteil, sein „Fordern und fördern“, das Brand bereits erfolgreich bis zum EM-Titel und dem Olympiasilber 2004 angewandt hat, galt auch für die Spiel der WM in Tunesien.

„Wir waren hier bestimmt keine Spaßtruppe, mehr noch, wir hatten in jedem Spiel sogar unsere Siegchance“, sagte Kapitän Florian Kehrmann vom TBV Lemgo. Der 27-Jährige ging mit gutem Beispiel voran, mit Kampfgeist, Spielwitz und insbesondere vielen Toren. Die Siege gegen die ebenfalls im Umbruch befindlichen Schweden (27:22) und zum Abschluss das 39:34 (33:33/16:15) nach Verlängerung gegen Tschechien haben gezeigt, dass die Einstellung der jungen deutschen Mannschaft gestimmt hat. „Der abschließende Sieg war wichtig für das Selbstvertrauen. Wir haben uns hier insgesamt teuer verkauft“, erklärte Kehrmann, der mit 47 Turniertreffern beste deutsche WM-Werfer. Der neunte Rang könnte im Hinblick auf die WM 2007 im eigenen Land ein gutes Omen sein. Auch 1978 war das Team des Deutschen Handball-Bundes im eigenen Land der Titelgewinn gelungen, nachdem sie bei der WM zuvor nur Neunter geworden war. „Natürlich war Platz neun in Tunesien nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber wir haben gegen die Großen keine klaren Niederlagen kassiert“, analysierte Brand. Im Hinblick auf die WM 2007 in Deutschland forderte er einen schnellen Lernprozess, denn „wir stehen unter Zeitdruck“. Im Finale, das heute ab 20.15 Uhr Kroatien und Spanien bestreiten, stehen dennoch zwei Deutsche: die Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich aus Magdeburg.

Probleme gab es in der deutschen Mannschaft vor allem auf der Kreisläufer-Position, auf der ein ebenbürtiger Nachfolger für den zurückgetretenen Christian Schwarzer (Lemgo) noch nicht gefunden wurde. Gegen Tschechien setzte Brand den enttäuschenden Kieler Sebastian Preiß nicht mehr ein. Sein großes Potenzial deutete dagegen der eingebürgerte Ukrainer Oleg Velyky von TuSEM Essen an. Bei seinem ersten großen Turnier im DHB-Trikot gehörte der 27-Jährige gleich zu den Besten. „Oleg hat glänzende Perspektiven“, lobte ihn Brand, wohlwissend, dass Velyky wegen einer Hautkrebs-Therapie oftmals körperlich geschwächt ist.

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