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Sport: Formel 1: Zwei Welten

Vor dem Gang ins Heiligste gibt es Wichtigeres. Rinderfilet mit Pommes frites, dazu ein milder Rotwein.

Vor dem Gang ins Heiligste gibt es Wichtigeres. Rinderfilet mit Pommes frites, dazu ein milder Rotwein. Manfred Zeh muss jetzt erst einmal etwas essen. Irgendwann aber ist das Fleisch weg und die Weinflasche halbleer, und Zeh erzählt von seinem Vorstoß ins Zentrum der Macht. Sie waren zu viert, er und drei andere Formel-1-Fans aus Wangen im Allgäu und Österreich, alle im Ferrari-T-Shirt, und dann standen sie vor all diesen Monitoren und diesen Knöpfen und Schaltern, und ein bisschen zitterten sie sogar. Sie fühlten sich im Heiligisten, deshalb.

"In die Schaltzentrale von Ferrari kommst du auf keinem anderen Kurs der Welt", sagt Zeh. Nur in Monaco, am Mittwoch vor dem Rennen, am Tag der offenen Tür. Sie liefen dann noch weiter, von Teambox zu Teambox, streichelten die Reifen von Bridgestone, redeten mit beschäftigten Mechanikern und fotografierten BMW-Sportchef Gerhard Berger. BMW-Pilot Juan Pablo Montoya, sagt Zeh, sahen sie auch. Er muss jetzt schreien, weil das Restaurant, im Herzen Monacos, nur 50 Meter vor den Rennstrecke entfernt liegt. Dort jagen gerade die Fahrer ihre Autos hochtourig über den Asphalt. "Wahnsinn", sagt Zeh, "normalerweise ist das Formel-1-Lager verschlossen wie Fort Knox. Aber hier stehst du im Mechanikerlager, und ein paar Meter weiter holt einer Baguettes zum Frühstück."

Das ist der Mythos Monaco. Die Hightechwelt der Rennszene auf Hautnähe mit der Scheinwelt der Reichen auf ihren Jachten und der Alltagswelt der kleinen Angestellten wie Manfred Zeh aus Wangen im Allgäu. Alles zusammengequetscht auf ein paar Quadratkilometer. Natürlich verzahnen sich die Welten nicht, aber Zeh und seine Freunde haben zumindest die Illusion, dabei zu sein. Früher durften die Formel-1-Fans sogar noch ins Fahrerlager. Aber das ist jetzt Hochsicherheitszone. Ein Drahtzaun trennt Fans und Fahrer.

Natürlich gehören Leute wie Zeh nicht wirklich dazu. Sie zahlen ja jeweils nur 1400 Mark für eine Dreitageskarte, und ihr Wohnmobil haben sie 20 Kilometer entfernt abgestellt, für 30 Mark pro Nacht. Wer in Monaco diese lässige Eleganz der wirklich Wichtigen vorspielen will, der muss sich schon einen Balkon an der Rennstrecke mieten. Der kostet am Sonnabend, beim Qualifikationstraining, 4000 Mark pro Platz und am Sonntag, beim Rennen, 8000 Mark. Dafür gibt es ein Champagnerfrühstück, und ein RTL-Reporter erzählt Interessantes aus der Szene.

Oder er bucht am Sonnabend und Sonntag jeweils ein Dreigängemenü in einem Restaurant an der Rascasse-Kurve, direkt neben der Strecke. Macht 2990 Mark. Wer in Nizza wohnt, kann sich mit einem Motorboot nach Monaco schippern lassen, Einzelpreis 95 Mark. Wer ein eigenes Auto braucht, bucht eine Luxuslimousine mit Chauffeur und persönlicher Begleitung. Oder er bucht sich im größten Vollsegler der Welt ein, der "Royal Clipper". Die ankert gerade vor Monaco und dient kurzfristig als Hotel. Mit dem eleganten Schnellboot im Silberpfeil-Design dürfen allerdings nur Formel-1-Größen vom Fahrerlager zum Nobelhotel Beach Plaza schippern.

Aber manchmal verzahnt sich doch mehr, als die wirklich Reichen sich wünschen. Die Möchtegernreichen drängen sich dann ins Bild. Am Hafen zum Beispiel. Da hängt an einer riesigen weißen Jacht ein Schild: "Wir haben noch Plätze frei." Für Fans, die sich das leisten können. So eine Anbiederei ist neu. Es hat für die Millionäre so etwas von, nun ja, Stilbruch. Aber andererseits: So ein Ankerplatz in feiner Lage kostet schließlich 1000 Mark pro Tag.

Aber den Stilbruch gibt es ja auch im Fahrerlager. Zwischen den superfeinen, superteuren Motorhomes mit den riesigen Vorzelten steht eine Verkehrsampel. Alle 30 Sekunden schaltet sie von Rot auf Grün. Ist ja normalerweise eine Straße hier, an diesem Platz. "Aber mangelnder Platz", sagt Jean, der seit zwölf Jahren als Lastwagen-Fahrer bei Benneton arbeitet, "ist die Spezialität von Monaco." Ein Teil der Teamangestellten muss in einem Parkhaus, hoch über dem Hafen, arbeiten.

Dafür haben die Fans die Fahrer und die anderen Szene-Größen fast hautnah, nur getrennt durch einen Zaun. Fotografiert wird nahezu alles, was auch nur eine Kaffeetasse hält. Da kann man dann schon mal die Übersicht verlieren. Als am Freitag ein Dutzend Fans durch den Maschenzaun knipsten, lief 30 Zentimeter hinter ihnen Jaguar-Pilot Eddie Irvine vorbei. Wahrgenommen hat ihn keiner.

Zeh war zu diesem Zeitpunkt irgendwo in der Stadt, wahrscheinlich noch immer beseelt von der Atmosphäre dieses Spektakels. Dabei hat er gar nicht das eigentliche Herz von Ferrari berühren dürfen. Die echte Kommandozentrale, wo die Telemetriedaten gesammelt werden, ist auch in Monaco abgeschottet.

Andererseits dürfte das Zeh nicht allzu sehr gestört haben. Diese Art von Kontakt zum Zentrum der Macht hat er durchaus auch außerhalb von Monaco: Die Firma, für die er arbeitet, hat das Bundeskanzleramt gebaut.

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