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© AFP

Frauenfußball: Handstand, Überschlag, Einwurf

Die spektakuläre Technik an der Seitenlinie wird von einer jungen Brasilianerin perfektioniert – erstmals bringen Frauen ein ganz eigenes Element in den Fußball ein.

Es ist ein bisschen so, wie beim Stabhochsprung vor dem letzten Versuch. 13 000 Zuschauer klatschen im Takt. Gespannte Erwartung flirrt durch die Luft im Estadio Germán Becker von Temuco. Eine Szene bei der U-20-Weltmeisterschaft der Frauen in Chile in dieser Woche, Deutschland spielt gegen Brasilien. Der Ball liegt im Seitenaus. Es gibt Einwurf. Und dann kommt sie. Die brasilianische Nationalspielerin Leah Lynn Gabriela Fortune umschließt den Ball mit beiden Händen. Sie nimmt einen kurzen Anlauf, überschlägt sich vornüber, kommt in der Hocke wieder auf und katapultiert den Ball weg. Der segelt quer durch den Strafraum, wie bei einem Eckstoß. „So kommen wir jedes Mal zu einer Chance“, sagt Kleiton Lima, Trainer der brasilianischen U-20-Mannschaft. Diese spektakuläre Art des Einwurfes hat es bei einem großen Turnier noch nie gegeben.

Handstandüberschlag heißt das im Turnen , was Leah da auf den Rasen zaubert. Sie hat die Übung perfektioniert, der Ball bekommt bei ihren Einwürfen eine enorme Wucht und Weite. Aufgewachsen ist Leah in den USA, dort hat sie die besondere Technik gelernt. „Früher habe ich geturnt“, sagt die 1,55 Meter kleine Spielerin. Das sei eine wichtige Voraussetzung gewesen.

Bei den Frauen ist der „Flip-Throw“ zumindest im College-Fußball ein häufig benutztes Mittel, um die Kraft der Einwürfe zu verstärken. „In den USA machen das schon viele“, sagt Viola Odebrecht, 29-malige Nationalspielerin von Turbine Potsdam. Allerdings hat es das auch in Europa schon vor Leah gegeben: Die isländische Nationalspielerin Asta Arnadottir brachte den „Flip-Throw“ auf den alten Kontinent. Odebrecht spielte vor zwei Jahren mit der Verteidigerin bei Valur Reykjavik zusammen. „Astas Einwürfe fanden wir damals schon krass“, erzählt Viola Odebrecht.

Nach anfänglichem Zögern haben der Fußball-Weltverband Fifa und der europäische Verband Uefa die Turnerei an der Seitenlinie erlaubt. Für viele ist es im Frauenfußball die Einwurftechnik der Zukunft. Bernd Schröder, Trainer des Frauen-Bundesligisten Turbine Potsdam, sagt: „Der Einwurf geht so weit in den Strafraum, das gibt einen Überraschungsmoment und das ändert das Spiel.“ Schröder will nun versuchen, mit dem Trend Schritt zu halten. „Wir werden künftig im Nachwuchs nach Spielerinnen Ausschau halten, die das lernen können“, sagt er. Der spektakuläre Charakter der Technik sei ein für die Zuschauer attraktives Unterhaltungselement. Allerdings sei eine turnerische Ausbildung Voraussetzung, glaubt Schröder.

Bei den Männern wird sich die Technik wohl nicht durchsetzten. Viele von ihnen werfen sowieso weit in den Strafraum. So hat in der englischen Premier League Rory Delap von Aufsteiger Stoke City schon sieben Tore mit seinen Einwürfen vorbereitet, die mit 60 Stundenkilometern bis zu 40 Meter weit fliegen.

„Frauen sind turnerisch begabter“, sagt Schröder. Auf alle Fälle ist es das erste Mal, dass der Frauenfußball ein ganz eigenes Element ins Fußballspiel bringt. Vermutlich wird es in ein paar Jahren in allen Frauenteams Überschlag-Einwurfspezialistinnen geben – spätestens wenn die Generation Leah erwachsen ist. Der Weg dahin sei aber noch weit, sagt Viola Odebrecht. Wenn das jetzt in der Bundesliga alle Spielerinnen machen müssten, würden sich „80 Prozent den Hals brechen“, glaubt sie.

Bei der Brasilianerin Leah sieht der „Flip-Throw“ beinahe einfach aus. Und für sie ist er das offenbar auch: Jeder Einwurf in der gegnerischen Hälfte wird von Leah ausgeführt und mit einem Überschlag kombiniert. „Schwindelig wird mir davon nicht“, sagt sie.

Auf den Überraschungseffekt können die Brasilianerinnen inzwischen aber nicht mehr setzen. „Für uns war das nichts Neues“, sagt David Noemi, Sprecher der deutschen U-20-Mannschaft. Und ein Sieggarant war Leahs Technik auch nicht. Trotz ihrer spektakulärer Einwürfe hat Brasilien 2:3 gegen die Deutschen verloren, die dann im Halbfinale gegen die USA ausschieden. Das Endspiel der U-20-Weltmeisterschaft bestreiten deshalb heute die USA und Nordkorea (Beginn 22.15 Uhr, live auf Eurosport), Deutschland spielt um Platz drei gegen Frankreich (19.30, live auf Eurosport 2). Ohne sich zu überschlagen.

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