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Sport: Fussball im Osten: Drinbleiben

Die Großen waren woanders. Doch nicht der Europapokalsieger 1.

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Die Großen waren woanders. Doch nicht der Europapokalsieger 1. FC Magdeburg, nicht Lokomotive Leipzig oder Dynamo Dresden und schon gar nicht der Rekordmeister BFC Dynamo aus Berlin (Hauptstadt der DDR) haben den Übergang in den Kapitalismus gemeistert, sondern Hansa Rostock und Energie Cottbus. Provinzklubs, die zu DDR-Zeiten vielleicht den Stellenwert eines MSV Duisburg oder eines VfL Bochum hatten, sind in der Bundesliga dabei, während andere sich langsam wieder herankämpfen müssen. "Zur richtigen Zeit die richtigen Männer am richtigen Ort" - darin liegt für Jürgen Heinsch, Hansas ehemaligen Torwart und Trainer, der sich heute um den Nachwuchs und die Sichtung neuer Spieler kümmert, das ganze Geheimnis. Während in Dresden oder in Berlin beim 1. FC Union westdeutsche Kiezgrößen oder Baulöwen nach der Wende ihr Unwesen trieben, übernahmen bei Hansa und Energie ehemalige Spieler die Verantwortung.

Da mag Gerd Kische, Rostocks Ex-Verteidiger, Ex-Manager und Ex-Präsident, ruhig sticheln, dass "beim FC Hansa jeder arbeitslose Ex-Fußballer einen Job bekommt". Denn auch der polternde Kische war zu seiner Zeit der richtige Mann. Als Manager zerriss er kurz nach der Wende einen Kooperationsvertrag mit Werder Bremen, weil er ahnte, dass sein Verein zu einer Außenstelle der Bremer umfunktioniert werden sollte. An der Ostseeküste blieb man lieber unter sich. Mit Erfolg. Hansa stieg zwar nach dem ersten Bundesliga-Jahr ab, schaffte aber 1995 den Aufstieg und blieb bis heute drin. Auch heute sind mit Rainer Jarohs, Helmut Herrgesell und Axel Schulz noch viele Altstars im Management des Klubs tätig.

Die Trainer dagegen, die kommen bei Hansa aus dem Westen: Reinders, Pagelsdorf, Lienen, Funkel. Andreas Zachhuber, der zwischen Lienen und Funkel amtierte, ist die Ausnahme. "Die Trainer aus der alten Bundesrepublik haben mehr internationale Kontakte und deshalb bei Spielerkäufen die besseren Karten", sagt Rainer Jarohs.

Da würde Eduard Geyer wohl widersprechen. Der letzte DDR-Nationaltrainer hat soeben mit einer Mannschaft, die fast nur aus ausländischen Spielern besteht, den Klassenverbleib in der Ersten Liga geschafft. Eine Chance gab Geyer zu Saisonbeginn niemand. Um so schöner war es für Energie, am 19. Mai 2001 durch das 1:0 im Münchner Olympiastadion gegen 1860 München ein weiteres Jahr in der ersten Liga zu feiern. Manndecker Christian Beeck sagte: "Drin bleiben ist noch besser als Aufsteigen."

Die Erfolgsgeschichte des FC Energie ist noch ungewöhnlicher als die des FC Hansa, der zu DDR-Zeiten immerhin viermal Vizemeister war. In der DDR-Oberliga spielte der 1966 als "Betriebssportgemeinschaft Energie Cottbus" gegründete Lausitzer Klub immer eine Statistenrolle. Viermal stieg der Klub in die höchste Spieklasse auf. Erst im fünften Versuch konnte Energie Cottbus 1988/89 die Klasse auch halten. Ein Jahr später kam die Betriebssportgemeinschaft zu ihrem größten Erfolg in der DDR: Platz Sieben in der Oberliga.

Im wiedervereinigten Deutschland aber gelang dem 1991 in FC Energie Cottbus umbenannten Verein die Wandlung zum Erstligaklub und Pokalfinalisten. Wie Hansa Rostock setzte Energie Cottbus dabei auf solides Wirtschaften. Die Sponsoren kommen aus der brandenburgisch-sächsischen Region, und sie identifizieren sich mit dem lokalen Fußballklub. So wird in der nächsten Saison ein sächsisches Energieunternehmen auf dem Trikot des Erstligisten zu sehen sein. Wie Hansa Rostock importierte Energie keine Führungskräfte aus dem Westen, sondern verließ sich auf einheimisches Know-How. Vor allem auf Manager Klaus Stabach, der im Stadion der Freundschaft jeden Grashalm kennt. Kein Wunder bei dieser Vita: Spieler von 1963 bis 1974, Mannschaftsleiter von 1974 bis 1983, Technischer Leiter 1983 bis 1990 und seitdem Manager.

Und in Cottbus ist bekanntlich sogar der Trainer ein Ossi. Weil Geyer in der Bundesliga niemand haben wollte, hat er sich mit Energie Cottbus einfach selbst unter die Großen gemischt.

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