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Tor aus unmöglichem Winkel. Maicon zieht fast von der Grundlinie ab und überrascht damit den nordkoreanischen Keeper Ri Myong-Guk. Der Ball geht innen durch und schlägt hinten im langen Eck ein.

© dpa

Brasilien - Nordkorea 2:1: Mit halber Kraft zum Sieg gezittert

Topfavorit Brasilien zeigt sich beim hart erkämpften 2:1 gegen robuste Nordkoraner seltsam ideenlos. 11Freunde-WM-Reporter Tim Jürgens sieht kurz nach der Pause dann aber ein spektakuläres Tor von Maicon, das den Rekordweltmeister auf die Siegerstraße bringt.

Der Abend begann überraschend gefühlig. Als die Teams auf der Videoleinwand des Stadions präsentiert wurden, konnte sich selbst Nordkoreas strenger Trainer Kim Jong-Hun ein Lächeln nicht verkneifen. Und dem Star des Teams aus dem Schattenreich Kim Jong-Ils – Jong Tae-Se – kamen beim Spielen der Hymne sogar mehrfach die Tränen. Die Welt hatte Fußballroboter aus einem geheimnisvollen Schurkenstaat erwartet. Und nun entpuppten sich die Kicker Nordkoreas doch allen Ernstes als Menschen aus Fleisch und Blut.

Ansonsten waren die Rollen schon beim Aufwärmen dem Image beider Mannschaften entsprechend verteilt. Während das Team von Brasilien mit leichten Ballstaffetten in seiner Hälfte ein Freestyle-Programm vollzog, folgten die Spieler Nordkoreas wie eine Riege in Zeiten von Turnvater Jahn in Reih und Glied den Anweisungen ihrer Konditionstrainer. Das Aufwärmprogramm hatten beide Teams nötig, denn die Temperaturen in Johannesburg lagen bei Spielbeginn um dem Gefrierpunkt.

Anstatt leichter Samba-Kleidchen hatten auf den Rängen denn auch Schal und Wollmütze Konjunktur. Das Wetter machte alle etwas hüftsteif. In das Meer aus brasilianischen Farben hatte sich wenigstens im Oberrang der Haupttribüne eine Delegation nordkoreanischer Anhänger geschmuggelt, die dem Vernehmen nach jedoch aus China stammten. Ob der Anhang in Nordkorea in den Genuss des Spiels kommen sollte, war bei Anpfiff mehr als ungewiss. Denn Gerüchten zufolge würde das Spiel nur dann als Aufzeichnung im Staatsfernsehen gezeigt werden, wenn die Asiaten die Selecao niedergerungen hatte.

Die erste Hälfte vor 54.331 Zuschauer im Johannesburger Ellis Park aber ließ tatsächlich Hoffnungen auf einen besonderen TV-Leckerbissen im Reich des lieben Führers aufkommen. Denn entgegen der einhelligen Expertenmeinung verlegte sich die Mannschaft von Coach Kim Jong-Hun ganz und gar nicht allein auf das Pflegen ihrer Defensivqualitäten, sondern erspielte sich bei ihrem ersten Auftritt bei einer WM seit 1966 durchaus Möglichkeiten. Brasilien schien der engagierten Auftritt der Asiaten zu paralysieren. Vielleicht war es auch das winterliche Wetter, jedenfalls kam das gewohnt sichere Kombinationsspiel gar nicht erst in Gang.

Spielmacher Kaká, Sturmspitze Luis Fabiano und Robinho versuchten es immer wieder mit Einzelaktionen, blieben aber im engmaschigen Netz der nordkoreanischen Abwehrreihen hängen. Dazu passte auch das Gebaren von Brasiliens Coach Carlos Dunga, der den Abend zumeist regungslos auf der Bank verbrachte. Nicht nur er hatte sich den WM-Auftakt wohl irgendwie gemütlicher vorgestellt. Dabei hätte er gewarnt sein müssen. Schließlich hatte sein Gegenüber Kim Jong-Hun noch vor dem Spiel selbstbewusst verkündet: "Im Fußball gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft. Sie sind natürlich stärker als wir, aber wir können sie mit unserer Taktik schlagen."

Bis zur 55. Minute schien der Traum des Trainers von einem Sieg und der von 24 Millionen Einwohnern der Demokratischen Volksrepublik Korea möglich. Dann schoss Außenverteidiger Maicon nach einem Pass von Elano aus spitzem Winkel unhaltbar für Torwart Ri Myong Guk ein. Elano war es dann auch, der in der 72. Minute nach einem Zuspiel von Robinho mit einem Rechtsschuss den Sack zumachte. Inzwischen war auch Dunga an der Außenlinie, um seinen Spielern auf dem Platz zu applaudieren. Der gestrenge Kim Jong-Hun ließ sich bis zum Schluss nicht vom Ergebnis beeindrucken und rief ohne Unterlass Anweisungen ins Feld, wo seine Mann nun immer öfter von den brasilianischen Stürmern ausgetanzt wurden.

Vier Minuten vor Schluss verkürzte Ji Yun Nam verdient auf 2:1. Eine Änderung des Fernsehprogramms gab es in Nordkorea in dieser Nacht dennoch nicht mehr nicht. Schade eigentlich, denn der Auftritt der Mannschaft war aller Ehren wert.

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