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Otto Pfister, 72, war zuletzt Nationaltrainer von Kamerun, davor betreute er Togo. In Deutschland hat der gebürtige Kölner nie als Trainer gearbeitet.

© dpa

Interview: Otto Pfister: „Mit Ghana war ich sehr erfolgreich“

Otto Pfister hat in halb Afrika Nationalteams trainiert. Im Interview mit Tagesspiegel-WM-Reporter André Görke spricht er über die Probleme der afrikanischen Teams, überzogene Erwartungen an die WM – und sein Verhältnis zu Mobutu.

TAGESSPIEGEL: Herr Pfister, Sie arbeiten seit den siebziger Jahren in Afrika, waren Fußball-Nationaltrainer in Ruanda, in Ghana, im Kongo und in der Elfenbeinküste …

OTTO PFISTER: … und vergessen Sie bitte nicht Burkina Faso, da kam mein Sohn Mike zur Welt.

TAGESSPIEGEL: Sie waren Klubtrainer im Sudan und haben mit Zamalek Kairo den afrikanischen Vereinspokal gewonnen. Sie haben also in den vergangenen 40 Jahren jedes afrikanische Land besucht und …

OTTO PFISTER: … nee, habe ich nicht. Neulich erst habe ich in den Atlas geschaut und festgestellt, dass mir noch ein Land fehlt: Lesotho.

TAGESSPIEGEL: Diese Mini-Enklave in Südafrika?

OTTO PFISTER: Ja, da komm’ ich aber auch noch hin. Aber Sie wollen ja bestimmt über Südafrika reden.

TAGESSPIEGEL: Genau. Sie haben viele Teams trainiert, die bei der WM angetreten sind. Was haben Sie den afrikanischen Mannschaften vor Beginn des Turniers zugetraut?

OTTO PFISTER: Leider nicht viel. Nigeria, Ghana, Kamerun, Elfenbeinküste, dann natürlich Südafrika, ach, und Algerien, aber das ist Nordafrika, der Maghreb, das ist noch mal was ganz anderes – drei von denen habe ich trainiert, mit Ghana war ich sehr erfolgreich, da waren Leute dabei wie Yeboah von Eintracht Frankfurt oder Abedi Pele. Wir standen damals im Finale der Afrikameisterschaft. Die Elfenbeinküste habe ich in den Achtzigern trainiert, das ist zu lange her. Aber nehmen Sie Kamerun, da war ich ja bis August 2009 tätig, wir haben es bis ins Finale der Afrikameisterschaft gebracht.

TAGESSPIEGEL: Inzwischen sind die meisten dieser Teams ausgeschieden. Haben Sie eine Erklärung für die Misserfolge?

OTTO PFISTER: Die afrikanischen Teilnehmer sind nicht in der Lage, langfristig zu arbeiten. Die afrikanischen Länder haben Weltklassespieler überall, aber die Funktionäre zerfleischen sich untereinander. Und die Funktionäre sind nicht wegen ihrer Fachkompetenz im Amt, sondern aus politischen Gründen. Bei Kamerun saß im ersten Spiel ein Spieleragent direkt neben dem Trainer auf der Bank – das gibt’s doch nicht.

TAGESSPIEGEL: Was werden die Folgen sein?

OTTO PFISTER: Ich nehme an, kein Trainer einer afrikanischen Mannschaft wird das Turnier überleben. Die Erwartungshaltung ist utopisch. So hat Nigerias Präsident zum Beispiel gesagt: ,Wir wollen Weltmeister werden.‘ Der Fußball hat so viel Macht in Afrika, dass selbst Staatspräsidenten bei Misserfolgen ihrer Mannschaft um ihren Job fürchten müssen.

TAGESSPIEGEL: Und welche Schuld trifft die Spieler?

OTTO PFISTER: Schauen Sie, mit Togo hatte ich bei der WM in Deutschland den Emmanuel Adebayor dabei, der heute bei Manchester City spielt. Oder nehmen Sie die Spieler bei Kamerun – Samuel Eto’o von Inter Mailand, Alexandre Song von Arsenal London, die kann sich kein Klub leisten, nicht mal Bayern München. Das sind absolute Weltklassespieler, so talentierte Fußballer finden Sie bei uns nicht mal im Ansatz. Aber es fehlt nun einmal etwas.

TAGESSPIEGEL: Afrikaner gelten nicht immer als diszipliniert.

OTTO PFISTER: Ich will als Trainer nicht über Laufwege reden, über Zuordnung und Taktik, das ist alles drittrangig für mich. Im Fußball zählt für mich Kreativität – und die Afrikaner sind kreativ. In Deutschland ist doch immer dieser Zirkus, dass sich alle unterordnen müssen – nein, müssen sie nicht, die Jungs wollen doch auch siegen. Packe sie bei der Ehre, du kannst nicht alle gleich behandeln. Was aber in Deutschland entscheidend besser ist, ist die Infrastruktur.

TAGESSPIEGEL: Was meinen Sie?

OTTO PFISTER: Meine Afrikaner kommen sinngemäß vier Tage vor der WM zusammen – wenn denn alle pünktlich sind! –, checken im Mittelklassehotel ein, weil nicht so viel Geld da ist. Wir trainieren auf einem Dorfplatz und freuen uns aufs Turnier mit den Besten der Welt. Und jetzt nehmen Sie die Deutschen: Trainingslager in Südtirol und auf Sizilien. Und damit den Buben nicht langweilig wird, werden ein paar Zimmer für die Spielerfrauen gemietet, damit sie gemeinsam Kaffee trinken und Kuchen essen können.

TAGESSPIEGEL: Die WM ist die erste in Afrika. Der Staat investiert Milliarden in Infrastruktur und Ausbildung, es soll ja Afrika voranbringen.

OTTO PFISTER: Wird aber nicht klappen. Wenn eine EM in Rumänien ausgetragen wird, sagt ja auch keiner in Berlin: Toll, dass wir daran beteiligt sind! Südafrika hat mit den meisten Ländern Afrikas nichts gemein, außer, dass sie alle auf einem Kontinent liegen. Es ist ein relativ reiches Land, in dem die Entwicklung bereits angeschoben ist. Südafrika hatte ja auch vorher Rugby-Stadien, Autostraßen, internationale Flughäfen und gute Hotels. In Somalia haben die Menschen andere Sorgen. Der Mann, der 2000 Kilometer weit weg im Urwald in seiner Hütte wohnt, hat nichts davon, dass es die erste WM in Afrika ist.

TAGESSPIEGEL: Warum so streng?

OTTO PFISTER: Es wird vielleicht das Selbstwertgefühl der Südafrikaner steigern. Die ganze Welt sieht: Oh, sieh an, die können’s ja! Und die Stadien und Hotels und Restaurants und Museen und Busnetze – das bleibt ja. Aber man soll die Erwartungen nicht übertreiben.

TAGESSPIEGEL: Wie sind Sie bei der WM dabei?

OTTO PFISTER: Ich bin Fernsehkommentator in Deutschland und in der Schweiz, da wohne ich ja. Vielleicht finde ich aber noch einen Trainerjob. Meine Handys sind an.

TAGESSPIEGEL: Herr Pfister, Sie sind 73 Jahre alt und im besten Ruhestandsalter …

OTTO PFISTER: … aber der Fußball hält jung, up to date. Ich muss nicht auf der Terrasse meines Ruhesitzes liegen und tagein, tagaus um den See spazieren. Ich muss mich auch nicht einmal pro Monat zum Kegelabend mit meinen alten Schulfreunden treffen. Das ist doch kein Leben! Ich brauche Action, Action, Action!

TAGESSPIEGEL: In Deutschland werden Sie, sagen wir, nicht immer für voll genommen.

OTTO PFISTER: Damit habe ich kein Problem. Ich habe die Welt gesehen und dafür sogar monatlich Geld überwiesen bekommen. Und ich habe Sprachen gelernt. Englisch natürlich, französisch war wirklich mühsam, ach, und ein bisschen italienisch. Ich kann mich also in Afrika unterhalten, im Supermarkt komme ich zurecht, ich muss ja keinen hochintellektuellen Roman schreiben.

TAGESSPIEGEL: Letztlich geht es um Erfolg.

OTTO PFISTER: Den hatte ich, fast immer und überall. Es gab auch Anfragen aus Deutschland, aber ich muss mir die Zweite Liga nicht antun. Mir wird in Deutschland zu viel aus der zweiten und dritten Reihe dazwischengequatscht.

TAGESSPIEGEL: Der ehemalige Bundesligatrainer Winfried Schäfer hat mal von Voodoozauberern im Kabinentrakt gesprochen und von Hexentänzen. Auch nicht viel besser.

OTTO PFISTER: Das sind Klischees! Bei mir kam höchstens mal der Staatspräsident rein und fragte, wie ich gewinnen will. Da musste ich auch schon mal zum Rapport. Als ich in Kongo arbeitete, bin ich im Palast vom Mobutu – und der Mann ist ja wirklich nicht unumstritten, um es mal so zu formulieren – ein und aus gegangen. So war das auch in Ruanda oder in Ghana, die kannte ich alle persönlich, ich war da ein wichtiger Mann. Das kann sich keiner vorstellen! In der Kabine beim Jogi Löw klingelt ja nicht das Handy in der Halbzeitpause und Frau Merkel sagt: So, Junge, tritt mal bei mir an.

TAGESSPIEGEL: In Afrika ist das normal?

OTTO PFISTER: In Afrika redet der Trainer, also ich. Oder der Staatspräsident.

Das Interview führte André Görke.

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