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Kommentar: Sehnsucht nach dem Motivator

Baldige Rückkehr der taktischen Verletzung? Stefan Hermanns beklagt die lasche Einstellung der Deutschen bei Freundschaftsspielen.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat sich auf dem Gebiet der medizinischen Forschung zuletzt bleibende Verdienste erworben. Ihr ist es gelungen, die sogenannten taktischen Verletzungen fast auszurotten. Dabei handelt es sich um rätselhafte Oberschenkelblessuren, die immer dann in abstruser Häufung auftauchten, wenn ein Freundschaftsspiel anstand. Vor allem Jürgen Klinsmann ist es zu verdanken, dass dieses Phänomen fast vollständig verschwunden ist. Klinsmann hat als Bundestrainer aus jedem Freundschaftsspiel ein kleines WM-Finale gemacht. Und wer will schon das WM-Finale verpassen?

Wenn man die jüngsten Signale richtig deutet, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis die taktische Verletzung in den deutschen Fußball zurückkehrt. Die Nationalmannschaft hat am Mittwoch das zweite Spiel hintereinander verloren, und gegen Norwegens B-Team fehlte ihr erneut alles, was sie seit der WM 2006 ausgezeichnet hat: eine klare Linie, Entschlossenheit und vor allem innere Überzeugung. Das könnte daran liegen, dass Freundschaftsspiele für die Nationalspieler wieder Freundschaftsspiele sind, nichts anderes.

Norwegens Trainer Egil Olsen hat den ersten Sieg seines Teams seit 14 Monaten auch damit erklärt, dass seine Mannschaft auf einen halbmotivierten Gegner getroffen sei. Das lauwarme Spiel in der lauwarm geheizten Düsseldorfer Arena hat gezeigt, dass das junge deutsche Team immer noch von außen befeuert werden muss. Man könnte auch sagen: Die Nationalmannschaft braucht wieder ein bisschen mehr von Klinsmann.

Unter Druck kann die Mannschaft immer noch ihre volle Stärke abrufen. Das hat sie bei der EM gezeigt, als sie gegen Österreich vor dem Nichts stand und gegen die Portugiesen als chancenloser Außenseiter galt. Das hat sie auch im Oktober in der WM-Qualifikation gegen die Russen bewiesen. Natürlich ist das ein gutes Zeichen. Aber es ist gefährlich, wenn sich die Mannschaft allzu sehr auf diese Fähigkeit verlässt. Weil sie damit auch ihr Selbstbild ins Wanken bringt. Das Bild, dass es Ehre und Spaß gleichermaßen ist, Nationalspieler zu sein. Egal, wie belanglos der Gegner ist.

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