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WM-Qualifikation - Wales - Deutschland -0:2

© dpa

Podolskis Angriff auf Ballack: Mehr als eine Ohrfeige

Lukas Podolski entfacht mit seiner Tätlichkeit mal wieder eine Diskussion um Michael Ballack - und fühlt sich keiner Schuld bewusst. "Das passiert halt mal auf dem Platz", sagt er ungerührt. Und zahlt jetzt ganz entspannt 5000 Euro als Buße.

Michael Ballack hat in den vergangenen Monaten einige Diskussionen über sich ergehen lassen müssen. Diskussionen, die vor allem ihn selbst und seine Position in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft betrafen. Es war nicht immer freundlich, was Ballack über sich hören oder lesen musste, am Mittwoch aber hat der Streit um seine Person eine neue Qualität erreicht. Nie zuvor ist, im Wortsinne, so massiv an seinem Denkmal gekratzt worden. Etwas mehr als eine Stunde war im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales vorüber, das spätere Endergebnis 2:0 stand schon auf der Anzeigetafel, da sah sich Ballack genötigt, dem Kollegen Lukas Podolski eine taktische Nachschulung zukommen zu lassen. Derartige Unterweisungen aber hat Podolski noch nie gemocht. Taktik? Igitt! Als Zeichen der Missachtung wischte der junge Mann Ballack mit der Hand durchs Gesicht. „Das passiert halt mal auf dem Platz“, sagte der Übeltäter gleich nach dem Schlusspfiff. „Für mich ist das abgehakt.“ Am Freitag schließlich spendete er 5000 Euro für die Fair-Play-Aktion des Deutschen Fußball-Bundes. Sanktionen hat Podolski weder vom DFB noch vom Weltverband Fifa zu fürchten.

Alles schnell abgehakt - das Schlimmste ist, dass Podolski das wahrscheinlich wirklich gedacht hat.

Es spricht nicht nur für sein unbedarftes Gemüt, es deutet auch darauf hin, dass der 23-Jährige sich nicht sonderlich dafür interessiert, was seit dem Sommer rund um die Nationalmannschaft passiert ist: Offensichtlich ist ihm vollkommen entgangen, dass er sich in einem höchst sensiblen Umfeld bewegt. Um Schlimmeres zu verhindern, schritten noch auf dem Platz die Krisenreaktionskräfte ein: Per Mertesacker packte sich Podolski, während Philipp Lahm Ballack an einem Racheakt hinderte. Aber der Kapitän schien ohnehin viel zu perplex, um umgehend zurückzuschlagen.

„Lukas hat noch viel zu lernen“, sagte Michael Ballack später. „Er ist ein junger Spieler, er macht Fehler. Wenn ich ihm als Kapitän eine taktische Anweisung gebe, hat er das zu machen. Da muss er nicht noch handgreiflich werden.“ Bereits in der Nacht nach dem Spiel versammelte Bundestrainer Joachim Löw die Beteiligten im Mannschaftshotel in Cardiff zum Krisengipfel. Das abschließende Kommuniqué kündete von einem schnellen Friedensschluss, von einer Strafe für Lukas Podolski wurde abgesehen. „In drei Minuten war das erledigt“, berichtete Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. „Sie haben sich hinterher wieder tief in die Augen gesehen und gegenseitig abgeklatscht.“ So weit die offizielle Version, die fast zu kitschig klingt, um wahr zu sein. Am Freitag äußerte sich dann DFB-Präsident Theo Zwanziger:

Der vor einem Millionenpublikum ausgetragene Disput passt dem Bundestrainer und seinen Mitarbeitern jedenfalls überhaupt nicht in den Kram. „Wir haben deutlich gemacht, dass uns so eine Aktion ins falsche Licht bringt“, sagte Oliver Bierhoff. Aber da ist die Nationalmannschaft längst. Podolskis Tätlichkeit schreibt die unschönen Geschichten der jüngeren Vergangenheit fort, und sie passt in die allgemeine Missstimmung, die das Team seit der Europameisterschaft im vergangenen Jahr umgibt. Die Liste der internen Konflikte wird immer länger: Ballack gegen Bierhoff, Frings/Ballack gegen Löw, Löw gegen Ballack, Klose gegen Ballack und so weiter und so fort. Immer irgendwie mittendrin: Michael Ballack, der Kapitän, der Leader, der Leitwolf, die absolute Führungsfigur. Aber ist er das überhaupt noch, wenn selbst ein nachrangiger Kader wie Podolski nicht mehr davor zurückschreckt, ihn offen zu attackieren?

Ballacks Gegner wittern einen weiteren Verfall seiner Autorität, nachdem er sich als Kapitän zuletzt schon diverse Einmischungen in seine Amtsführung gefallen lassen musste. Mal direkt, mal eher subtil, so wie von Philipp Lahm, der Ballack das vergiftete Lob ausgesprochen hatte, er gehe wieder stärker auf seine Mitspieler zu, „wie man das von einem Kapitän gewohnt ist“.

Es war Ballack anzumerken, dass er mit solchen Wortmeldungen wenig anzufangen weiß. Und er hat die richtige Antwort gegeben – auf dem Platz. „Michael hat sich gerade in den letzten Spielen enorm reingehängt und ist vorbildlich vorgegangen“, sagte Oliver Bierhoff. In den vier WM-Qualifikationsspielen, in denen Ballack seit der Europameisterschaft dabei war, hat er drei Tore erzielt, davon gegen Liechtenstein und in Wales jeweils das wichtige 1:0. Mehr Wert geht kaum. (mit dpa)

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