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Heldenhaft.

© dpa

Portugal: Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl

20.000 Portugiesen leben in Kapstadt – und jubeln für ihr Nationalteam. Ihren kleinen Klub „FC Vasco da Gama“ haben sie in die Erste Liga gebracht.

Neulich hat Carlos Queiroz vorbeigeschaut. „Carlos ist bei uns immer ein gern gesehener Gast“, sagt Mario Das Neves, und ein bisschen wie zu Hause ist es ja auch für den prominenten Besuch. Denn Mario Das Neves steht dem FC Vasco da Gama Cape Town vor, dem Klub der portugiesischen Community in Kapstadt. Das Neves und Queiroz kennen sich über einen gemeinsamen Bekannten, den Schwiegervater eines Jugendtrainers aus Mosambik, außerdem hat Queiroz vor der portugiesischen Nationalmannschaft auch mal die südafrikanische trainiert.

Mit der Unterstützung von 29 patriotisch gesinnten Geschäftsleuten hat Vasco da Gama gerade den Aufstieg geschafft in die südafrikanische Premier League, wo es in der nächsten Saison gegen die Kaizer Chiefs geht oder gegen die Orlando Pirates. Das ist in etwa so, als würde Türkiyemspor dank der Kapitalkraft der Berliner Dönerbudenbetreiber in der Bundesliga die Bayern, Schalke und Dortmund herausfordern.

Die beiden Aufstiegsspiele im Mai gegen die Black Leopards aus Thohoyandou waren Feiertage für die portugiesische Exklave am Kap, aber den größten Moment werden sie am Dienstag feiern. Dann kommt die Seleção aus der alten Heimat nach Kapstadt, zum WM-Achtelfinale gegen den alten Lieblingsfeind Spanien. 20 000 Kapstädter besitzen einen portugiesischen Pass, weitere 100 000 haben portugiesische Wurzeln. Einen Großteil der im Vorverkauf frei verfügbaren Tickets haben Das Neves und seine Landsleute für ihre Leute organisiert. Schon vor einer Woche beim 7:0 gegen Nordkorea leuchtete das Green Point Stadium grün-rot. Beim classico iberico gegen Spanien werden sich die Portugiesen am Dienstag nicht weniger heimisch fühlen als im Estadio da Luz von Lissabon.

Beim FC Vasco da Gama Cape Town spielen Ugander, Kameruner, Kongolesen, Südafrikaner und natürlich Portugiesen. Das Budget finanzieren Fischer aus den Vororten an der Küste, Farmer aus den ländlichen Vororten, Rechtsanwälte, Gastronomen und Geschäftsleute aus der City. Zum Beispiel der Klubchef Das Neves – er besitzt einen Supermarkt. Oder Antonio Moniz, klein, drahtig, pechschwarzes Haar. Mit seinem Bruder betreibt er eine Firma, die Fisch aus Brasilien importiert und an Restaurants in Johannesburg verkauft. Der Geschäftsmann Antonio Moniz zählt zu den Sponsoren, die die Mannschaft des Stürmers Antonio Moniz unterstützt.

Moniz folgt der Spur des portugiesischen Nationalteams seit drei Wochen. Er war in Johannesburg beim letzten Test gegen Mosambik, litt mit beim zähen 0:0 gegen die Elfenbeinküste, feierte am Kap die sieben Tore gegen die hilflosen Nordkoreaner und war zufrieden mit dem Unentschieden in Durban gegen die frühere Kolonie Brasilien. Moniz ist in Kapstadt groß geworden, zuallererst aber ist er Portugiese, „na ja, eigentlich Madeirer, das ist schon ein kleiner Unterschied“.

Für Portugal ist es ein sehr ertragreicher Unterschied, denn zwei tragende Kräfte der Nationalmannschaft kommen von der Insel, die gut 1000 Kilometer weit weg von Lissabon im Atlantik liegt. Daniel Miguel Alves Gomes, genannt Danny. Und Cristiano Ronaldo, einer der besten Fußballspieler der Welt. Auch Antonio Moniz hat früher auf Ronaldos Insel gespielt, „für Maritimo Funchal, Cristiano gehörte zu Nacional, aber als ich da war, hat er schon für Sporting Lissabon gespielt“. Wenn es um Portugal geht, verbietet sich jede Kritik, erst recht an Ronaldo, obwohl Moniz findet, „dass ihm die Kapitänsbinde nicht so gut tut, vielleicht sollte er sie lieber an Carvalho abgeben, dann müsste nicht so oft beim Schiedsrichter protestieren. Das lenkt ihn nur ab.“ Zu Carlos Queiroz ist diese Anregung noch nicht vorgedrungen. Macht nichts, sagt Moniz, es gebe eh keinen Kontakt zur Mannschaft, was ganz gut so sei, ergänzt Klubchef Das Neves, „wir wollen die Spieler ja auch nicht stören, die sollen sich in Ruhe auf die Spiele vorbereiten“. Er macht seinen Job im Hintergrund.

Das ist im Augenblick die Unterstützung der Seleção, später geht es weiter in der Premier Soccer League, gegen die von Millionären gesponserten Teams aus Johannesburg und vor allem gegen den Ortsrivalen, gegen Ajax Cape Town. Der Klub ist eine Filiale des gleichnamigen Klubs aus Amsterdam und organisiert die Unterstützung der holländischen Mannschaft. Beide Vereine spielen nah am Atlantik in Green Point, zwischen ihnen liegt nur eine vierspurige Straße – „und reichlich Geld“, sagt Mario Das Neves. „Ajax ist ein reicher Verein, wir sind arm.“ Aber sie arbeiten an der Nivellierung dieses Unterschiedes, auch und gerade, was die sportliche Heimat betrifft. Das riesige Green Point Stadium wird nach der WM wahrscheinlich nutzlos herumstehen, ein weißer Elefant vor dem malerischen Panorama von Tafelberg und Atlantikküste, aber Mario Das Neves träumt davon, „dass demnächst die Premier-League-Klubs aus Kapstadt in diesem Weltklassestadion spielen dürfen“. Erste Verhandlungen laufen.

Nach der WM spielt

der FC Vasco da Gama vielleicht

im Green-Point-Stadion

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