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Bereits am Vortag gab es die Eröffnung vor der Eröffnung: Im Orlando-Stadion von Soweto tanzten die Fans schon am Donnerstag zur Musik von Shakira und anderen Stars.

© AFP

Südafrikas Team: Die Nation im Rücken

Vor neun Monaten waren Südafrikas Spieler zerstritten. Trainer Carlos Parreira hat nun eine Mannschaft geformt, die seit zwölf Spielen ungeschlagen ist – und die gesamte Bevölkerung hinter sich hat.

Eigentlich ist Frederik Willem de Klerk ein eingefleischter Rugbyfan. Der letzte weiße Präsident Südafrikas, der sein Land vor 20 Jahren zusammen mit Nelson Mandela auf neuen Kurs brachte, hat jedenfalls, wie er freimütig zugibt, früher überhaupt nichts mit Fußball anfangen können. „Als ein Bure wäre es mir nie in den Sinn gekommen, ausgerechnet diesen Sport zu wählen oder auch nur ein Spiel zu besuchen“ sagte der 74-Jährige gestern gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Doch inzwischen hat der Fußball selbst für einen Rugbyverrückten wie de Klerk eine ganz neue Bedeutung erhalten, zumal sich der Sport, wie de Klerk anerkennt, mindestens so stark wie das Land selber gewandelt habe. Auch ihn habe das sehr verändert: „Egal, welche Hautfarbe oder welchen Hintergrund wir haben: Am Freitag stehen alle Südafrikaner wie ein Mann hinter unserem Team.“ Wie sehr sich die Reihen am Kap um die Bafana Bafana schließen, erlebten seine Kicker zur Wochenmitte bei einer Bustour durch das Johannesburger Geschäftszentrum. Zu Tausenden strömten Manager, Portiers und Sekretärinnen in ihren knallgelben Bafana-Shirts auf die Straße, um ihren Kickern zuzujubeln. Denn die Hoffnung auf ein Fußballwunder ist am Kap plötzlich wiedererwacht.

Das war nicht immer so: Selten geriet die WM-Vorbereitung eines WM-Gastgebers derart zur Komödie wie jetzt bei den Südafrikanern. Mal fanden sich keine Gegner, gegen die das Team aus Südafrika spielen konnte, dann stand ausgerechnet der Gastgeber plötzlich im eigenen Land ohne WM-Camp da, weil der unfähige Verband die Renovierungsarbeiten im ursprünglich vorgesehenen Quartier verschlafen hatte. Schließlich wurde auch noch Stürmerstar Benni McCarthy im letzten Moment ausgemustert, weil sein Bauch selbst unter dem weitesten Trikot noch auffallend spannte. Was sich in den letzten vier Wochen um das Team herum abgespielt hat, grenzt deshalb an ein kleines Wunder: Team und Land sind wieder versöhnt, der Stolz auf die Söhne in Gelb-Grün ist riesengroß. Nach zwölf Spielen ohne Niederlage strotzt die zeitweise bis auf Platz 90 der Fifa-Weltrangliste abgerutschte Mannschaft vor Selbstvertrauen, zumal nach einer Reihe drittklassiger Gegner wie Thailand (4:0) und Guatemala (5:0) zuletzt sogar die favorisierten Dänen geschlagen wurden.

Selbst Neil Tovey, der die Bafana 1996 als Kapitän zum Gewinn des Afrika-Cups geführt hatte, zollte höchstes Lob. „Das Team ist enorm verbessert. Die letzten Monate haben es ganz neu zusammengeschweißt“, doziert Tovey, der vor allem die Ballkontrolle und das einfache, direkte Spiel hervorhebt. Unter ihrem im November zum zweiten Mal angeheuerten Coach Carlos Parreira hat das Team eine wundersame Wandlung vollzogen – und scheint nun genau zur WM in Topform zu sein. Parreira selbst war erst vor neun Monaten vor allem wegen seiner Erfahrung zurückgeholt worden, nachdem er zuvor wegen einer Erkrankung seiner Frau in seine brasilianische Heimat zurückgekehrt und damals von seinem glücklosen Landsmann Joel Santana ersetzt worden war. Hatte Parreira bei der Rückkehr mit Blick auf seine Aufgabe noch von der „Besteigung des Mount Everest“ gesprochen und sich bitter über die fehlende Professionalität von Verband und Spielern am Kap beschwert, schlägt er nun andere, versöhnlichere Töne an: „Ich habe noch nie zuvor mit einer besseren Truppe Fußballer gearbeitet – und das schließt meine Brasilianer ein. Wir fürchten uns vor keinem.“

In mühsamer Kleinarbeit ist es dem brasilianischen Weltmeistercoach von 1994 gelungen, dem zerstrittenen Team eine Identität zu geben. Die Spieler danken es ihm und folgen bedingungslos. Vor allem die einheimischen Profis, mit denen er nun seit fünf Monaten fast täglich zusammen ist, verehren den Coach. „Er hat das Schiff stabilisiert und uns durch seine Rückkehr noch mal einen enormen Schub gegeben“, sagt etwa Verteidiger Matthew Booth, der einzige Weiße im Team. „Es ist unglaublich, wie sich die Mannschaft unter ihm zuletzt entwickelt hat“, sagt auch der frühere Dortmunder Steven Pienaar. Zwei unschätzbare Vorteile hat Bafana Banfana bereits: den Lärm tausender Vuvuzela-Tröten, die Parreira selbst als den besten zwölften Mann des Teams beschrieben hat. Und die legendäre „Madiba-Magic“, die Südafrikas Freiheitsikone Nelson Mandela noch immer verströmt. Letzte Woche empfing er die Spieler bei sich daheim – ein ergreifender Moment für die Mannschaft. Auch heute soll Mandela zumindest zum Anpfiff des Spiels gegen Mexiko kurz auf der Tribüne sitzen. „Seine Schwingungen, seine Energien werden das Team befeuern“, weiß Parreira. „Ich habe ihm jedenfalls persönlich versichert, dass unser Team sich zerreißen wird – um ihn und sein Land noch einmal richtig stolz zu machen.“

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