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Hooligans

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Gewalttäter Sport: Hooligans bleiben gespeichert

Das Gerichtsurteil zur Gewalttäter-Datei hat keine Auswirkungen auf die EM.

Berlin - Auch Wolfgang Bosbach ist der Schreck in die Glieder gefahren, als er vom Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover erfuhr. Die Richter hatten die Datei „Gewalttäter Sport“ gekippt, weil es keine ausreichende rechtliche Grundlage für sie sieht. „Wir können auf diese Datei nicht verzichten, wenn wir im Vorfeld von sportlichen Großveranstaltungen Hooligangs aus dem Verkehr ziehen wollen“, sagt Bosbach, der Innenexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und mit der Fußball-Europameisterschaft steht ein solches Ereignis unmittelbar bevor.

Doch die EM wird von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vermutlich nicht weiter betroffen sein. „Das Urteil hat zunächst keine Auswirkung in der Praxis“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Vor allem deshalb, weil es noch nicht rechtskräftig ist. Das Gericht hat den Beklagten, der Polizeidirektion Hannover, das Recht eingeräumt, Berufung einzulegen. „Davon werden wir auch Gebrauch machen“, kündigt Stefan Wittke, Sprecher der Hannoveraner Polizeidirektion an. „Notfalls werden wir bis vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen, und dann wird die EM längst vorbei sein“, sagt Wittke weiter.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie es mit dieser Datei weitergehen wird. Zurzeit sind 9700 Personen registriert, die durch Gewaltstraftaten in Zusammenhang von Sportereignissen auffällig geworden sind. Das Gericht hat jetzt nicht prinzipiell die Datei, die es seit 1994 gibt, infrage gestellt, sondern eher eine mögliche juristische Lücke ausfindig gemacht. Es handelt sich um eine sogenannte Verbunddatei im Rahmen des Bundeskriminalamts-Gesetzes (BKAG). Das heißt, sie wird von Bund und Ländern gleichermaßen genutzt. Der Bundesrat hat dem BKAG grundsätzlich zugestimmt, aber keine extra Rechtsverordnung für die Datei „Gewalttäter Sport“ erlassen.

Genau das sei aber nötig, argumentiert nun das Verwaltungsgericht. Geklagt hatte ein Mann, der in dieser Datei gespeichert ist, weil er am Rande eines Spiels zwischen den Amateuren von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig im Jahr 2006 in eine Schlägerei verwickelt war. Daraufhin wurde er in die Datei aufgenommen. Den Eintrag nimmt die jeweilige Polizeidirektion vor, bei der der Vorfall passiert ist (Tatortprinzip) – hier also die Polizeidirektion Hannover. Der Mann hatte nun die Löschung seiner Daten beantragt, was die Polizei ablehnte. Dagegen hat er geklagt. Einträge werden erst nach fünf Jahren automatisch gelöscht, wenn es keine weiteren Vorkommnisse gab.

Die Datei selbst ist allerdings keine Rechtsgrundlage beispielsweise für Passeinschränkungen. „Aber die Datei ist eine große Hilfe für uns“, sagt Wittke. Außerdem greift sie bei Grenzkontrollen. Im Vorfeld der EM wird Österreich laut Wittke wieder an den Grenzen Kontrollen vornehmen, „und da wird auch in die Datei geschaut“. Wittke ist optimistisch, dass die Polizeidirektion mit der Berufung Erfolg haben wird. Denn in einem ähnlichen Fall hatte der Verwaltungsgerichtshof Hessen im Dezember 2004 keine Rechtsmängel festgestellt.

Die Politik überlegt trotzdem, ob man unabhängig von der Berufung die mögliche Rechtslücke schließt. „Ich werde das Thema auf jeden Fall auf der nächsten Sitzung der Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung bringen“, sagt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Auch auf Bundesebene will man schnell für Klarheit sorgen. „Wenn es nötig wäre, würden wir die fehlende Rechtsverordnung herstellen – auch noch vor der EM“, sagte Bosbach. Schließlich seien die Personen aus gutem Grund in der Datei, „und die dürfen uns vor der EM nicht durch die Hände flutschen“. Auch Dieter Wiefelspütz sieht das so. Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion warnt davor, das Urteil überzubewerten. Sollte das Urteil jedoch wider Erwarten doch vor der EM in Kraft treten, „dann bezweifel ich, dass wir so schnell die geforderte Rechtsverordnung bekommen“.

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