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Sport: Gezielt Gold

Sportschütze Manfred Kurzer landet einen Erfolg für die Ewigkeit

Die Anspannung konnte Manfred Kurzer nicht sofort abschütteln. Als er nach dem finalen Schuss seinen Stand verlässt und auf die Anzeigentafel blickt, da huscht ihm lediglich ein zaghaftes Lächeln über das Gesicht. Sein Zustand der höchsten Konzentration lässt anfangs großen Jubel einfach nicht zu. Ein Sportschütze braucht Stunden, bevor er wieder teilnimmt am normalen Leben. Kurzer begreift erst allmählich, was er da soeben im olympischen Schießzentrum von Markopoulo mit seiner hochmodernen Waffe, einem 15 000 Euro teuren Präzisionsgerät, vollbracht hat: Die Goldmedaille hat der Mann aus Frankfurt (Oder) geholt. Es sei „der größte Wettkampf meines Lebens“ gewesen, sprudelt es dann aus ihm heraus. Und: „Gold ist einfach Wahnsinn“, das sei „ein Sieg für die Ewigkeit“.

Damit hat Kurzer Recht. Bei den Spielen 2008 in Peking soll das Programm der Sportschützen von 17 auf 15 Wettbewerbe reduziert werden. Der Verband hat entschieden: Die Laufende Scheibe, Kurzers Disziplin, wird abgeschafft. „Dann werde ich wohl die Bundeswehr- Förderungsgruppe verlassen müssen und im Beruf arbeiten“, sagt Kurzer.

Der Wettkampf in Athen jedoch war beste Werbung für diese Disziplin, an Spannung kaum zu überbieten. Manfred Kurzer hatte „sagenhafte Serien im Vorkampf geschossen“, wie Bundestrainer Reinhard Rüger lobend feststellte. Nicht nur seinen Vorkampf-Weltrekord hatte er zurückerobert: Nach 60 Schuss, je zur Hälfte auf die langsam und die schnell laufende Scheibe, standen 590 Ringe. Sechs Ringe Vorsprung hatte Kurzer vor dem Finale auf den Zweiten, den Russen Dimitri Lykin, gar elf auf den Chinesen Li. Noch nie hatte ein Schütze in seiner Disziplin einen solchen Vorsprung, „eine ganze Welt liegt zwischen ihm und der Konkurrenz“, stellte der Teamleiter des Deutschen Schützenbundes, Heiner Gabelmann, nach dem Vorkampf fest.

Doch im Finale zeigte der 32-Jährige plötzlich Nerven, erkennbar auch an seiner Haltung. Nach jedem Schuss dehnte er den Rücken, verzweifelt versuchte er, seine Hände an der stabilisierenden Schussweste zu trocknen. Vergeblich? Nur bis zum vierten Schuss hält er das Weltklasse-Niveau, dann stürzt er in die Krise eines drittklassigen Schützen. Die katastrophale 6,5 im fünften Schuss halbiert seinen Vorsprung. „Da bin ich in Panik geraten“, sagt Kurzer später. Nach einer 10,6 im sechsten Schuss folgt eine 5,4. Danach betrug sein Vorsprung nur noch 0,8 Ringe. Ein Drama kündigt sich an. „Ich habe mich da an die vielen vergleichbaren Situationen erinnert“, sagt der Weltmeister von 1990 und 1994, „dann ging es wieder.“

Dazu kam Glück, denn auch der Russe Lykin patzte. Ein paar Minuten später war Kurzer Olympiasieger und bewahrte damit den Deutschen Schützen-Bund vor einer weiteren Olympiapleite. Der Olympiasieger von 1992, Michael Jakosits (Homburg), belegte am Ende Platz fünf.

Manfred Kurzer hat sein Leben total auf das Ziel Olympiagold ausgerichtet. Bundestrainer Rüger sagt, Kurzer erinnere ihn an den Radprofi Lance Armstrong, „wenn der Weihnachten angerufen wird, sitzt der auf dem Fahrrad“. Genauso verhalte es sich mit seinem Schützling: „Egal, wann ich den anrufe: Der ist auf dem Schießstand.“ Vor Sydney 2000 gehörte er zu den Favoriten, aber zwei Wochen vor den Spielen ging seine Ehe in die Brüche. Kurzer sei danach zusammengebrochen. Aber jetzt habe endlich alles gepasst. Kurzer ist Olympiasieger – wohl der letzte Olympiasieger im Wettbewerb auf die Laufende Scheibe.

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