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American Football: Gott trägt jetzt Flieder

16 Jahre war er der Held in Green Bay, nun schlägt Football-Legende Brett Favre sein altes Team im Trikot des Erzrivalen Minnesota.

Berlin - Es war wie in alten Zeiten. Nach dem Triumph umarmte Brett Favre einen Spieler der Green Bay Packers nach dem anderen und ließ sich feiern, so wie er es als Quarterback des Footballteams mehr als anderthalb Dekaden lang getan hatte. Nur ein Detail stimmte nicht: Favre hatte das falsche Trikot an. Beim mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen der Packers mit dem Erzrivalen in der US-Profiliga NFL trug er am Montagabend das fliederfarbene Jersey der Minnesota Vikings. Zum ersten Mal stand die Spielmacherlegende dem Team gegenüber, das er 16 Jahre lang angeführt hatte. Und Favre machte auf seine Weise klar, dass die Packers einen Fehler gemacht hatten, als sie ihn vor zwei Jahren fortschickt hatten. Er hatte mit seinen Würfen für 271 Yards und drei Touchdowns entscheidenden Anteil am 30:23-Sieg der Vikings, die nun vier Mal in Folge gewonnen haben und in der National Football League weiter unbesiegt sind. Der Erfolg sei „süß, aber er hat nichts mit Rache zu tun“, beteuerte Favre nach dem Spiel.

Doch mit der Glaubwürdigkeit von Favres Worten ist das so eine Sache. Eigentlich hätte er nämlich als Farmer auf einem Traktor sitzen sollen. Das zumindest hatte er angekündigt, als ihn Green Bay 2007 im Zuge der Verjüngungskur vor die Tür setzte. Doch dann stellte sich sein Spieltrieb als größer heraus als die Treue zu den Packers und der Superstar kehrte auf das Feld zurück, das er bestellen kann wie kein Zweiter. In der vergangenen Saison heuerte er bei den New York Jets an, mit denen er knapp die Play-offs verpasste, weil er die Signale seines Körpers ignorierte, trotz einer verletzten Schulter spielte und sich deswegen die meisten Fehlwürfe aller NFL-Quarterbacks leistete. Der erneute Rücktritt folgte.

Doch die Aussicht, in einem Team mit einem starken Angriff und einer der besten Verteidigungsreihen der NFL vielleicht den zweiten Superbowl-Sieg zu erreichen, holte Favre abermals vom Trecker: „Ich wollte mich nicht später fragen müssen: Was wäre gewesen, wenn…?“ Unglücklicherweise für die Green-Bay-Fans war dieses Team ausgerechnet der verhasste Rivale aus dem Nachbarstaat Minnesota. So lief der Veteran am Montag für die Vikings auf – unter den Missfallensbekundungen der Green-Bay-Fans, die ihn einen Verräter schimpften und in der Halbzeitpause seine Devotionalien verbrannten, obwohl sie ihn doch nicht mehr hatten haben wollen in Green Bay.

Favre wollte sich die besondere Konstellation nicht anmerken lassen, aber seinen neuen Teamkollegen konnte er nichts vormachen. „Er hat es die ganze Woche heruntergespielt, aber ich wusste, wie viel es ihm bedeutete“, sagte Adrian Peterson, der Ballträger der Vikings. „Ich habe es in seinen Augen gesehen.“ Favre gab nachher zu, so aufgeregt gewesen zu sein wie nie zuvor in seiner Karriere. „Ich saß vor dem Spiel in der Kirche und betete: Verdammt, ich verliere. Ich darf das nicht verlieren! Und Gott hat meine Gebete erhört.“ Mehr noch: Man hätte meinen können, Gott selbst steckte im Trikot mit der legendären Nummer 4.

Ein paar Tage vor seinem 40. Geburtstag tobte der Mann mit dem inzwischen fast vollständig ergrauten Haupthaar wie ein 20-Jähriger in seiner ersten Saison über das Spielfeld. Green Bays Abwehrspieler Nick Barnett hatte noch verkündet, seinem einstigen Anführer unbedingt auf die Socken geben zu wollen: „In all den verdammten Trainings über die Jahre durften wir ihn ja nicht anfassen!“ Doch es war Favre, der die Verteidigung der Packers regelrecht zerpflückte.

Aaron Rodgers, sein Nachfolger als Quarterback in Green Bay, sah dagegen richtig alt aus. Von der Vikings-Verteidigung um den überragenden Jared Allen wurde er insgesamt acht Mal zu Boden gerissen – davon einmal für zwei Punkte in der eigenen Endzone –, verlor einmal den Ball und warf ihn einmal zum Gegner. Alle Fehler des 25-Jährigen wandelte Favre anschließend in Punkte für Minnesota um.

Nach seiner süßen Rache strahlte der alte Mann wie ein kleines Kind. „Ich liebe dieses Spiel, es macht einfach Spaß“, sagte Favre. „Es wird niemals altbacken, obwohl ich es langsam werde.“ Immerhin ist Favre noch vital genug, um seiner Liste an Rekorden weitere hinzuzufügen. Zum Beispiel den: Als einziger Quarterback in der Geschichte der NFL hat nun er alle 32 Teams besiegt. Und den süßesten Sieg hat sich Brett Favre bis zuletzt aufgehoben.

Christian Hönicke

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